Flüchtlinge: Job-Integration ist oft ein Blindflug

Ayanie Osman Hosh aus Somalia arbeitet für eine Baufirma in Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt)
Integration klappt am besten über Arbeit. Aber wie erreicht man das? Darüber streiten sogar die Experten.

Die Integration von Flüchtlingen funktioniert am besten, wenn diese so rasch wie möglichst in Arbeit vermittelt werden. Nur wie geht das?

"Es kristallisiert sich eine Art Standardpaket heraus", sagt Iván Martín vom Migration Policy Centre (MPC) der Universität in Florenz. Der Spanier stellte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche eine Studie vor, die 94 Integrationsmaßnahmen aus neun westeuropäischen Ländern (samt Österreich) vergleicht (Link zur Studie hier, zur Präsentation hier).

Vier Punkte, auf die inzwischen alle setzen, seien Kompetenzchecks für Asylwerber, kulturelle Trainings, die mit den Gepflogenheiten des Gastlandes vertraut machen sollen, intensive Sprachkurse sowie Zugang zur Arbeitsvermittlung.

Aber funktioniert das auch? Martíns entwaffnend ehrliche Antwort: "Wir wissen es nicht." Es sei zu früh für Empfehlungen. Und es gebe zu wenige Daten.

Vorbild Schweden

"Das scheint mir zu pessimistisch", kontert Thomas Liebig, Migrationsexperte der OECD in Paris, im Gespräch mit dem KURIER. Der Industriestaaten-Think-tank hat zehn Empfehlungen für eine erfolgreiche Integration erarbeitet. "Die sind nicht vom Himmel gefallen, sondern basieren natürlich auf Daten." (Link zur jüngsten Studie hier)

In Deutschland und Österreich gebe es tatsächlich wenig bis keine empirische Forschung. Dafür kennen aber die Skandinavier ihre "gläsernen Flüchtlinge". So weiß etwa Schweden über die Lebenswege seiner Neo-Bürger recht gut Bescheid – dank der Registrierungsnummer, die bei allen Behördengängen bis hin zum Schulzeugnis benötigt wird.

Lohnsubventionen

Somit weiß man, was funktioniert. Beispiel: Flüchtlinge seien oft weniger produktiv und hätten Probleme, die hohen Mindestlöhne zu rechtfertigen. In Schweden brachten temporäre Lohnsubventionen für die Arbeitgeber gute Erfolge, sagt Liebig. Mitnahmeeffekte wie bei Inländern (das Unternehmen kassiert für Leute, die es ohnehin beschäftigt hätte) kämen kaum vor.

Sprachkurse

Sprache ist extrem wichtig, aber nicht alles. Halten sich Asylberechtigte zu lange mit Kursen auf, könne das der Jobintegration sogar im Weg stehen, warnt Martín. Sobald Arbeitskräfte ein gutes Basis-Niveau (Level B1) erreicht haben – in der Regel nach 300 bis 600 Stunden Unterricht – sei es für sie besser, die Sprachkenntnisse direkt am Arbeitsplatz zu vertiefen, empfiehlt die OECD.

Anrechnung von Zeugnissen

Manche Studien sind sogar skeptisch, ob die Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen etwas bringt. Sei es, weil die Arbeitgeber ohnehin die Güte dieser Ausbildungen anzweifeln. Oder weil Jobsuchende dann ihre Erwartungen höherschrauben und Angebote ablehnen. "Das bringt schon etwas, es kann aber natürlich nicht alle Nachteile beheben", sagt Liebig.

Überzogene Erwartungen

Oft werden an Flüchtlinge unrealistische Erwartungen herangetragen. "Das sind eben nicht Arbeitskräfte, die nur gerade im Moment keine Beschäftigung haben", betont MPC-Professor Martín. Bevor sie für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden, müsse ihre Grundversorgung gewährleistet sein. Manche hätten Traumatisierungen aufzuarbeiten. Andere brächten gar keine Joberfahrung mit.

Gezielte Förderung

Weil die Probleme individuell sind, gebe es "keine allein selig machenden Programme", gibt OECD-Experte Liebig zu bedenken. Für hochgebildete Zuwanderer habe Schweden ein "Fast-Track-Modell" mit Schnellkursen eingerichtet, um diese rasch vermitteln zu können. Für Flüchtlinge, häufig aus Afghanistan oder Afrika, die fast ohne Schulbildung ankommen, lohne sich das Investment nur auf lange Sicht – vielleicht erst für die nächste Generation. "Wir wissen, dass die Kinder auf jeden Fall davon profitieren."

Unnötige Hürden

Manche Gastländer stehen dem Erfolg selbst im Weg. Wer in Großbritannien einen Job antritt, muss rasch die zur Verfügung gestellte Unterkunft räumen, sagt Martín. "In vier Wochen findet aber kein Asylwerber eine Wohnung." Viele verzichten also auf das Jobangebot.

Weitere "Klassiker": Die Integrationspolitik verfolgt ehrgeizige Ziele, dafür werfen die Verwaltungsbehörden Knüppel in den Weg. Oder es geraten einander Nichtregierungsorganisationen, private Helfer, nationale Behörden und lokale Initiativen unkoordiniert in die Quere.

Oder: Jeder Flüchtling wird zu Trainings verpflichtet, es gibt aber gar nicht genügend Kurse. Und selbst wenn: Ob der Zwang auf jene mehr als 90 Prozent motivierend wirkt, die ohnehin freiwillig teilnehmen, sei strittig, merkt Liebig an.

Kommentare