EU will das Autobahn-Pickerl abschaffen

Symbolbild.
Statt pauschal per Vignette soll die Maut künftig pro gefahrenem Kilometer kassiert werden.

Österreich könnte sich bald von der Autobahn-Vignette für Pkw verabschieden müssen. Die EU-Kommission will, dass die bestehenden Mautsysteme für Pkw und auch für Lkw von einer zeitabhängigen in eine kilometerabhängige Variante umgebaut werden. Geschehen soll das laut den Plänen, die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc am Mittwoch in Brüssel vorstellte, bis spätestens Ende 2023. Die Höhe der Maut soll außerdem an den -Ausstoß des Fahrzeuges gekoppelt werden. Betroffen von einer Umstellung sind neben Österreich und Deutschland vor allem osteuropäische EU-Mitgliedsstaaten (siehe Grafik), die eine zeitabhängige Maut via Vignette einheben. Bereits kilometerabhängig kassiert wird seit Langem etwa in Italien und in Frankreich. Errechnen soll die Maut ein elektronisches Gerät an Bord des Fahrzeugs. Über dieses Gerät sollen die EU-Länder regional zusätzliche Gebühren einheben können. So könne in bestimmten Regionen gegen Staus, Lärm und Luftverschmutzung vorgegangen werden.

Österreich dagegen

Eine von der Fahrleistung abhängige Maut, begründet die EU-Kommissarin ihren Vorstoß, trage zum besseren Schutz der Umwelt bei. Autofahrer würden angesichts der kilometerabhängigen Tarife öfter auf die Fahrt verzichten und damit einsparen. Die österreichische Politik hält nichts von den EU-Plänen. Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) verteidigt die Vignette: „Die kilometerabhängige Maut bringt höhere Kosten. Das trifft vor allem Pendlerinnen und Pendler, die auf das Auto angewiesen sind.“ Leichtfried plädiert dafür, dass die Mitgliedsstaaten auch in Zukunft autonom über ihr Mautsystem entscheiden können.

Hohe Mehrkosten

Auch die ÖVP kann sich nicht mit der Abschaffung des Pickerls anfreunden. Dadurch – kritisiert Europaparlamentarierin Claudia Schmidt – würden Milliarden-Kosten auf die Autofahrer zurollen. Laut Autobahnbauerin und -Erhalterin Asfinag sind im Vorjahr 27 Milliarden Kilometer mit dem Pkw gefahren worden.

Mauteinnahmen würden verdreifacht

Legt man – rechnet Schmidt vor – die derzeit niedrigste Streckenmaut der EU in Frankreich (sieben Cent je Kilometer) zugrunde, „ergibt das Einnahmen von beinahe 1,9 Milliarden Euro.“ Zum Vergleich: Derzeit nimmt die Asfinag knapp 600 Millionen Euro Maut von den Pkw ein. Der Autofahrerklub ÖAMTC hält das Pickerl ebenfalls für das bessere Mautsystem. „Kilometerabhängiges Road Pricing hilft weder den Wenigfahrern noch die Umwelt“, kritisiert Bernhard Wiesinger. Es ziele lediglich darauf ab, der Staatskasse zusätzliches Geld von den Autofahrern zu bescheren. Bei einem Mindesttarif von 7 Cent je Kilometer hätte ein Pendler zwischen Kufstein und Innsbruck jährliche Mehrkosten von rund 1700 Euro, zwischen Linz und Gmunden seien es immerhin noch 1400 Euro. Die Mautpläne der Kommission sind vorerst nur ein Vorschlag. Erstens muss sich auch noch das EU-Parlament dafür aussprechen, zweitens muss das Paket im EU-Ministerrat abgesegnet werden. Und da dürfte nicht nur Österreich auf der Bremse stehen.

Für den Güterverkehr auf der Straße sieht die Verkehrsgewerkschaft vida Verschlechterungen durch das Mobilitätspaket der EU-Kommission. Etwa durch die geplante Abschaffung der Höchstzahl an Kabotagefahrten (Transporte ausländischer Frächter innerhalb Österreichs, Anm.). Dies bedeute, dass ausländische Transporteure innerhalb von fünf Tagen unzählige Fahrten in Österreich durchführen können.

"Für österreichische Unternehmen ruinös"

Karl Delfs, Fachbereichssekretär Straße in der vida, warnt: „Das ist für die österreichischen Güterverkehrsunternehmen ruinös und führt zu noch mehr Lohn- und Sozialdumping in der Transportbranche.“ Wegen fehlender Kontrollen illegaler Kabotage durch die Finanzpolizei entgingen dem Fiskus bereits jetzt jährlich 500 Millionen Euro, in der heimischen Transportbranche gingen dadurch 14.000 Jobs verloren. Ein Skandal ist laut Selfs auch, dass die Entsenderichtlinie für Fahrer erst ab dem dritten Tag gilt. Bis dahin sind die Lenker von den nationalen Mindestlohn- und Sozialvorschriften ausgenommen. Delfs: „Dadurch wird dem Sozialmissbrauch Tür und Tor geöffnet.“ Positiv ist für den Verkehrsgewerkschafter, dass Transportfirmen ihre Niederlassungen dort ansiedeln müssen, wo die Haupttätigkeit ihres Geschäfts liegt. Dann werde das sogenannte „Ausflaggen“ (Anmelden der Lkw in einem billigeren Nachbarland, Anm.) in Billiglohnländer und das Bearbeiten des österreichischen Marktes von dort aus nicht mehr so leicht möglich wie derzeit.

"Entsendung zweiter Klasse"

Auch Evelyn Regner, SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament, übt harsche Kritik: „Beim Kampf gegen Sozialdumping droht die EU-Kommission mit ihren neuen Vorschlägen einmal mehr falsch abzubiegen.“ Man wisse um die teilweise katastrophalen Zustände auf Europas Straßen, „und wenn die Kommission nun die FernfahrerInnen mit Kurzzeit-Varianten ausnehmen möchte, droht sich die Situation massiv zu verschärfen. Was die Kommission vorschlägt, sind Entsendungen zweiter Klasse.“

Kommentare