Grexit-Gespenst lässt Griechen die Konten leeren

Experten beobachten einen Bank-Run in "Zeitlupe".
Die Einlagen steuern auf Rekordtief zu, in Banken herrscht kein Vertrauen mehr.

Keine drei Jahre ist es her, da waren politische Unsicherheit und Wirtschaftskrise so groß, dass die Bankkonten in Griechenland geleert wurden. Jetzt ist es wieder so weit. Die ergebnislosen Verhandlungen zwischen der Regierung der radikalen linken Partei Syriza und den internationalen Gläubigern klingen beunruhigend. Wer noch Geld auf der Bank hat, schafft das Kapital lieber aus dem Land oder versteckt es zu Hause.

Die Einlagen in Griechenland werden Ende Mai voraussichtlich das Rekordtief von etwa 129 Mrd. Euro erreichen. Zu Beginn der Krise 2009 waren es noch 230 Mrd. Euro. "Das ist ein Bank-Run in Zeitlupe. Weil griechische Banken keinen Zugang zu den Kapitalmärkten haben, bedeutet die kontinuierliche Abwanderung von Einlagen, dass sie zunehmend von der Notfall-Liquiditätshilfe ELA abhängig sind", warnt Hung Tran, geschäftsführender Direktor des Washingtoner Wirtschaftsinstituts IIF, im KURIER-Gespräch.

Die Griechen haben Angst vor einem Euro-Austritt. Außerdem wird die Einführung von Kapitalkontrollen, ähnlich wie 2013 auf Zypern, befürchtet. Noch vor der Parlamentswahl im Jänner begann der Geldabfluss. "Die Abhebungen sind zwischen den zwei Wahlen 2012 schneller geworden", sagt Panos Tsakoglou, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Athen. Dann habe sich die Lage beruhigt. Über 15 Mrd. Euro flossen sogar zurück. "Im November, als es offensichtlich wurde, dass Syriza die Wahl gewinnen wird, begann die Abwanderung von Neuem", erklärt Tsakoglou. "Diejenigen, die ihr Geld aus dem Land schaffen wollten, haben es bereits getan", so Nikolaos Georgikopoulos vom Athener Wirtschaftsinstitut KEPE. Da nützt wohl auch ein geplanter Straferlass bei Schwarzgeldkonten nichts. Geld von Auslandskonten soll einmalig mit 15 und von Inlandskonten mit 30 Prozent besteuert werden.

Staatsanleihen gefragt

Wohlhabende Griechen schicken ihre Euro nach Luxemburg oder in die Schweiz, aber auch anderswo in Europa. "Man will nicht, dass die Kapitalbewegungen verfolgt werden. Also sind jetzt Staatsanleihen von Ländern wie etwa Österreich und Deutschland sehr gefragt", sagt Georgikopoulos. Kleinere Einleger bringen ihre Euro einfach nach Hause.

Auch wenn sich Athen und die Gläubiger über die weitere finanzielle Hilfe einigen sollten, heißt das noch lange nicht, dass die Einleger ihr Geld gleich zurück in die Heimat schicken. "So etwas würde nur nach und nach passieren, und zwar wenn die Griechen zuversichtlich sind, dass sich das Risiko einer Rückkehr zur Drachme wesentlich verringert hat", sagt Tsakoglou.

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