"Ground Zero": Industrie sieht Standort am Ende

"Ground Zero": Industrie sieht Standort am Ende
Industrie und Banken klagen anhaltend - und unisono - über Auflagen und Belastungen in Österreich.

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, bedient sich harter Worte: "Die Standortpolitik in Österreich hat vom Vertrauenskonto maximal abgebucht, wir sind am 'Ground Zero' angekommen“. Die heimischen Unternehmen bräuchten nun "den Wiederaufbau des Vertrauens in den Standort".

"Ground Zero": Industrie sieht Standort am Ende
Interviewtermin mit Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellen Vereinigung am 08.03.2013 in Wien
Neumayer (Bild) prangert Probleme von "hohen politischen Energiekosten" bis zu rückwirkenden Belastungen wie bei der Gruppenbesteuerung an. Gerade rückwirkende Eingriffe seien Gift für das Vertrauen in den Standort. "Das tut man nicht." Man solle nicht glauben, dass Firmen nun vorhandene Investitionen abtragen, diese müssten sich erst rechnen. Aber für die Zukunft sei entscheidend, ob neue Projekte in Österreich gestartet werden - oder im Ausland. "Die Frage ist: investiere ich in die Modernisierung oder überlege ich einen anderen Standort."

voestalpine-Chef Wolfgang Eder hatte die Diskussion unlängst angestoßen, als er darauf verwies, dass der Hochofen in Linz in wenigen Jahren am Ende seiner Laufzeit stehe und das Nachfolgeprojekt nicht unbedingt in Österreich verwirklicht werden müsse. Auch OMV-Chef Roiss hatte sich daraufhin zum heimischen Standort kritisch geäußert.

Deutschland mache vor, was auch für Österreich wichtig wäre, sagt Neumayer: Im Nachbarland schafft mehr als ein Drittel der Investitionen zusätzliche Kapazität. In Deutschland habe man bessere Strukturen geschaffen und sei beispielsweise "amüsiert" über die Arbeitszeitdiskussion in Österreich. Arbeitszeit werde in Deutschland "sehr viel flexibler und kostengünstiger gehandhabt als in Österreich".

Das Leiden der Banken - und der Kunden

Anders als die voestalpine, deren Chef den Stahlstandort Linz nicht nur wegen der hohen Steuern in Österreich in Frage stellt, sondern auch wegen der Energie- und Umweltpolitik aus Brüssel, ächzen die Banker unter der hohen Bankensteuer und neuen Zahlungspflichten, die ihnen ab dem nächsten Jahr abverlangt werden: 300 bis 400 Millionen jährlich werden die heimischen Geldinstitute in den nächsten acht bis zehn Jahren für Abwicklungsfonds und neue Einlagensicherung einzahlen.

Sparkassenverbandpräsident Christian Aichinger und Erste-Bank-Österreich-Chef Thomas Uher wollen die neuen Belastungen auf jeden Fall gegen die Bankensteuer gegengerechnet wissen, die heuer 640 Millionen Euro ausmachen wird. "Das ist das Mindeste, was man braucht", sagten sie am Donnerstag. Trotz dieser Anrechnung müsse die Bankensteuer insgesamt auch ein Ablaufdatum haben. "Länger als über diese Regierungsperiode sollte es nicht hinausgehen."

Bliebe es hingegen bei der Mehrfachbelastung, träfe das die Kunden massiv. Auch Gebührenerhöhungen wären unausweichlich.

Kleine Banken und Sparkassen unter 1 Milliarde Euro Bilanzsumme sind von der Bankenabgabe derzeit befreit – was etwa die Bank Austria empört, die verlangt, dass alle zahlen müssten. Diese Milliardengrenze fallen zu lassen, ist jetzt auch für den Erste-Bank-Vorstand "sicher eine diskutable" Frage. Zumal, wie Uher heute anmerkte, auch die Zahlungen für Einlagensicherungsfonds und Restitutionsfonds keine solche Milliardengrenze kennen.

Ob die heimischen Bankensteuern tatsächlich Konzernverlagerungen nach Prag (wie vom tschechischen Präsidenten Zeman der Erste Group nachgesagt) oder nach Passau (wie von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich ventiliert) rechtfertigten? Wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlecht seien, werde man über Verlagerungen steuersensitiver Geschäfte nachdenken müssen, sagte Uher dazu. Zum Scherzen sei jedenfalls niemandem zumute.

Mitterlehner alarmiert

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Reinhold Mitterlehner ist mit Ergebnis zufrieden.
Das dürfte sich auch zu Reinhold Mitterlehner (Bild) rumgesprochen haben: Der Wirtschaftsminister zeigt in derPresse Verständnis für die Klagen der Banken über die Doppelbelastung durch die österreichische und die künftige EU-Bankenabgabe. "Mit dieser Problematik muss man sich beschäftigen, wir werden wohl auf Dauer nicht beides in diesem Ausmaß haben können", so Mitterlehner. Er will mit einer weiteren Senkung der Lohnnebenkosten und mit Bürokratieabbau auf die Kritik der Wirtschaftstreibenden reagieren.

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