EU stellt Ungarn die Rute ins Fenster

EU stellt Ungarn die Rute ins Fenster
Ungarns Budget und Verfassung stehen im Visier der EU-Kommission. Brüssel droht mit dem Stopp von EU-Geldern.

Spätestens seit Mittwoch hat Brüssel die ungarische Regierung voll im Visier: Die Europäische Kommission droht Ungarn so massiv wie noch nie mit Strafmaßnahmen, sollte die Regierung in Budapest keine „ausreichende Maßnahmen“ gegen das ausufernde Budgetdefizit setzen.

Zugleich droht Brüssel der Regierung in Ungarn mit Vertragsverletzungs-Verfahren, um die umstrittenen Verstöße gegen das EU-Recht rückgängig zu machen. Im EU-Visier sind besonders die jüngsten Gesetzesänderungen: Sie beinhalten Beschränkungen für die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank, der Justiz, der Datenschutzbehörde und der Medien.

Mit dem Aussetzen dringend benötigter Kohäsionsgelder aus dem EU-Budget soll die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán dazu gebracht werden, das ungarische Staatsbudget rasch zu korrigieren.

Kein Land, nicht einmal Griechenland, steht in Brüssel derzeit sosehr am Pranger wie Ungarn. Dabei ist Ungarn kein Mitglied der Eurozone, daher treffen die strengen Budgetregeln, denen auch Österreich unterworfen sind, auf Budapest nicht zu. Aber „es könnten Zahlungsverpflichtungen im Rahmen des Kohäsionsfonds ausgesetzt werden“, droht EU-Währungskommissar Oli Rehn unverblümt.

Pikanterie am Rande: Über einen Stopp der EU-Entwicklungsgelder muss Österreichs Regionalkommissar Gio Hahn entscheiden. Rehn will sich mit ihm dazu beraten, kündigte er an – und ergänzte: „Peinlich“ sei ihm das überhaupt nicht.

Ungenügend

EU stellt Ungarn die Rute ins Fenster

Formal hält die Regierung in Budapest die Budgetkriterien zwar ein. Aber das, so befindet die EU-Kommission, sei nur auf einmalige Maßnahmen im Umfang von etwa zehn Prozent des BIP zurückzuführen. Und das sei weder nachhaltig noch klug.

Keine Entscheidung gab es vonseiten der Kommission zu Ungarn zur Unabhängigkeit der Nationalbank, der Datenschutzbehörde und der Justiz. Die Gesetzestexte aus Budapest lägen erst seit zehn Tagen vor, verteidigt sich eine Sprecherin der Kommission. Derzeit werden diese evaluiert. Die Kommission sei aber „ sehr besorgt“. Nicht ausgeschlossen, dass die Kommission als Hüterin der EU-Verträge Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleitet. „Die Kommission wird ihre Rechte dabei voll ausschöpfen“, betonte die Sprecherin. Als Frist hat sich die Kommission kommenden Mittwoch, den 17. Jänner gesetzt.

Offenbar hat die ungarische Regierung von Premier Orbán aber nun doch den Ernst der Lage erkannt: Sein Sprecher Peter Szijjarto kündigte im ungarischen Staatsfernsehen an, die Regierung sei bereit, auch die umstrittenen Verfassungsänderungen mit der EU-Kommission zu diskutieren. Das habe Premier Orbán Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einem Brief mitgeteilt.

Fiskalpakt: EU-Staaten wollen die Rolle Brüssels beschneiden

Unter großem Druck stehen die Verhandler des neuen EU-Fiskalpakts, der 17 Euro-Staaten und neun EU-Staaten ein für alle Mal an strengste Budgetregeln binden soll. Heute, Donnerstag, könnten die Verhandlungen bereits „vorläufig“ abgeschlossen werden, erhofft der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok.

Entgegen dem ersten Entwurf soll die EU-Kommission deutlich weniger Möglichkeiten bekommen, in die Budgetpolitik der Nationalstaaten einzugreifen. Britische Medien sprechen daher bereits von einem Erfolg der britischen Regierung. Offiziell hat Großbritannien nur Beobachterstatus bei den Verhandlungen, doch der Wunsch der EU-Partner ist groß, einen Konsens mit London zu erreichen. Unklar bleibt noch, ob jedes EU-Land ein anderes Mitgliedsland vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zerren kann, wenn Unklarheiten über Budget und Steuerpolitik herrschen.

Der Fiskalpakt soll bis Ende Jänner endgültig ausverhandelt sein und beim nächsten Euro-Gipfel beschlossen werden. Die EU hofft, damit die Finanzmärkte zu beruhigen.

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