EU wird zum Not-Gaslieferanten für die Ukraine

Statt Russland. EU-Unternehmen sollen Gas bereitstellen, um ukrainische Speicher zu füllen.

Seit eineinhalb Wochen erhält die Ukraine aus Russland kein Gas für den Eigenbedarf mehr. Jetzt sollen EU-Energiekonzerne einspringen und das Auffüllen der ukrainischen Speicher für den Winter 2014/2015 ermöglichen, sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger am Mittwoch. Dazu wird die Richtung der Gasströme umgekehrt: Über die Slowakei, Polen und Ungarn wird – auch ursprünglich russisches – Gas in die Ukraine zurückfließen. Und das sogar zu günstigeren Preisen, als die russische Gazprom verlange, betonte Yuriy Prodan, Energieminister der Ukraine, nach dem Treffen in Brüssel.

Laut Oettinger gibt es bisher keine Probleme mit russischem Gas, das für die EU bestimmt ist. Die Ukraine habe sogar angeboten, dass sich EU-Kontrollore vor Ort vergewissern, dass im Transitland kein Gas abgezapft wird.

Für die EU wäre auch ein Stopp des Transports von Russengas durch die Ukraine kein allzu großes Problem, glaubt Simon Blakey, Sonderbeauftragter von Eurogas, des EU-Branchenverbandes der Erdgasunternehmen. Seit der Gaskrise 2009, als zuletzt die Lieferungen durch die Ukraine unterbrochen waren, habe die EU vieles am Gasmarkt verbessert, wie etwa die Möglichkeit zur Richtungsumkehr der Gasflüsse. Damit könnten Länder wie Ungarn, die völlig am russische Gas-Tropf hängen, vom Westen versorgt werden.

Kritik

Die South Stream sieht man in EU-Kommissionskreisen daher auch sehr kritisch. Denn die Pipeline diene ausschließlich dazu, die Ukraine vom Transport russischen Gases nach Westeuropa auszuschließen. Damit würde für die Ukraine eine wichtige Einnahmequelle, nämlich die Gastransportgebühr, wegfallen. Und die EU müsste dem Land noch mehr Mittel zur Verfügung stellen.

Die Gasmengen, die via South Stream im niederösterreichischen Gashandelszentrum Baumgarten ankommen sollen, würden in Europa gar nicht zusätzlich gebraucht. Auch sei das Leitungsnetz durch Österreich nicht auf solche Zusatzmengen ausgerichtet.

Fazit: Es geht um ein Entweder-oder. Das Gas aus Russland wird nur durch eine der beiden Leitungen in voller Menge fließen. Für westeuropäische Gaskunden könnte das durchaus Vorteile haben. Sie kaufen jenes Gas, das billiger geliefert wird.

Bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder festlegen, was die politischen Prioritäten der nächsten Jahre sein sollen – der Rahmen für ein „Regierungsprogramm“ für die nächste EU-Kommission. Eine Frage wird sein, wie man sowohl die Klimaziele wie auch die Reindustrialisierung erreichen kann.

„Die 2020-Ziele zu erreichen ist extrem schwer und bringt enorme Kosten“, sagt Gordon Moffat, Generaldirektor des europäischen Stahlverbandes EUROFER. Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Brüssel warnte er vor den Folgen für die Stahlbranche und den Arbeitsmarkt, die zu ehrgeizige Klimaziele haben könnten. Schon jetzt würde die Industrie darunter leiden, dass die Energiepreise in Europa rund drei Mal so hoch seien wie etwa in den Vereinigten Staaten. „Stahl in Europa zu produzieren ist aber wichtig für die produzierenden Wertschöpfungsketten“, sagt Moffat. „Wenn irgendein Teil dieser Kette bricht, wird man sehen, dass große Produktionen und hunderttausende Jobs verloren gehen.“

ÖVP-EU-Abgeordneter Paul Rübig fordert – parallel zu den Klimazielen – ein „verbindliches Industrieziel“: „Wir müssen als Ziel haben, dass die industrielle Produktion in Europa 20 Prozent des BIP ausmacht“, sagt Rübig. „Ohne klare Ziele setzen wir Jobs in Europa aufs Spiel.“ Eine EU-Strategie für Reindustrialisierung solle daher „beides respektieren – Klimawandel und Wachstum“.

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