Faymann sieht Spielraum nach oben

Kanzler Faymann: Zufrieden mit Brüsseler Beschlüssen
Die EU-Kommission hat den Vorschlag für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer präsentiert.

EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta hat am Donnerstag in Brüssel offiziell den Gesetzentwurf zur Finanztransaktionssteuer (FTS) präsentiert. "Fair und sachlich ausgereift", sei die Abgabe, die ab 1. Jänner 2014 eingehoben werden soll. Sie werde den Binnenmarkt stärken und unverantwortliches Handeln eindämmen, so Semeta. Der Vorschlag sieht wie im ursprünglichen Plan für alle 27 Mitgliedsländer Steuersätze von 0,1 Prozent auf Aktien und Anleihen sowie 0,01 Prozent für Derivatkontrakte vor.

Alle fünf Jahre soll es eine Überprüfung der Handhabung der FTS geben. Die Revisionsklausel sieht als ersten Zeitpunkt bereits Ende 2016 vor. Dabei sollen allenfalls Änderungen oder Verbesserungen erarbeitet werden, außerdem sollen dabei die Auswirkungen der Steuer auf den Binnenmarkt und die Finanzmärkte sowie die Realwirtschaft evaluiert werden. Ferner soll die Steuerentwicklung im internationalen Kontext berücksichtigt werden.

Elf Staaten wollen die umstrittene Börsensteuer einführen, eine europäische Lösung war am Widerstand der Briten und Schweden gescheitert. Bringen soll sie geschätzte 30 bis 35 Mrd. Euro Einnahmen im Jahr. Im österreichischen Budget sind bereits jährlich rund 500 Mio. Euro an Einnahmen eingeplant – und das ist laut Finanzstaatssekretär Andreas Schieder nach wie vor realistisch.

Faymann: Kann auch mehr sein

Doch es dürfte auch ein bisserl mehr sein – zumindest wenn es nach Werner Faymann geht: "Ich wäre für Erhöhungen durchaus aufgeschlossen", so der Kanzler in einem Ö1-Morgenjournal-Interview am Donnerstag. Statt der geplanten 0,01 Prozent könne er sich bei derivativen Finanzprodukten 0,015 Prozent Steuer vorstellen.

Mit den Kommissionsvorschlägen zeigte sich Faymann zufrieden. Sie seien ein richtiger Schritt, ein Beitrag des Finanzsektors, die Wirtschaft wieder in Ordnung zu bringen. Der Vorschlag sei ambitioniert aber realistisch. Jetzt gehe es darum, aufs Tempo zu drücken.

Alle Finanztransaktionen, von denen der Durchschnittsösterreicher betroffen ist, wie Bankomatabhebungen oder Überweisungen, werden nicht von der FTS betroffen sein, betonte Faymann.

Rauch

"Es ist typisch für die SPÖ, dass sie bereits über eine Erhöhung der Finanztransaktionssteuer nachdenkt, bevor diese überhaupt realisiert ist. Das bestärkt uns einmal mehr in unserer ablehnenden Haltung gegenüber Vermögenssteuern", reagierte ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch in einer Aussendung auf den Vorschlag des Kanzlers.

Karas als EVP-Verhandler

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (Bild), ist von der Europäischen Volkspartei (EVP) zum Verhandler für die FTS bestellt worden. "Meine Ziele dabei sind, außerbörsliche Geschäfte höher zu besteuern, langfristig die Transaktionssteuer zu einem EU-Eigenmittel zu machen und mittelfristig alle EU-Länder einzubeziehen", so Karas am Donnerstag in Brüssel.

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"Wenn der außerbörsliche Handel höher besteuert wird als Geschäfte, die an den Börsen stattfinden, lenken wir dadurch den Handel von kaum geregelten Märkten auf geregelte Märkte um", betonte er.

Der nun vorliegende Vorschlag wird von den beteiligten Ländern auf ihre Umsetzung erörtert. An den Beratungen können alle 27 Staaten teilnehmen. Abstimmungsberechtigt sind aber nur die elf Teilnehmerländer. Das EU-Parlament muss ebenfalls konsultiert werden - allerdings haben sich die Abgeordneten bereits mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen.

