Eurokrise: Stichwort EZB

Eurokrise: Stichwort EZB
Die EZB hat mit der Krise ein Tabu gebrochen und faule Anleihen gekauft. Heute sitzt die Notenbank auf Papieren im Wert von 74 Mrd. Euro.

Die Aufgaben der Europäischen Zentralbank mit Sitz im Eurotower in Frankfurt/Main sind klar definiert: Vorrangige Ziele der EZB sind die Gewährleistung von Preisstabilität und Kaufkraft des Euro. Im Artikel 2 des Vertrages über die EU werden als Ziele der Union hohes Beschäftigungsniveau und ein beständiges, nicht inflationäres Wachstum genannt. Der EZB fallen demnach grundlegende Aufgaben zu: die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte durchzuführen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten sowie das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern.

Ihren Aufgaben komme die EZB gut nach, unterstrich EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in einem Interview mit der Financial Times Deutschland (FTD): "Der Euro ist eine sehr glaubwürdige Währung. Er ist stabil und hat seinen Wert in den vergangenen zwölf Jahren bemerkenswert gut erhalten. Das ist es, was der EU-Vertrag von der EZB fordert." Die durchschnittliche jährliche Inflationsrate lag in den letzten zwölf Jahren bei 1,97 Prozent.

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Dann kam die Krise: Durch sie sahen sich die Währungshüter um ihren Präsident Trichet zu einem Tabubruch gezwungen: Am 10. Mai 2010 verkündete die Notenbank ihren Beitrag zur Euro-Rettung, darunter "Interventionen an den Märkten für öffentliche und private Schuldverschreibungen im Euro-Währungsgebiet". Die Zentralbank kaufte - entgegen ihren Statuten - in großem Stil Staatsanleihen: griechische, irische und portugiesische. Viele Investoren ließen aufgrund hoher Risikoaufschläge die Finger davon. So sprang die EZB ein und hat damit den milliardenschweren Rettungsschirm der EU und des IWF für finanzschwache Euroländer, deren Bonität im Zuge der Schuldenkrise unter Druck geraten ist, gestützt. Das Problem: Mit diesem Schachzug verschoben sich die Schulden von privaten hin zu öffentlichen Gläubigern.

Inzwischen sitzt die Notenbank auf Staatsanleihen im Wert von 74 Milliarden Euro. Allein die griechischen Anleihen sollen nach Schätzung der Investoren von J.P. Morgan 47 Mrd. Euro ausmachen - genaue Zahlen sind nicht bekannt. Weil die EZB aber auch wichtigster Geldgeber für griechische Banken geworden ist und als Sicherheit im Gegenzug weitere Staatsanleihen aus Athen akzeptiert hat, schätzen die Analysten des Think-Tanks "Open Europe" das Risiko in Zusammenhang mit Griechenland auf 190 Mrd. Euro.

Die Summe aller riskanten Papiere, die Banken aus Irland, Portugal, Spanien und Griechenland bei der EZB in Frankfurt geparkt haben, schätzt der Think-Tank, der in London und Brüssel werkt, auf etwa 400 Mrd. Euro. Seit Anfang des Jahres ruht das Ankaufsprogramm - 16 Wochen in Folge ist die Notenbank nicht am Anleihenmarkt in Erscheinung getreten. Doch es mehren sich die Gerüchte über erneute Anleihekäufe.

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Mit dem Kauf von Staatsanleihen machte sich die EZB zu einem der größten Gläubiger Athens. Würde den Hellenen auch nur ein Teil seiner Milliardenschulden nachgelassen, wäre die EZB schwer davon betroffen und in weiterer Folge die nationalen Notenbanken. Als letztes Glied dieser Kette steht der Steuerzahler, der für die Ausfälle in letzter Instanz aufkommen müsste. 50 Prozent Schuldennachlass in Griechenland zögen zwischen 45 und 66 Mrd. Euro Verlust für die EZB mit sich. "In so einem Fall wäre die Bank technisch pleite", warnte schon der deutsche Ökonom Hans Werner Sinn.

Deshalb hat sich die EZB mit aller Kraft gegen eine Umschuldung zur Wehr gesetzt: "Wir schließen alle Konzepte aus, die nicht auf absoluter Freiwilligkeit beruhen. Wir wollen auf jeden Fall alle Szenarien vermeiden, die einen Kreditausfall gleichkommen oder als solcher verstanden werden. Es wäre ein großer Fehler, wenn es dazu käme", sagte der EZB-Präsident. Eine Beteiligung von Privatgläubigern am zweiten Rettungspaket für Griechenland lehnt die EZB ab. Der private Sektor könne am besten in Form von ausländischen Direktinvestitionen, Privatisierung und durch die schnellstmögliche Rückkehr zur Finanzierung am Markt beteiligt werden, so Trichet gegenüber der FTD.

Begrüßt hingegen wird ein Rückkauf griechischer Anleihen durch den Euro-Rettungsschirm EFSF: "Wir haben gesagt, dass dies eine nützliche Alternative wäre", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi der griechischen Tageszeitung To Vima. "Sie würde dem Privatsektor erlauben, die Anleihen zum derzeitigen Marktpreis zu verkaufen, der derzeit unter dem Nominalwert liegt", betonte der Notenbanker. "Gleichzeitig würde der Privatsektor monetär profitieren." Dem Vorschlag gemeinsamer Eurobonds kann Trichet stellvertretend für die Notenbank nichts abgewinnen: "Der EZB-Rat hat sich die verschiedenen Vorschläge angesehen. Zurzeit unterstützt er sie nicht", so Trichet.

Neben dem Kauf von Staatsanleihen hat die EZB angeschlagenen Banken über die Notenbanken mittels Krediten unter die Arme gegriffen: Die dafür nötigen Sicherheiten waren vielfach zu lax. Zu ihnen zählen unter anderem Asset-backed Securities (=forderungsbesicherte Wertpapiere: Ziel der ABS ist, bisher nicht liquide Vermögensgegenstände, in der Regel Kreditforderungen, in festverzinsliche, handelbare Wertpapiere umzuwandeln) im Wert von einer halben Billion Euro. Bei den ABS handelt es sich um jene komplexen Schuldverschreibungen, welche die Finanzkrise ursprünglich ausgelöst hatten.

Als Sicherheiten für Zentralbankgeld gelten auch Wertpapiere Griechenlands, Irlands und Portugals mit geringer Bonität. Doch EZB-Präsident Trichet stellte in der FTD klar, dass dies Grenzen habe: "Wenn ein Land zahlungsunfähig wird, können wir seine ausgefallenen Staatsanleihen nicht mehr als normale notenbankfähige Sicherheiten akzeptieren." Ähnlich äußerte sich Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann in der Zeit: "Es ist nicht unsere Aufgabe, insolvente Banken, geschweige denn Länder zu finanzieren. Deshalb verleiht das Euro-System Geld nur gegen angemessene Sicherheiten."

Als Hüter des Euro gibt sich der EZB-Präsident optimistisch, dass die Krise überwunden werden kann: "Die Europäer haben stets bewiesen: Wenn sie vor gewaltigen Herausforderungen stehen, ziehen sie an einem Strang. Mein fester Glaube daran, dass die Integration Europas - ein bedeutendes historisches Unterfangen zur Gewährleistung von Stabilität, Wohlstand und Frieden - weiter voranschreitet, ist von der Krise nicht erschüttert worden." Wichtig wäre es nach Trichet jedoch, dass die nationalen Regierungen "mit einer Stimme sprechen".

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