Faymann: "Ich werde bei Referendum für Europa werben"

Faymann: "Ich werde bei Referendum für Europa werben"
Werner Faymann hat am Freitag mit Angela Merkel den EU-Gipfel besprochen. Im KURIER-Interview erklärt er sein Europa.

Werner Faymann ist lange nicht durch allzu große Zuneigung zum europäischen Projekt aufgefallen. Im KURIER -Interview gibt er sich erstmals als Vorkämpfer der europäischen Einigung.

KURIER: Herr Bundeskanzler, können EU und Euro beim Gipfel gerettet werden?
Werner Faymann: Niemand kann in einer Sitzung die Zukunft Europas der nächsten 20 Jahre gestalten. Wir müssen Fehler ausbessern, die bei der Gründung des Euro passiert sind. Das heißt, die Verschuldung unter 60 Prozent zu bringen, das Defizit unter drei Prozent holen und gemeinsam wachstumsfördernde Maßnahmen unterstützen.

Aber das wird bei einigen Staaten nur mit Zwangsmaßnahmen gehen. Soll ein EU-Kommissar in die Budgets der Länder eingreifen können?
Ein EU-Kommissar soll überprüfen können, ob die Ziele eingehalten werden. Deswegen möchte ich ja eine Schuldenbremse, am besten im Verfassungsrang. Der zweite Schritt, den ich am Freitag mit der Bundeskanzlerin Merkel diskutiert habe, betrifft die Rolle des Europäischen Gerichtshofs. Dieser sollte die Möglichkeit haben zu überprüfen, ob jedes Land Budget und Schuldenregeln auch einhält. Aber ein EU-Kommissar darf natürlich nicht entscheiden, wie lange die Leute bei uns arbeiten oder welche Steuern wir einheben.

Video: Faymann über Europakrise

Aber die nationale Souveränität würde eingeschränkt?
Beim Schuldenmachen brauchen wir keine nationalen Spielräume, da müssen wir raus aus den Fängen der Finanzmärkte. Wir können nicht erhöhte Zinsen für Bildung und Beschäftigung an Gläubiger bezahlen, so wie es derzeit Italien und Spanien machen müssen, oder Portugal, Irland und viele andere Länder. Ich habe mit Frau Merkel über eine Fiskalunion gesprochen. Im Bundestag hat sie ja gesagt, sie wolle eine Fiskalunion mit Durchgriffsrecht. Das heißt, jedes Land hat sein eigenes Budget, aber bei größtmöglicher Kontrolle, etwa durch den Europäischen Gerichtshof. Das kann ich mir gut vorstellen.

Die Deutschen sind gegen Eurobonds, also gemeinsame europäische Anleihen. Können Sie sich das vorstellen?

Wenn man Eurobonds einführt und die Verschuldung nicht im Griff hat, dann schlittert man gemeinsam in die Abhängigkeit der europäischen Finanzmärkte und davon halte ich nichts. Als nächsten Schritt, bei mehr Stabilität und Kontrolle, kann ich mir Eurobonds vorstellen.

Kommen wir zur Europäischen Zentralbank, EZB. Ihre Hauptaufgabe ist die Bekämpfung der Teuerung. Soll sie auch die Wirtschaft ankurbeln, im Zweifelsfalle Geld drucken können?
Ich sehe es schon so, dass die EZB mehr Anleihen kaufen kann. Zunächst müssen wir das Fundament bauen, also für Stabilität und weniger Schulden sorgen. Der nächste Teil des Hauses Europa bedeutet natürlich, dass wir, so wie die USA, gemeinsame Staatsanleihen haben können. Staatsanleihen waren ja einmal sicher und sollen es auch wieder werden.

Welches Signal wird der Gipfel vom 9. Dezember nun aussenden?
Wir brauchen in jedem Land die Schuldenbremse, und das möglichst in der Verfassung. Und wir sind auch dazu bereit zu signalisieren, wenn dieser Schritt eins, also "Strenge Rechnung", passiert, sind wir zu Schritt zwei bereit, nämlich zu einer Verstärkung gemeinsamer Maßnahmen.

