Franken: Wie die Stop-Loss-Klausel zur Falle wurde

Franken: Wie die Stop-Loss-Klausel zur Falle wurde
Anwälte sammeln Fälle von Kreditnehmern, die von der Franken-Aufwertung kalt erwischt wurden.

Hunderte Schweizer Franken-Kreditnehmer in Österreich wiegten sich in Sicherheit: Sie hatten mit ihrer Bank vereinbart, dass sie eine Stop-Loss-Klausel im Falle einer Aufwertung des Franken vor einem Anstieg ihrer Schulden schützen würde.

Tatsächlich aber ging es diesen Kreditnehmern noch schlechter als all jenen, die keine solche Absicherung zugekauft haben. Als der Schweizer Franken vor zwei Wochen nämlich rasant zu steigen begann, war die Stop-Loss-Klausel plötzlich nichts mehr wert. Im Detail passierte Folgendes: Viele Kreditnehmer hatten bei einem Kurs von 1,19 Franken zum Euro "Stop-Loss" vereinbart und glaubten, dass sie zu diesem Kurs in Euro umsteigen könnten. Allerdings fanden sich zu diesem Kurs keine Käufer. Erst als der Kurs in Richtung 0,85 Franken zum Euro ging, konnte der Kredit in Euro konvertiert werden. Statt einer Absicherung hatten die Kunden einen maximalen Verlust. Kein Wunder, dass Anwälte bereits Informationen sammeln und den Banken mit Klagen drohen.

Allzu viele solche Fälle dürfte es allerdings nicht geben. Zumindest die Großbanken haben den Franken-Schuldnern kaum Stop-Loss-Verträge verkauft: Nur 35 Stück waren es bei der Erste Bank, unwesentlich mehr bei der Bank Austria und null bei der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien. Die Bank Austria habe in den Verträgen darauf hingewiesen, dass Stop-Loss nicht bedeute, dass zum festgelegten Kurs die Reißleine gezogen werde. Und die Erste Bank betont, dass sie Kreditnehmern von Stop-Loss abgeraten habe.

Hundstorfer verhandelt

Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat jedenfalls angekündigt, etwas für Franken-Kreditnehmer, die die Aufwertung der Schweizer Währung kalt erwischt hat, zu tun. Konkretes will er in den nächsten Tagen vorlegen. Noch liefen die Gespräche mit den Banken, in die auch die Sparte Banken und Versicherungen der Wirtschaftskammer involviert ist, wie Geschäftsführer Franz Rudorfer bestätigt.

Insgesamt gibt es noch 150.000 Franken-Schuldner in Österreich. Viele davon habe ihre Kredite bei Regionalbanken. Die Erste Bank hat nur noch 9000, die Bank Austria 38.000, die RLB NÖ-Wien 800 Franken-Kunden.

Infolge der kürzlichen Aufwertung der Schweizer Währung will die Stadt Wien ihre Franken-Strategie adaptieren. Das sagte Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) am Donnerstag im Gemeinderat. Durch die Aufgabe der Euro-Bindung dürfte der Franken-Schuldenstand Wiens mit einem Schlag um gut 300 Mio. Euro gestiegen sein. Zu realisierten Verlusten werde es aber nicht kommen, versicherte Brauner erneut.

Laut Rechnungsabschluss 2013 betrugen die Franken-Schulden der Stadt umgerechnet 1,623 Mrd. Euro - bei einem Gesamtschuldenstand von 4,635 Mrd. Euro. Mit Ende 2014 dürfte die Summe bei 1,66 Mrd. Euro liegen, der Rechnungsabschluss liegt noch nicht vor. Dabei handelt es sich ausschließlich um Altschulden, da Wien seit 2011 keine neuen Fremdmittel in Schweizer Währung aufgenommen hat.

Kein sofortiger Ausstieg

Das Ziel, aus den Fremdwährungskrediten auszusteigen, bleibe weiterhin aufrecht, "aber nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt", betonte Brauner in der heutigen Fragestunde. Momentan würden viele Berechnungen angestellt, um die - in der Vergangenheit lukrierten - Zinsvorteile möglichst sicherzustellen. Unter den geänderten Rahmenbedingungen müsse die Strategie freilich adaptiert werden: "Wir beobachten und analysieren ständig und mit Unterstützung externer Experten."

Die Ressortchefin versicherte einmal mehr, dass die Verluste nur auf dem Papier entstünden, da die Stadt nicht verpflichtet sei, die Schulden zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlen: "Es gibt kein fixes Endfälligkeitsdatum." Von der jüngsten FPÖ-Anregung, sofort aus den noch laufenden Frankenkrediten auszusteigen, "halte ich gar nichts", stellte Brauner fest. Denn das würde bedeuten, dass der bisherige Buchwert sich real auf das Budget auswirken würde.

"Offenbar ist der Vogel Strauß das neue Wiener Wappentier"

Die Opposition konnte das nicht überzeugen. "Anstatt einen konkreten Plan zu präsentieren, wie man auf diese massive Aufwertung des Franken und damit die Verteuerung der Kreditrückzahlung reagiert, wird stetig von Planadaptierungen, Bedacht und einem kühlen Kopf fabuliert", ärgerte sich ÖVP-Parteichef Manfred Juraczka. Die Stadtregierung befinde sich seit der Franken-Aufwertung in einer Schockstarre, "offenbar ist der Vogel Strauß das neue Wiener Wappentier".

Die Blauen indes wollen Brauner am Nachmittag noch einmal in die Mangel nehmen. Die FPÖ hat eine Dringliche Anfrage mit insgesamt 27 Fragen u.a. zu möglichen Auswirkungen für Budget und Bonität der Stadt oder zu aktuellen Risikobewertungen eingebracht. Dieser Tagesordnungspunkt wird jedoch erst ab 16.00 Uhr diskutiert werden. Die Freiheitlichen kündigten außerdem an, einen Misstrauensantrag gegen die Finanzstadträtin einbringen zu wollen. Er wird dank rot-grüner Regierungsmehrheit aber abgelehnt werden.

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