EU

Wien geht bei EU-Agenturen leer aus

Bei den Abstimmungen über die neuen Standorte der EU-Arzneimittelbehörde EMA und der Bankenaufsicht EBA ist Wien leer ausgegangen.

Was für ein Krimi: Gleichstand nach drei Abstimmungsrunden, somit musste am Montagabend in Brüssel das Los entscheiden, wer die lukrative EU-Arzneimittelbehörde EMA und die wichtige EU-Bankenaufsicht EBA künftig beherbergen darf. Für die EMA hatten Amsterdam und Mailand je 13 Stimmen erhalten. Fortuna entschied zugunsten von Amsterdam. Drittplatzierte Stadt war Kopenhagen. Wiens Hoffnungen auf die EMA waren hingegen früh geplatzt – in Runde eins mit nur vier Punkten ausgeschieden. Lediglich Sofia, Bonn und Lille konnten geschlagen werden. Groß war die Enttäuschung auch in Bratislava, das zum Favoritenkreis gezählt hatte.

EMA-Beschäftigte, die das Prozedere am Standort in London verfolgten, quittierten das Ergebnis mit Applaus: Die Mehrzahl wollte in kein osteuropäisches Land übersiedeln; Amsterdam war ein Liebling der Mitarbeiter. Das Gerangel um die EMA war intensiv: 19 Städte hatten sich als Sitz der Pharmaaufsicht beworben.

Frankfurt ausgebootet

Spannend verlief auch das Match um die EU-Bankenaufsicht EBA. In diesem Rennen wurden Wien bessere Chancen eingeräumt, zumal es nur sieben Kontrahenten gab. Doch Wien schied auch hier bereits in der ersten Runde aus. Der große Favorit Frankfurt schaffte es zwar knapp ins Dreier-Finale, lag aber überraschend weit hinter Paris und Dublin. Nach einer Patt-Stellung zwischen den beiden Erstplatzierten musste erneut das Los entscheiden. Das Glück lag aufseiten der Franzosen und somit übernimmt Paris, das bereits die Wertpapieraufsicht hat, auch die Bankenaufsicht.

Beobachter fühlten sich bei den Abstimmungen an den Eurovision Song Contest (ESC) erinnert. Nicht nur, weil jedes Land drei, zwei oder einen Punkt an seine Favoriten vergeben sollte. Auch das Geschachere über die Stimmen hatte lange davor eingesetzt. Für Österreich stimmte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Die Stimmzettel wurden nach dem Votum vernichtet.

Offiziell sollten sechs Kriterien zählen, etwa die Verkehrsanbindung, das Gebäude und die verfügbaren Schulen für Kinder. Tatsächlich sollen aber manche Länder für EMA- und EBA-Stimmen sogar Unterstützung bei der Kandidatur des Eurogruppenchefs versprochen haben.

Slowakei, Kroatien, Bulgarien und Rumänien hatten zuvor auf Ausgewogenheit gepocht. Sie sind die einzigen Länder, die keine der 38 EU-Agenturen beherbergen. Malta, Kroatien und Irland zogen vor der Abstimmung ihre Bewerbungen für die EMA zurück. Dublin wohl aus taktischen Gründen.

Schelling "überrascht"

Finanzminister Hans Jörg Schelling, der Wiens zweifach verheerendes Abschneiden bei der Standortsuche für EMA und EBA in Brüssel gestern live miterlebte, zeigte sich über das Ergebnis „sehr überrascht. Wir hätten uns das anders vorgestellt“, meinte er, kalmierte aber sogleich: „Es ist kein Beinbruch, dass wir das nicht bekommen haben.“ Hinter den Kulissen aber herrschte bittere Enttäuschung bis hin zu völliger Ratlosigkeit: Nur vier Punkte bei der Abstimmung für die EMA – offenbar habe Österreichs Vorgehensweise im Wettbewerb um die Agenturen versagt, war man sich einig. Schelling: Man habe versucht, im Hintergrund Allianzen zu schmieden, zum Teil seien aber Zusagen anderer Länder schon vorhanden gewesen. „Da dürften andere besser gearbeitet haben“.

Als „schwere Schlappe“ sieht man auch in Deutschland, dass weder das favorisierte Frankfurt (EBA) noch Bonn (EMA) gestern zum Zug gekommen sind. Gegen Deutschland hatte allerdings von Anfang an gesprochen, dass es mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) in Köln und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) in Frankfurt bereits zwei EU-Organe beherbergt.

Unter den 38 Agenturen der Europäischen Union zählt die EU-Arzneimittelagentur (EMA) sicher zu den bedeutendsten: Seit 1993 in London angesiedelt, zieht die EMA Jahr für Jahr durch ihre zahlreichen Kongresse mindestens 30.000 Besucher an. Die knapp 900 EMA-Mitarbeiter, Experten auf dem Pharma- und Medizinsektor, sind für die Beurteilung und Überwachung von Arzneimitteln in der gesamten EU sowie für Island und Norwegen zuständig. Rund ein Viertel aller Neuzulassungen von Medikamenten weltweit wird durch die EMA getätigt. Zudem werden in der EMA alle klinischen Studien in einer Online-Datenbank gesammelt und öffentlich zugänglich gemacht.

Die Bankenaufsicht EBA ergänzt seit 2011 die nationalen Aufseher, die kritische Finanzmarkt-Bereiche beaufsichtigen sollen. Statt eine Superbehörde zu schaffen, verteilte die EU die Aufgaben auf drei Finanzplätze: London mit der EBA, zuständig für Banken, Frankfurt mit EIOPA (Versicherungen) und Paris mit ESMA (Wertpapiere). Die EBA ist für ein EU-weit einheitliches Regelwerk und die viel beachteten Stresstests zuständig. Ihr Budget betrug zuletzt 36,5 Mio. Euro. 2016 beschäftigte die EBA 169 Mitarbeiter, die meisten aus Italien, Deutschland und Spanien.

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