Google-Milliarden für das EU-Budget

Eiserne Lady: Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager
Muss Google wirklich 2,42 Milliarden Euro Strafe zahlen? Und wann? Was passiert mit dem Geld? Fragen und Antworten zur EU-Rekordstrafe.

Vor einem halben Jahr hat sie Apple 13 Mrd. Euro Steuernachzahlung in Irland aufgebrummt. Jetzt muss der Google-Konzern 2,42 Mrd. zahlen, weil er seine Marktdominanz unfair ausgenutzt hat: Die dänische Kommissarin Margrethe Vestager wird immer mehr zum Schrecken der amerikanischen Konzerne.

EU-Dokumente zu Google Search, Fallzahl 39740

Warum hat die EU-Kommission Google überhaupt ins Visier genommen?

Der IT-Konzern kommt bei Online-Suchanfragen auf fast 95 Prozent Marktanteil. Das ist nicht verboten, aber Google hat seinen eigenen, davor sehr schlecht gehenden Preisvergleichsservice (ehemals Froogle, jetzt Shopping) hochgepusht, indem dessen Angebote ganz oben bei den Google-Suchergebnissen angezeigt wurden. Der erste Rivale kam im Regelfall erst auf Seite vier (wo keiner mehr hinklickt). Diese Wettbewerbsverzerrung kommt den Konzern jetzt teuer zu stehen. Google argumentiert, man stehe ohnedies in starker Konkurrenz zu Amazon und Ebay. Das lässt Vestager aber nicht gelten, weil es andere Märkte seien.

Blogeintrag von Google-Anwalt und Vizepräsident Kent Walker

Ist der Fall damit erledigt?

Nein. Google muss binnen 90 Tagen sein Shopping-System fair gestalten. Obendrein kündigte Vestager weitere Prüfungen an. Zwei gesonderte Fälle sind ohnehin noch anhängig, da geht es um das Inserateservice AdSense und Handy-Betriebssystem Android.

Was, wenn Google sein Geschäftsmodell nicht ändert oder die Strafe nicht zahlt?

Dann wird es teuer. Für jeden Tag, den die 90-Tages-Frist überzogen wird, würden fünf Prozent des Google-Tagesumsatzes als Strafe fällig – das wäre ein Tagsatz von gut 12 Millionen Euro. Und wenn Zahlungen ausbleiben, verrechnet die EU Verzugszinsen.

Wie kommt die Kommission auf 2,42 Milliarden Euro? Wann muss Google zahlen?

Die Höhe bemisst sich an der Dauer und Schwere des Wettbewerbsverstoßes. Gedeckelt ist die Strafe mit 10 Prozent des Jahresumsatzes, bei Google wären also fast 9 Milliarden Euro möglich gewesen. Gezahlt werden muss binnen drei Monaten. Vizepräsident Kent Walker hat aber angedeutet, dass Google gegen die Entscheidung berufen wird – dann muss zunächst nur eine Anzahlung geleistet oder eine Bankgarantie hinterlegt werden.

EU-Factsheet zu wettbewerbsrechtlichen Geldstrafen

Können sich die Unternehmen um die Zahlung der Buße drücken?

Nein. Sie können aber die Entscheidung anfechten und hoffen, dass das Gericht die Strafe aufhebt oder zumindest reduziert. So lässt sich eine Zahlung lange hinauszögern, denn bis alle Prozesse rechtswirksam abgeschlossen sind und das Geld tatsächlich ins EU-Budget fließt, kann es dauern. Bestes Beispiel ist der bisherige Rekord-Missetäter Intel. Der Chiphersteller wurde 2009 mit 1,06 Milliarden Euro Strafe belegt, was der Gerichtshof 2014 bestätigte – dagegen hat der US-Konzern aber erneut berufen. Jetzt liegt die Causa beim Europäischen Gerichtshof.

Rechtssache C-413/14 P Intel Corporation Inc. gegen Europäische Kommission

Was passiert mit dem Geld?

Es fließt ins EU-Budget, wodurch Netto-Beitragszahler wie Österreich weniger einzahlen müssen. 2015 kamen aus Wettbewerbsverstößen 1.439.608.863 Euro und 28 Cent rein. Für 2016 waren vorläufig nur 100 Millionen und heuer 1,1 Milliarden Euro veranschlagt.

EU-Haushaltsplan für 2017 (Seite L 51/139)

Kann sich Google die hohe Strafe überhaupt leisten?

Würde die Zahlungsunfähigkeit drohen, könnte die EU tatsächlich eine Ermäßigung gewähren. Die Gefahr besteht bei Google aber ganz und gar nicht: Die Mutterholding Alphabet saß Ende 2016 auf einem fetten Cashpolster von 82 Milliarden (!) Euro.

Google-Milliarden für das EU-Budget
Grafik

Für ein Imperium wie Google, das sich mit Steuertricks jährlich Milliarden erspart, ist eine Strafe von 2,4 Milliarden Euro der EU nicht mehr als ein Strafzettel fürs Falschparken. Ein kleiner Wink, den Wagen beim nächsten Mal richtig abzustellen. Der Wagen selbst darf natürlich munter weiter fahren und immer neue Grenzen überschreiten.

Die globalen IT-Giganten sind längst zu "Kartellbrüdern" der digitalen Wirtschaft geworden, Netzwerkeffekte haben monopolartige Strukturen geschaffen. Die Devise „The winner takes it all“ tötet jeden Wettbewerb im Keim. Wer die Daten hat, macht die Regeln.

Mit Apple und Google bestimmen nur noch zwei Anbieter, welches Betriebssystem auf nahezu jedem Smartphone installiert ist. Nicht nur das, auch die häufigsten Anwendungen darauf werden von ihnen kontrolliert. Und im Internet suchen heißt nur noch „googeln“.

Wer soll diese Marktmacht noch stoppen und in faire Bahnen lenken? Wettbewerbsstrafen wie jene der EU allein werden nicht ausreichen, aber sie sind zumindest Nadelstiche, die immer wieder eingesetzt werden können - und müssen. Genauso wichtig ist der Kampf gegen die Steuervermeidung. Dass Apple in Irland 13 Milliarden Euro nachzahlen muss, sollte erst der Auftakt gewesen sein.

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