Hahn: „Entscheidungen dürfen nicht Monate dauern“

Hahn: „Entscheidungen dürfen nicht Monate dauern“
EU-Kommissar Johannes Hahn erwartet von den Staats- und Regierungschefs „rasches Handeln, um die Krise in den Griff zu bekommen“.

KURIER: Bringt der EU-Gipfel die Lösung der Krise?

Johannes Hahn: Es geht um Festlegungen mit Nachhaltigkeit. Man kann ja nicht jede Woche neue Vorschläge machen, das zeugt nicht von Sicherheit und verstärkt die Vertrauenskrise. Vertrauen gewinnt man nur durch Lösungen.

 

Wie groß ist die Ansteckungsgefahr in der Krise?

Die Psychologie spielt eine Rolle. Die Verantwortlichen müssen sich der Wirkung ihrer Worte bewusst sein und sollten stärker die Lösungsansätze kommunizieren. Was wir in der EU brauchen, ist ein neuer Unternehmergeist. Woran kann ein junger Mensch glauben, wenn Verantwortliche sagen, morgen ist alles aus. Wir brauchen den Geist, mit Herausforderungen fertigzuwerden.

 

 

Das Vertrauen in Politiker ist verloren. Können Junge noch an die Lösungskapazität von Politikern glauben?

Wir brauchen stabilisierende Aktionen. In der EU gibt es 23 Millionen kleine und mittlere Unternehmen. Es gibt 23 Millionen Arbeitslose. Wenn jedes Unternehmen einen Arbeitslosen einstellt, wäre das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst.

 

Sparen ist das Dogma. Wie soll da neuer Unternehmergeist entstehen?

Meine Aufgabe ist es, wirtschaftlich schwachen Ländern zu helfen. Die Regional- und Strukturpolitik ist das Instrument dafür. In Polen wird mit EU-Geldern ein Drittel der öffentlichen Investitionen finanziert, in den baltischen Staaten sind es bis zu 50 Prozent. EU-Fördermittel sind ein wesentlicher Faktor für die Volkswirtschaft und die Modernisierung eines Landes.

 

Auch in Griechenland?

Es gibt einen Aktionsplan mit mehr als 160 Projekte, die im Internet stehen. Das macht Druck. Bis Jahresende werden neun Projekte mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro abgeschlossen sein. Griechenland hat viele Potenziale: Ganzjahrestourismus, Nahrungsmittelfertigung, erneuerbare Energie. Bis 2013 sind für Griechenland 20 Milliarden Euro an Strukturförderungen eingeplant, davon sind rund 80 Prozent der Mittel ausgeschöpft, entweder schon bezahlt oder es gibt konkrete Pläne.

 

Sind Sie zufrieden mit Griechenland?

Ich bin ungeduldig und wünsche mir noch viel mehr. Regeln und Gesetze kann man schnell ändern. Es geht hier jedoch um Mentalitäten. Wir haben lange den griechischen way of life besungen. Es gibt dort andere Sichtweisen, was Effizienz, das Verhältnis von Individuum und Staat angeht. Europa hat unterschiedliche Gesellschaftsmodelle. Trotz der Unterschiede müssen wir gemeinsame Spielregeln, wie Budgetdisziplin und eine nachhaltige Investitionspolitik, vermitteln.

 

Merkel und Sarkozy haben in der Krise das Heft in der Hand. Die Kommission verliert Macht. Warum?

Es geht nicht um Macht, sondern um Ergebnisse. Die Kommission hat zur Lösung der Krise etliche Vorschläge gemacht. Berlin und Paris haben diese aufgegriffen.

Ist die Kommission die künftige EU-Regierung?

In abgeschwächter Form sind wir das bereits. Wir haben das Initiativrecht, den Auftrag und die Befugnis, die Dinge voran zu treiben. Wichtig ist, dass der interinstitutionelle Entscheidungsprozess vereinfacht wird. Abstimmungen in den Mitgliedstaaten müssen schneller sein, Entscheidungen dürfen nicht Monate dauern.

 

Fahren „Merkozy“ kleine Länder an die Wand?

Das öffentliche Interesse fokussiert sich überproportional auf die beiden Personen. Die EU hat seit jeher wichtige Impulse von der deutsch-französischen Achse bekommen. Entscheidend ist, dass es eine europäische und nicht eine zwischenstaatliche Achse ist. Es liegt an den anderen Mitgliedern, sich einzubringen und ihre Interessen zu wahren.

 

Macht das Österreich?

Die politische Positionierung und physische Präsenz ist ausbaubar. Mit den ökonomischen Daten – im EU-Vergleich – hat Österreich eine sehr gute argumentative Ausgangslage. Damit kann Österreich eine hohe Glaubwürdigkeit einbringen.

 

Währungskommissar Rehn warnt: Entweder mehr Integration oder die EU zerfällt. Sehen Sie das auch so?

Dem ist nichts hinzuzufügen. Rehn hat recht, wenn er rasches Handeln einfordert.

 

Soll der Währungskommissar Eingriffsrechte auf nationale Budgets erhalten?

Es geht um eine vernünftige Integration der Wirtschafts- und Fiskalpolitik unter Federführung der Kommission. Alles andere wäre desintegrativ. Budgetkontrolle und Sanktionen gibt es ja schon. Es liegt an den Mitgliedstaaten, die Vorschriften umzusetzen.

 

Sanktionen heißt?

Geldstrafen für Schuldenländer, die ihre Haushalte nicht korrigieren wollen.

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