Griechenland: Präsident will Expertenregierung

K wie Konvergenzkriterien: Für viele das Grundübel der aktuellen Misere. 1992 führten die EU-Mitgliedsstaaten fiskalische Vorgabewerte ein, um die Eurozone fit für einen gemeinsamen Währungsraum zu machen. Hätte die griechische Regierung nicht die Zahlen gefälscht, hätte das Land gar nie den Euro einführen dürfen. Doch Deutschland und Frankreich schauten großzügig über dieses Vergehen hinweg.
Theoretisch ist noch bis Donnerstag Zeit, um eine Regierung zu bilden. Der Präsident greift nach dem letzten Strohhalm.

Montagabend wollte er es noch einmal versuchen: Karolos Papoulias wusste, dass es an seinem Verhandlungsgeschick lag, Neuwahlen in Griechenland abzuwenden. Dafür hat der Staatspräsident noch bis Donnerstag Zeit. Doch ein Treffen mit den Parteichefs endete zunächst ohne Ergebnis. Nun will er in Richtung Expertenregierung steuern, die von möglichst vielen Parteien unterstützt wird. Die Gespräche sollen heute, Dienstag, fortgesetzt werden.

Zünglein an der Waage könnte wieder der Chef der Radikalen Linken, Alexis Tsipras, sein. Er weiß, dass es ohne seine Partei SYRIZA nicht geht. Und deshalb reizte er seine Macht bis zuletzt aus. Der Chef der nun zweitstärksten Partei erklärte gestern, er komme nur zum Treffen beim Präsidenten, wenn auch andere Parteien eingeladen seien. Seine Position ist klar: Die Sparvorgaben der Troika sind für ihn ein No-go.

SYRIZA kann hoch pokern, denn wenn der Präsident keine Regierung findet, hätte sie bei Neuwahlen Mitte Juni die Nase vorn. Nach aktuellen Umfragen würden heute 20 bis 27 Prozent für die Radikale Linke stimmen, nur mehr 19,4 für die konservative ND und gar nur noch 11,8 für die Sozialisten PASOK. Deshalb wollen diese einen neuerlichen Urnengang vermeiden.

Die Griechen haben zwar bei der Wahl am 6. Mai eindeutig gegen das Sparen gestimmt, doch nun wollen 80 Prozent von ihnen den Euro behalten. Das eine geht aber ohne das andere nicht.

Sorge in Brüssel

In Brüssel beobachtet man das Chaos mit wachsender Sorge. Nachdem sich zuletzt die Stimmen gemehrt hatten, wonach eine Rückkehr zur Drachme "kein Weltuntergang" sei, stellte Kommissions-Präsident Barroso gestern klar: "Wir unterstützen keinen Austritt Griechenlands aus dem Euro."

Finanzminister Maria Fekter sagte am Abend in Brüssel, ein Euro-Austritt sei vertraglich gar nicht möglich. Austreten könne man nur aus der gesamten EU. Sollte Athen dann erneut um Beitritt ansuchen, würde die EU mehr als genau hinsehen.

Einig ist man sich bei den vereinbarten Bedingungen für die Finanzhilfe: Daran ist nicht zu rütteln. Die Hilfsgelder werden weiter "an Konditionen geknüpft", sagte auch Außenamts-Staatssekretär Wolfgang Waldner.

In Brüssel werden die Szenarien durchgespielt. Es gebe aber keinen Zeitdruck, solange das Land nicht zahlungsunfähig sei. Das passiere frühestens Ende Juni, wie es auch in einem griechischen Bericht steht, den Präsident Papoulias den Parteichefs vorlegte. Mit der Zahlung von 4,2 Milliarden aus dem Hilfsfonds EFSF von letzter Woche sei laut EU-Kreisen für Beruhigung gesorgt – vorläufig.

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