Wie macht das Österreich bloß?

Wie macht das Österreich bloß?
Analyse. Lob und Tadel für die heimische Wirtschaft: Wifo-Chef Karl Aiginger legt den Finger in manch offene Wunde.

2012 war nicht leicht: Rezession in der Eurozone, Südeuropa kommt nicht aus der Krise. Budgets müssen konsolidiert werden. Banken und Finanzabteilungen des öffentlichen Sektors haben viel Geld verloren. Dennoch: die österreichische Wirtschaft ist gewachsen. Schon elf Jahre läuft die Entwicklung besser als im Euroraum. Österreich liegt an zweiter Stelle beim Pro-Kopf-Einkommen, hat die niedrigste Arbeitslosigkeit und einen Milliarden-Überschuss in der Leistungsbilanz. Wie machen wir das?

Die Politik schaut wenig strategisch aus, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sind verworren, das Gesundheits- und Bildungssystem kostet viel.

Die Antwort ist vielschichtig. Erstens: Österreich hat eine starke Industrie, und Österreich hat durch die Ostöffnung eine neue Chance erhalten und diese hervorragend genützt. Zweitens: In Österreich funktioniert sowohl die Betriebspartnerschaft (Chef mit Belegschaft) als auch die Sozialpartnerschaft (Gewerkschaft/Unternehmer). Drittens sind Österreicher fleißig und flexibel, sie wollen langfristige Erfolge und sind dafür bereit, sich stark einzusetzen. Viertens: Wir haben unsere Investitionen in die Forschung fast verdoppelt und haben Fachhochschulen gegründet, wir haben ein Lehrlingssystem, um das uns die Welt beneidet. Wir dürfen allerdings unsere Position an der Spitze nicht zu lange feiern.

Es gibt auch Schwächen, die mit hohem Arbeitseinsatz und Engagement verdeckt werden. Unsere Schulen produzieren Absolventen, die zu einem Viertel nicht sinnerfassend lesen können. Wir streiten um die Gesamtschule, ohne Schulen vorher aus ihren Bürokratiefesseln zu entlassen und autonom zu machen. Wir haben ein Gesundheitssystem, das Hüften gut operiert, aber die Notwendigkeit der Operation nicht verringert. Wir produzieren Akademiker in Sparten ohne Arbeitsplatzchancen und haben einen Mangel an Technikern. Wir belasten niedrige Einkommen und den Faktor Arbeit und tolerieren, dass Grundstücke fast nicht besteuert sind und oft ungenutzt bleiben. Wir holen MigrantInnen ins Land und schicken ihre Kinder in Sonderschulen. Die Verwaltungsreform ist abgesagt, die Kommission nicht aufgelöst, aber sie wird nicht einberufen. Über ein Berufsheer streitet man, die Tausenden derzeit hauptberuflich beamteten Heeresdiener und die leer stehenden Heeresspitäler bleiben unerwähnt.

2012 wurden einige dieser Probleme angegangen, etwa gibt es Anfangserfolge im Gesundheits- und Schulbereich. In aller Regel gibt es aber keinen strategischen Ansatz, sondern eine schrittweise Lösung. Das kostet mehr Geld, als nötig wäre.

Aber es ist besser, so lange zu streiten, bis man eine Lösung findet.

Kommentare