Und wird der Gipfel auch eine Änderung der EU-Verträge beschließen? Werden wir in Österreich auch ein Referendum brauchen?
Das hängt davon ab, was in dem neuen Vertrag drinnen steht. Wenn da drinnen steht, wir machen überall eine Schuldenbremse und halten sie auch ein, werden wir kein Referendum brauchen. Wenn dort drinnen steht, dass die Kommission in die Budgethoheit der Regierungen eingreifen kann, dann müssen wir auch in Österreich, natürlich mit einem Vorlauf von zwei bis vier Jahren, entscheiden, ob wir mitmachen. Und das wäre nicht eine Entscheidung der Regierung, sondern der österreichischen Bevölkerung.

Verstehe ich Sie da jetzt richtig, Ihnen ist ein großer Schritt mit Referendum lieber?
Ich gehe davon aus, dass wir mittel- und langfristig ein gemeinsames Europa bauen werden, wo wir Kompetenzen abgeben. Bei so einer Volksabstimmung werde auch ich dafür stimmen und dafür werben. Ich glaube, wenn wir sukzessive dieses gemeinsame Europa aufbauen, sind wir stärker, als wenn wir uns zurückziehen in eine Igelposition und uns sagen, irgendwann kommt wieder der Schilling und wir sind wieder 27 Länder, die alleine agieren. Da würde ich für meine Kinder, für Österreich lieber sehen, dass Europa als gemeinsamer Markt und als Friedensprojekt auch in der nächsten Generation antritt.

Wäre der Nord-Euro eine Variante für Sie?

Ein Nord- Euro entsteht unfreiwillig, wenn wir unsere Aufgaben nicht schaffen. Ein Euro von weniger als den 17 Ländern entsteht dadurch, dass wir es nicht schaffen, diesen Zusammenhalt zu gewährleisten.

Aber das streben Sie nicht an?
Nein, ganz im Gegenteil.

Es gibt ja Leserbriefschreiber, die vom „Völkerkerker EU“ reden und in Brüssel nur Inkompetenz und Verschwendung sehen. Diese Leute werden Sie auf der Straße, auf Plätzen und in Bierzelten überzeugen müssen, mit ganz einfachen Argumenten, und im Fernsehen in 30 Sekunden .

Hugo Portisch kann die Dinge immer so auf den Punkt bringen, ich werde es auch versuchen, so etwa: Dieses Europa mit seinen 500 Millionen Menschen in 27 Ländern kann im internationalen Wettbewerb nur gemeinsam antreten, dann ist es auch stark. Wir kämpfen für Beschäftigung, gegen Jugendarbeitslosigkeit, für soziale Errungenschaften, da ist es besser, im Wettbewerb gemeinsam aufzutreten. Wir sind für friedliches Zusammenleben, gegen Extremismus, gegen gewaltsame Auseinandersetzungen. Wenn das die Menschen spüren, dass dieses gemeinsame Europa mehr zustande bringt als das Abräumen von Errungenschaften, dann bekommt es eine Sogwirkung. Wenn jetzt die Leute sehen, die schwerste Krise der 2. Republik führt nicht zu den Versäumnissen der 30er-Jahre mit dementsprechender Massenarbeitslosigkeit, sondern wir bringen eine Stabilisierung zustande, auch wenn wir hart dafür arbeiten und oft zwei Schritte nach vor und zwei nach hinten machen, dann geht es in die richtige Richtung. So schnell, wie es bergabgegangen ist mit dem Vertrauen gegenüber allen Regierungen in der Eurozone, so schnell, wie es in der Hochschaubahn hinuntergeht, so schnell geht es auch wieder hinauf. Und das ist die beste Voraussetzung, jemand zu überzeugen, ganz egal, ob am Viktor-Adler-Markt oder am Markt in Vorarlberg.