Reaktionen: "Großer Verhandlungserfolg für Österreich"

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Warum wird die Steuer eingeführt?

Die Finanzbranche soll an den Kosten der Schuldenkrise beteiligt werden. Die EU-Länder brachten von Oktober 2008 bis Oktober 2011 rund 4,5 Billionen Euro an Steuergeldern auf, um Krisenbanken zu stützen. Die Abgabe soll aber auch Börsenpraktiken wie den Hochfrequenzhandel bremsen, in dem Kritiker einen Grund für Börsenturbulenzen sehen.

Welche Länder beteiligen sich?

Eine Einführung in allen 27 EU-Ländern ist nach monatelangem Streit gescheitert, vor allem an Großbritannien. Die britische Regierung fürchtete Nachteile für den Finanzplatz London. Daher schreiten nun elf Staaten, alles Euro-Länder, im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit voran: Neben Deutschland sind das Frankreich, Belgien, Estland, Griechenland, Spanien, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei. Die Länder machen zwei Drittel der Wirtschaftsleistung der EU aus. Weitere Länder können sich dem Vorhaben noch anschließen.

Welche Geschäfte sollen wie hoch besteuert werden?

Die Kommission schlägt vor, auf Geschäfte mit Aktien und Anleihen eine Abgabe in Höhe von 0,1 Prozent zu erheben. Der Satz für den Handel mit komplizierten Finanzprodukten, sogenannten Derivaten, soll bei 0,01 Prozent liegen. Wer also Aktien im Wert von 10.000 Euro kauft, muss zehn Euro abführen.

Wer ist betroffen?

Die Steuer zielt auf Geschäfte, bei denen "Finanzinstitute" beteiligt sind. Damit sind Banken und Investmentfonds gemeint, darunter auch Pensionsfonds. Die alltäglichen Bankgeschäfte von Unternehmen und Verbrauchern - etwa Haus- oder Geschäftskredite, Kreditkartengeschäfte - sollen nicht erfasst werden. Ausgenommen sind auch die Erstausgabe von Staatsanleihen durch Mitgliedstaaten, die Europäische Zentralbank sowie die beiden Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM.

Welche Reichweite soll die Steuer haben?

Der EU-Kommission zufolge soll die Reichweite der Steuer über die beteiligten elf EU-Länder hinausgehen und somit potenziell Geschäfte weltweit erfassen. Erstens gilt das "Residenzprinzip": Demnach sind alle Geschäfte betroffen, bei denen auch nur einer der Beteiligten in einem der elf Staaten sitzt. Zudem setzt Brüssel auf das "Ausgabeprinzip": Die Steuer wird danach auf Geschäfte mit allen Finanzprodukten erhoben, die in einem der Teilnehmerstaaten herausgeben wurden - unabhängig vom Handelsplatz oder dem Sitz von Käufer und Verkäufer.

So will die EU-Kommission die Abwanderung von Finanzgeschäften vermeiden. In dem Punkt droht dem Projekt jedoch heftige Kritik aus Großbritannien, das die Steuer im Rahmen der üblichen EU-Verfahren allerdings nicht mehr stoppen kann.

Welche Einnahmen kommen durch die Steuer zusammen?

Die Kommission rechnet mit Einnahmen von 30 bis 35 Milliarden Euro im Jahr. Unklar ist noch, welche Summe für Deutschland zu erwarten ist. Die Bundesregierung geht in ihrem Finanzplan bis 2016 ab dem kommenden Jahr von jährlichen Einnahmen in Höhe von zwei Milliarden Euro aus. Die Hilfsorganisation Oxfam erwartet hingegen Einnahmen in Höhe von elf Milliarden Euro in Deutschland.

Was passiert mit den Einnahmen?

Darauf müssen sich die elf Länder noch einigen. Die EU-Kommission schlägt eine Abgabe für den Haushalt der Europäischen Union vor, trifft damit aber etwa bei der Bundesregierung auf Widerstand.

Ab wann wird die Steuer erhoben?

Das hängt davon ab, wie schnell sich die elf Staaten jetzt auf die Einzelheiten einigen. Der Vorschlag aus Brüssel strebt eine Einführung zum 1. Januar 2014 an. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici nannte kürzlich eine Einführung Ende 2014 als machbares Ziel.

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