Griechische Tragödie trübt die Urlaubsstimmung

Griechische Tragödie trübt die Urlaubsstimmung
Am Montag entscheidet die EU über die 130-Milliarden-Euro-Hilfe für Griechenland – und damit über dessen Zukunft als Urlaubsziel.

Der gebürtige Athener Nikos Papamikes sieht die griechische Hauptstadt derzeit nur im Fernsehen. Und was er da sieht, gefällt ihm nicht. Ein Land am sozialen Abgrund. Arbeitslosigkeit und Armut, Proteste, Verletzte, Brände, Tränengas.

Bilder wie diese schmerzen den Griechen – und sind schlecht fürs Geschäft. Nikos Papamikes, 57, betreibt in Wien-Landstraße das Reisebüro Insider 4 Travel, das Griechen nach Österreich und Österreicher nach Griechenland vermittelt. „Ich leide sehr“, sagt er, „mir geht’s schlecht und der Firma geht’s schlecht, denn wir sind von beiden Seiten betroffen.“ Die Österreicher wären durch die täglichen TV-Berichte verunsichert, und die Griechen hätten durch die Krise weniger Geld. „Wer fährt schon auf Urlaub, wenn er morgen vielleicht keinen Job mehr hat?“ Die Folge sind Einbußen von 40 bis 50 Prozent.

Wirtschaftsfaktor

Weiße Häuser vor blitzblauem Himmel; Sirtaki, Souvlaki und jede Menge alter Steine – Griechenland lebt von seinem Image. Und es lebt gut davon. Der Tourismus ist eine Schlüsselbranche für die seit Jahren schrumpfende Wirtschaft. 480.000 Österreicher steckten im Sommer 2011 die Füße in den griechischen Sand. Insgesamt kommen jedes Jahr 15 Millionen Touristen ins Land und bringen dem griechischen Staat 9,6 Milliarden Euro an Einnahmen. Beinahe jeder fünfte Grieche verdient sein Geld im Fremdenverkehr. Für die Griechen geht es am Montag um ihre Zukunft, für viele Österreicher um die Frage, ob Griechenland angesichts der Negativschlagzeilen wirklich das richtige Urlaubsziel ist.

Die Buchungsmaschinerie für die landesweit 800.000 Gästebetten läuft heuer zäh an. „Im Moment schaut es bitter aus“, sagt Yannis Rafalias von der griechischen Zentrale für Fremdenverkehr in Wien. Österreichern, die Hellas auch heuer die Treue halten, verspricht Rafalias jedenfalls einen preiswerten Urlaub. „Die Hoteliers haben die Preise gesenkt.“

Die großen Player im hart umkämpften Reisegeschäft spüren die schwächelnde Nachfrage. „Derzeit liegen wir 20 Prozent hinter dem Vorjahr“, sagt Walter Krahl, Vertriebschef von Ruefa-Reisen. Nachsatz: „Mit diesen Zahlen sind wir nicht alleine.“ Der Mitbewerber TUI verzeichnet derzeit „ein knapp zweistelliges Minus“, erklärt Sprecher Josef Peterleithner. Und bei Thomas Cook klagt man, dass es „im Moment eher verhalten läuft und die Nachfrage unter der des Vorjahres liegt.“

Dabei schnitt der griechische Tourismus insgesamt im Vorjahr gut ab: Trotz Krisenstimmung und Streikbildern entspannten mehr Gäste als im Jahr davor an den griechischen Stränden. Die Zahl der österreichischen Touristen nahm zwar ab. Das kompensierten aber Gäste von anderswo.

Eines eint die großen Reiseanbieter – sie üben sich in Zweckoptimismus. „Wir sehen der Sommersaison für Griechenland absolut positiv entgegen“, sagt TUI-Sprecher Peterleithner. An ein „Anziehen“ der Griechenland-Buchungen glaubt man auch bei Thomas Cook. Bei Ruefa-Reise malt man ein eher negatives Bild: „Ich befürchte, dass wir heuer mit einem Minus abschließen werden.“

Verunsicherung

Genau kann das aber niemand vorhersagen, denn der österreichische Tourist ist nach den Revolten, Krisen und Aschewolken ein sehr unschlüssiges Wesen. „Wir spüren schon eine Verunsicherung“, sagt Peterleithner. Er ortet ein „stärkeres Sicherheitsbedürfnis“. Das Buchungsverhalten hat sich jedenfalls geändert: Die Entscheidung fällt kurzfristig.

Vorgesorgt hat die Reisebranche. Die Kataloge wurden dicker, neue Destinationen und Clubs sowie Individualreisen ins ursprüngliche Hellas sind im Angebot. Gebetsmühlenartig halten die Reiseveranstalter auch fest, dass die Epizentren der Streiks in den Großstädten am Festland liegen. Auf den Inseln gab es bis dato keine spürbaren Auswirkungen, heißt es auch im österreichischen Außenamt. Tourismus-Forscher Peter Zellmann beruhigen solche Aussagen nicht. „Klar wird kein Veranstalter sagen: ,Heuer ist es in Griechenland nicht sicher’“.

Panagiotis Skordas, Tourismus-Direktor für Deutschland, Österreich , Ungarn und die Schweiz, ist selbst ein Opfer des griechischen Sparkurses: So gibt es für eine nötige Imagekampagne einfach kein Geld – und auch sein Gehalt wurde gleich um 40 Prozent gekürzt. Seinen Optimismus hat er dennoch nicht verloren: „Wenn die EU am Montag beschließt, dass wir die 130-Milliarden-Euro-Hilfe bekommen, wird sich die Lage in Griechenland entspannen.“

Sympathien

Ob das für seine Branche gilt, bleibt abzuwarten. Auch in Deutschland liegen die Buchungen klar unter dem Vorjahr, berichtet Panagiotis. Schuld daran sei die anti-deutsche Stimmung in Griechenland. Die gipfelte in einer Fotomontage einer Zeitung, die die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Uniform samt Haken-Kreuz-Armbinde zeigt. Vor Anfeindungen müssen sich Österreicher aber nicht fürchten, sagt die österreichische Botschafterin in Athen, Melitta Schubert: „Österreich genießt in Griechenland besondere Sympathien.“ Das Außenamt rät aber dazu, Demonstrationen zu meiden.

Reisebüro-Besitzer Papamikes sitzt zwischen zwei wackeligen Stühlen: Hier in Wien läuft das Geschäft nicht, in seiner alten Heimat schon gar nicht. „Im Leben gibt es immer Höhen und Tiefen“, sagt er. Und er ist davon überzeugt, dass die Österreicher Griechenland die Treue halten werden. „Griechenland ist noch immer schön. Alte Liebe rostet nicht.“

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