Ich bin kein boshafter Mensch, wie Sie wissen, Herr Bundeskanzler, halte Ihnen diesen Leserbrief an die Krone also nicht vor, aber ich habe ihn noch immer in Erinnerung. Da haben Sie sinngemäß gesagt, Sie werden die Leute im Falle einer Abstimmung über geänderte EU-Verträge über die Vor- und Nachteile aufklären. So wie ich Sie jetzt verstehe, werden Sie nur die Vorteile erklären. Was hat aus Ihnen in den letzten Jahren einen glühenden Europäer gemacht, als den ich Sie jetzt empfinde?
Die Überzeugung, dass wir in dieser schlimmen Wirtschaftskrise zwei Instrumente nicht hatten, die wir nur gemeinsam schaffen können. Die kann ich den Österreichern nicht in Österreich versprechen. Erstens, die Finanzmärkte regeln. Kein Mensch kann die Finanzmärkte Europas nur in Österreich regeln. Das ist einfach nicht möglich, und das muss man den Menschen auch sagen. Weil man sieht, dass man dafür die europäische Ebene braucht. Und das zweite ist, dass Staatsanleihen zu Spekulationsobjekten wurden, das muss künftig verhindert werden. Weil das nimmt uns die Basis für Spielräume. Jedes Prozent Zinsen kostet uns nach 10 Jahren zwei Milliarden Euro. Zwei Milliarden, die wir dringend für anderes bräuchten. Und darum bin ich ganz stark für diese gemeinsamen Lösungen, aber, wie beim Bergsteigen, Schritt für Schritt. Und nicht den Leuten zu sagen, wir leeren das Geld jetzt in ein Fass ohne Boden, schaffen die Vereinigten Staaten und was übermorgen ist, wissen wir nicht.

Kann ich sagen, aus Ihnen ist ein glühender Europäer geworden?

Ja, wenn es ein Europa ist, das Beschäftigung in den Vordergrund stellt, ein glühender Europäer, der für den sozialen Ausgleich steht.

Sie müssen nicht nur sparen, sondern wollen auch eine Vermögenssteuer? WIFO-Chef Aiginger plädiert dafür, wenn sie verwendet wird, die hohen Arbeitskosten zu senken.
Das wäre mein Lieblingsmodell, wenn man nicht etwa 7 Milliarden bis 2017 einsparen müsste. Wenn man 7 Milliarden einsparen muss, kann man nicht zu viel Entlastung versprechen. Jede Entlastung, die irgendwie möglich ist, würde ich gerne machen, kann aber keine großen Hoffnungen machen. Denn zum Schluss ist es einfach wichtig, dass wir weniger Zinsen für unsere Staatsschulden zahlen. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit aller Staaten. Und wir bewältigen jetzt den zweiten Teil der Wirtschaftskrise, in dem wir von den Schulden runter kommen. Dann werden die Leute auch verstehen, dass man dann im dritten Teil wieder mehr über Entlastungen spricht. Und nicht zu früh über Entlastungen, die man jetzt im großen Stil einfach nicht zur Verfügung hat.

Apropos Steuern. Glauben Sie noch an eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene?
Ja, ich werde sie beim Gipfel wieder auf die Tagesordnung bringen. Sie würde alleine in Österreich bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr bringen. Und wenn Großbritannien nicht mitmacht, sollten wir sie im Euro-Raum einführen.

Bei der Jugend werden Sie Europa in den neuen Medien bewerben müssen. Schwierig nach dem missglückten Facebook-Auftritt.
Wahrscheinlich haben wir die Erwartungshaltungen zu hochgeschraubt. Ich werde versuchen, wenn es die Zeit zulässt, auch persönlich zu posten. Aber wie es aussieht, werde ich angesichts der Entwicklungen in der EU nicht wesentlich mehr Zeit dafür zur Verfügung haben.

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