Griechenland: In der Krise zurück aufs Land

Griechenland: In der Krise zurück aufs Land
Die Schuldenkrise zwingt die Griechen zum Umdenken – raus aus der Stadt, als Neo-Bauern in die Landwirtschaft.

Giannis Apostolopoulos’ neuer Arbeitsplatz liegt am Rand von Athen. Sein alter Renault auf dem Weg dorthin rumpelt gewaltig, die Gangschaltung geht schwer, und manchmal möchte der Motor nicht. Der Wagen gehört schon längst ausgewechselt, sagt der 52-Jährige, der von Beruf Antiquitätenhändler ist, doch die vergangenen Jahre waren nicht einfach: "Der Antiquitätenhandel hat die Krise schon früh gespürt. Ich habe verschiedene Auswege gesucht. Zuerst habe ich mich auf Restaurierungen spezialisiert, später einen Geschäftspartner hinzugenommen. Aber am Ende ging gar nichts mehr. Den Griechen steht der Sinn zurzeit nicht nach Antiquitäten." Vor zwei Jahren musste Giannis Apostolopoulos den Laden, den er von seinem Vater übernommen hatte, schließen.

Oliven und Honig

Es geht ein wenig bergauf, dann passiert Giannis Apostolopoulos ein großes Tor. Zusammen mit einem Freund hat er 40 Hektar Land gepachtet. 1200 Olivenbäume stehen hier, um die sich vor allem der Kompagnon kümmert, außerdem hat Giannis Apostolopoulos 30 Bienenstöcke aufgestellt. "Der Grund ist nicht sehr groß, aber es geht uns mehr um Qualität als um Quantität. Wir wollen Bio-Oliven und hochwertiges Bio-Öl herstellen und eben Bio-Honig. Wir haben vor allem den ausländischen Markt im Auge", erklärt der neue Landwirt, zieht seine Schutzkleidung an und nähert sich den Bienenstöcken. Heuer wird er nur wenig Honig "ernten", damit seine Bienenvölker wachsen, aber ab nächstem Jahr rechnet er mit rund 500 Kilo. Aromatischer Thymianhonig werde das sein, sagt Giannis Apostolopoulos, während er das erste Bienenhaus öffnet. "Am Anfang hatte ich Angst, aber das legt sich. Bienen sind wirklich absolut faszinierende Tiere."

Geerbtes Land

Sein neues Handwerk hat der ehemalige Antiquitätenhändler am agrarwissenschaftlichen Institut der Syggrou-Stiftung gelernt. Die renommierte Athener Ausbildungsstätte hat in letzter Zeit enormen Zulauf, denn in der Krise orientieren sich viele Griechen neu. Sie haben von ihren Eltern oder Großeltern ein Stück Land geerbt, das sie nun mit ganz anderen Augen sehen.

Anderthalb Millionen Griechen, also rund zehn Prozent der Bevölkerung, möchten von der Stadt zurück aufs Land ziehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des griechischen Agrarministeriums. Etwa eine halbe Million Menschen sind derzeit in der Landwirtschaft tätig, zuzüglich der Saisonkräfte. Seit 2008 ist erstmals wieder ein Anstieg der Beschäftigungszahlen im Agrarsektor erkennbar.

Giannis Apostolopoulos stammt aus einer alten Athener Familie. Mit der Landwirtschaft war er zuvor nie in Berührung gekommen. "Die Krise war der Auslöser, ohne sie hätte ich diesen Schritt nie gewagt."

Neustart

Dass so ein Neuanfang nicht immer einfach ist, weiß auch Thanassis Papageorgiou. Der 48-Jährige war Taxifahrer in Patras, auch bei ihm lief das Geschäft in der Krise nicht. Also hat er sein Taxi verkauft und in seinem Heimatdorf Diassena auf dem Peloponnes rund 50.000 Euro in eine Weinbergschnecken-Farm investiert, ebenfalls bio. Das erste Jahr war schwierig, erinnert er sich: "Die Grundlagen habe ich in einem Kurs gelernt, doch in der Praxis sehen die Dinge ganz anders aus. Am Anfang hatte ich deshalb große Verluste."

Der Schneckenzüchter hat aus seinen Fehlern gelernt. Er öffnet einen der Holzverschläge, greift nach einer Schnecke und wiegt sie prüfend in der Hand. Mit rund vier Tonnen Ertrag rechnet er heuer. Seine Weinbergschnecken züchtet Thanassis Papageorgiou in Freilandhaltung. Das bedeutet weniger Ertrag, aber höhere Qualität. Von den Alten im Dorf wird er dafür oft verlacht, sie begegnen dem zurückgekehrten Städter mit Misstrauen. Den Schritt zurück aufs Land bereut er trotzdem nicht: "Ich habe zwar viele Rückschläge erlitten, aber mein altes Leben wünsche ich mir nie zurück."

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