AK kritisiert "undurchsichtige Bonitätsprüfungen"

Faktoren wie eine Scheidung oder Karenzgeldempfang würden sich negativ auf die Bonitätsbewertung auswirken, der Status verheiratet hingegen positiv bewertet werden.
Datensammlung über private Lebensumstände: Konsumentenschützer fordern klare gesetzliche Regelung.

Banken, Versicherungen, Telekommunikationsfirmen, Versand- und Online-Händler greifen immer öfter auf sogenannte „Credit Scorings“, sprich auf automatisierte Bonitätsprüfungen zurück, bevor sie einen Vertrag mit einem Kunden abschließen oder einen solchen ablehnen. Dabei wird laut Arbeiterkammer nicht nur das Zahlungsverhalten der Kunden durchleuchtet, sondern es werden vermehrt Daten über die privaten Lebensumstände der Kunden und Prognosen über das künftige Verhalten einbezogen. Lieferanten dieser höchst sensiblen Daten sollen mehr als ein gutes Dutzend Wirtschaftsauskunfteien sein. „Durch statistische Prozesse werden Konsumenten klassifiziert und aussortiert“, warnt Gabriele Zgubic, Chefin der Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer. Die dabei eingesetzten automatisierten Bewertungs-und Analysemethoden bleiben dabei im Dunkeln.

Das bestätigt eine Studie des Instituts für Technikfolgen Abschätzung (ITA) der Akademie der Wissenschaften. Heute seien tatsächlich alle Verhaltensmerkmale und Daten einer Person interessant, meinen die Studienautoren. Unendlich viele statistische Annahmen über eine Person fließen in die Bewertung ein“, behauptet Studienautor Jaro Sterbik-Lamina. „Bewertungen werden hochgradig automatisiert vorgenommen. Die digitalen Scorewerte von Menschen sind nur mehr schwer beeinflussbar.

Laut Arbeiterkammer kann zum Beispiel von den Handy-Standortdaten eines Konsumenten auf seinen Lebenswandel geschlossen werden, nämlich auf seine Aufenthaltsorte, sein Beziehungsverhalten oder seine Nachtruhe-Zeiten. „Das Schürfen in Datenbeständen, etwa auch in Sozialen Netzwerken, hilft bei der Prognose, ob in drei Jahren noch ein Arbeitsplatz und gemeinsamer Ehehaushalt vorhanden ist“, meint Sterbik-Lamina. „Solche Faktoren beeinflussen wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schuld zurückgezahlt werden kann.“

Antrag abgelehnt

So sollen sich häufige Umzüge, eine Scheidung, unterhaltspflichtige Kinder, Karenzgeldempfang und Saisonarbeit negativ auf die Bonitätsbewertung auswirken, der Status verheiratet aber positiv bewertet werden. Lebt man in einer schlechten beleumundeten Wohngegend, so kann schon einmal der Antrag auf eine Kreditkarte oder einen Kredit negativ ausfallen. In letzterem Fall führen die Studienautoren ein Beispiel: Ein Universitätslektor mit sicherem Job und Eigentümer eines Hauses wurde als Kunde von einem Kreditkartenunternehmen abgelehnt. „Wir würden uns freuen, dass sie sich bei positiven Veränderungen ihrer Lebensumstände wieder bei uns melden würden“, hieß es im Antwortschreiben auf seinen Antrag. Das Haus des akademischen Mitarbeiters lag am falschen Ort, nämlich in der Nähe der Rennbahnwegsiedlung in Wien-Donaustadt. „Geo-Scoring“ nennt man diese Methode, „die genauso Verwendung findet wie zum Beispiel eine Bewertung von Vornamen, die oft eine Diskriminierung von Personen mit Migrationshintergrund zur Folge hat“.

Prognose-Methoden

„Es wird aber nicht nur zurückgeblickt, wie war zuletzt das Zahlungsverhalten, sondern immer öfter wird vorausgeschaut, um das wahrscheinliche Verhalten eines Konsumenten in der Zukunft vorherzusagen“, weiß der Wissenschaftler. „Ist in der Praxis schon die Rückschau fehleranfällig, so gilt das für Prognosen umso mehr.“ Dabei würden mittels statistischer Prozesse inzwischen ganze Bevölkerungsgruppen klassifiziert und sozusagen aussortiert. Hinzu kommt der internationale Trend, sagen die AK-Konsumentenschützer, Scoringmodelle mit externen, mitunter auch daten­schutzrechtlich sensiblen Informationen anzureichern, die absolut nicht für Bonitätsbewertungen gedacht sind: Dazu zählen unter anderem Einträge in Facebook oder in anderen digitalen Netzwerke.

Gesetzliche Regelung gefordert

Laut AK-Konsumentenschützerin Zgubic zeige die Studie auch, dass Personen, sprich Kunden, mehr und mehr „als Risiko- und Kostenfaktor wahrgenommen“ werden. Ihre Risikoprofile würden deshalb mit großem Aufwand verfeinert. Sie fordert daher eine klare gesetzliche Regelung, welche Daten für Bonitätsprüfungen von wem erhoben, verwaltet und genutzt werden dürfen.

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