Fünf Gründe, warum die Wirtschaft brummt

Fünf Gründe, warum die Wirtschaft brummt
Viel besser wird’s nicht: Österreichs Wirtschaft segelt auf einer Welle der Hochkonjunktur.

Die heimische Konjunktur verzeichnet gerade die stärkste Wachstumsphase seit Mitte der 2000er-Jahre. Am Freitag revidierten die Ökonomen ihre ohnehin bereits guten Prognosen noch einmal kräftig nach oben. Das Wachstum der Wirtschaftsleistung kratzt heuer fast an der Drei-Prozent-Marke und soll auch nächstes Jahr ähnlich gut weiterlaufen (siehe Grafik).

Fünf Gründe, warum die Wirtschaft brummt
Grafik
Was sind die Gründe?

1. Die perfekte Welle

Üblicherweise segelt die Konjunktur nicht mit einer konstanten Flughöhe dahin, sondern entwickelt sich in Wellen. Momentan surft Österreich auf einem kräftigen Wellenberg dahin. "Es könnte sein, dass die Stimmung etwas besser ist als die Lage", bleibt IHS-Chef Martin Kocher trotz der guten Zahlen vorsichtig. Etwa ab Mitte 2018 dürfte sich laut aktuellen Prognosen das Wachstum bereits etwas verlangsamen.

2. Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt

Im Moment ist der Aufschwung aber noch von einer breiten Basis getragen. Die Stimmung bei den Unternehmen ist ausgezeichnet. Wer gute Aufträge verzeichnet und für die nächsten Monate erwartet, der ist bereit, mehr Geld in den Ausbau seiner Produktionskapazitäten zu stecken. So erhalten auch andere Firmen Aufträge – die Welle pflanzt sich dadurch weiter fort.

3. Völlig losgelöst

Die Sparer und die Banken haben naturgemäß keine Freude damit, aber die Niedrigzinsen und die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) werden uns noch länger begleiten. Schließlich habe die EZB ihre Inflationsziele bis dato nicht erreicht, betont WIFO-Konjunkturexperte Marcus Scheiblecker. Und auch die Fiskalpolitik steht alles andere als auf der Bremse. Beides wirkt auf die Wirtschaft wie ein Dopingmittel.

4. Besuchen Sie Europa

Relativ spät, erst mit Anfang 2017 haben die Exporte einen kräftigen Schub bekommen. Österreichs Außenhandel profitiert von der Erholung in der Eurozone und in Osteuropa. Bis auf die Brexit-verunsicherten Briten erzielen aktuell alle großen Wirtschaftsräume solide Wachstumsraten, inklusive USA, Japan und China. Das beflügelt den Tourismus. Und auch wenn den Österreichern der freie Waren- und Güteraustausch als Feindbild oder Bedrohung verkauft wird: Der erstarkte Welthandel ist ein wichtiger Faktor für die aktuell gute Konjunktur.

5. Ich geb Gas, ich will Spaß

Am Anfang der Konjunkturerholung stand die Steuerreform – deren Effekt ist mittlerweile verpufft, sie hat aber das Eis gebrochen. Offenkundig haben die Österreicher Gefallen am Geldausgeben gefunden und weniger Sorgen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren: Deshalb wirkt der Konsum jetzt immer noch als Wachstumstreiber.

Jobs, Budget, Reformen

Trotz oder gerade wegen der positiven Nachrichten versuchten sich die Wirtschaftsforscher merklich als Spaßbremse: So dürfe die sinkende Rate nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeitslosigkeit noch viel zu hoch sei. Kocher forderte eine Arbeitsmarkpolitik mit niederschwelligen Bildungsangeboten für Langzeitarbeitslose oder Flüchtlinge.

Ähnlich sieht es mit dem Budgetdefizit aus. Auch dieses fällt in den kommenden Jahren geringer aus – aber nur wegen der guten Konjunktur und geringeren Zinskosten, nicht weil die Art der Ausgaben verbessert wurde.

In den derzeit inflationären Wahldebatten vermissen die Ökonomen so gut wie alle dringenden Reformthemen: vom Steuersystem und Föderalismus über das Pensions- und Umweltthema, bis hin zu Forschung, Infrastruktur und Technologiepolitik.

Varga (ORF) über das Wirtschaftswachstum

Ungewöhnlich, wenn ein Ökonom zum Nichtstun aufruft. WIFO-Chef Christoph Badelt empfiehlt den Abgeordneten, am 12. Oktober statt der geplanten Nationalratssitzung einen „Wandertag“ zu machen: „Das wäre ihrer Gesundheit zuträglich und würde der wirtschaftlichen Situation des Landes sehr gut tun.“ Badelts Sorge ist, dass kurz vor dem Wahltag abermals teure Geschenke ohne Gegenfinanzierung beschlossen werden.

Die neue Regierung müsse ebenso der Versuchung widerstehen, mit den derzeit sprudelnden Steuereinnahmen um sich zu werfen. Stattdessen sollte sie die Schulden abbauen, damit Österreich beim nächsten Abschwung budgetäre Spielräume hat. Denn der kommt sicher wie das Amen im Gebet.

Wann, wenn nicht jetzt

Österreich hat freilich in den letzten 55 (!) Jahren keinen Budgetüberschuss geschafft. Was macht ihn zuversichtlich, dass es jetzt klappt, wollte der KURIER wissen. Vielsagende Antwort: „Ich habe nicht gesagt, dass ich zuversichtlich bin, ich appelliere.“

Einen „Plan, wie man die Schulden zurückführt“, fordert IHS-Chef Martin Kocher. Dazu könnten geringe Defizite bei gutem Wachstum reichen. Deutschland erzielt seit drei Jahren große Budgetüberschüsse. Die Deutschen seien „möglicherweise etwas zu restriktiv“, so Kocher. Österreich sieht er aber nicht derselben Kritik ausgesetzt – der entscheidendere Faktor hinter den deutschen Exportüberhängen sei die zurückhaltende Lohnpolitik.

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