Draghi "redet" Euro nach oben

Der EZB-Chef deutet weitere Mini-Schritte Richtung einer Kurswende an: Alle Zeichen deuten auf Festigung der Erholung hin. Der Euro legte deutlich zu.

EZB-Chef Mario Draghi deutet im Zuge der Konjunkturerholung weitere Mini-Schritte in Richtung Eindämmung der Geldflut an. Der Aufschwung in der Eurozone gewinne an Kraft, sagte Draghi am Dienstag auf einer Notenbank-Konferenz im portugiesischen Sintra. Die Europäische Zentralbank müsse umsichtig handeln.

"Wenn die Konjunktur anzieht, werden wir graduell vorgehen müssen, wenn wir unsere geldpolitischen Parameter anpassen", sagte der Italiener. So will die EZB sicherstellen, dass ihr Kurs bei fortbestehenden Unsicherheiten die wirtschaftliche Erholung weiter unterstützt.

Die EZB hatte jüngst bereits einen kleinen Schritt in Richtung Kurswende gewagt, indem sie die bisher stets erwähnte Option auf noch tiefere Zinsen aus ihrem Ausblick strich.

Neues Hoch

Der Euro hat am Dienstag deutlich zugelegt. Zeitweise stieg die Gemeinschaftswährung um mehr als einen Cent auf bis zu 1,1305 US-Dollar. Das war der höchste Stand seit vergangenem September. Am späten Nachmittag kostete ein Euro 1,1280 Dollar.

Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1278 (Montag: 1,1187) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8867 (0,8939) Euro.

"Es war ein anderer Zungenschlag von Draghi", sagte Daniel Lenz, Analyst bei der DZ Bank. Der EZB-Präsident habe mehr die positive Entwicklung der Konjunktur in den Vordergrund gestellt als bisher und das Vorübergehende bei den Inflationsrisiken betont. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer und sein Kollege Michael Schubert gehen einen Schritt weiter: "Mario Draghi hat heute signalisiert, dass die EZB prinzipiell zu einer etwas weniger expansiven Geldpolitik bereit ist", so die Experten.

Aus Sicht des EZB-Chefs gewinnt der Aufschwung in der Eurozone immer mehr an Kraft. "Alle Zeichen deuten nun auf eine Festigung und Verbreiterung der Erholung in der Eurozone hin", sagte er. Auch bei der Inflation sieht Draghi eine positive Entwicklung. Denn die den Preisauftrieb wieder anschiebenden Kräfte hätten inzwischen die deflationären Faktoren ersetzt. Es gebe zwar immer noch Faktoren, die auf der Preisentwicklung lasteten. "Gegenwärtig sind das vor allem temporäre Faktoren, durch die eine Zentralbank typischerweise hindurchschauen kann."

Schrittweise Anpassung der Geldpolitik

Setzt sich die Erholung fort, wird Draghi zufolge bei unveränderter Geldpolitik die EZB-Ausrichtung sogar expansiver. Ein vorsichtiges Zurückfahren der Maßnahmen würde die Zügel daher nicht wirklich straffen. Die EZB strebt knapp zwei Prozent Inflation als Idealwert für die Wirtschaft an. Davon ist sie mit einer Teuerung von 1,4 Prozent im Mai aber noch ein gutes Stück entfernt. Trotz aller Zuversicht hält Draghi daher ein erhebliches Ausmaß an geldpolitischer Lockerung immer noch für nötig, damit die Inflationsdynamik dauerhaft und selbsttragend wird.

Die Geldschleusen in der Eurozone stehen nach wie vor weit offen: Der Leitzins liegt auf einem historischen Tief von null Prozent. Zudem erwerben die EZB und die nationalen Euro-Notenbanken für rund 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Die Käufe sollen noch bis mindestens Ende Dezember fortgesetzt werden und dann einGesamtvolumen von 2,28 Billionen Euro erreichen. Volkswirte erwarten, dass die EZB im Herbst entscheidet, wie es mit den Käufen nach 2017 weitergeht.

Kurswechsel im Spätsommer?

Draghi habe einen ersten Schritt in Richtung einer weniger lockeren Geldpolitik getan, kommentierte Marco Valli, Chefvolkswirt für Europa bei der Großbank UniCredit. Bankökonomen rechnen damit, dass die EZB im Spätsommer die Weichen für einen geldpolitischen Kurswechsel stellen wird. Es wird erwartet, dass sie dann den "Einstieg in den Ausstieg" aus ihren billionenschweren Wertpapierkäufen ankündigen und die Käufe im Laufe des kommenden Jahres schrittweise auslaufen lassen wird. Mit einer ersten Anhebung des Leitzinses, der seit längerem an der Nulllinie klebt, dürfte sich die Notenbank aber noch Zeit lassen.

Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,8837 (0,8783) britische Pfund, 126,16 (124,93) japanische Yen und 1,0883 (1,0881) Schweizer Franken fest. Die Feinunze Gold wurde in London am Nachmittag mit 1.249,55 (1.245,25) Dollar gefixt. Ein Kilogramm Gold kostete 35.635,00 (35.752,00) Euro.

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