Erstmals Wert von Ökosystemen beziffert
Judasprojekt" nennt die Zeit den Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte am Xingu-Fluss. "Ein Monument des Wahnsinns", nennt es auch Bischof Erwin Kräutler in Altamira - einer Stadt, die bald am Grund eines Stausees liegen wird. Für die aufstrebende brasilianische Wirtschaft hingegen ist ein Fluss, der nur fließt, Verschwendung. Eine Gefahr für die Energieversorgung von 33 Millionen Haushalten.
Für die Menschen, die am und vom Xingu-Fluss leben kommt der Bericht der UNO - der 2010 beim Naturschutzgipfel in Nagoya aufgelegt wurde - zu spät. Er trägt den Titel "Die ökonomische Bedeutung der Ökosysteme und der Biodiversität". Erstmals wird darin der wirtschaftliche Wert von Ökosystemen und Artenvielfalt beziffert, "damit "die Natur besser geschützt werden kann", meint Studienautor Josh Bishop.
Potenzial gibt es: Eine Analyse in Europa ergab, dass die Errichtung von Schutzgebieten im Amazonas 33 Euro pro Jahr und Hektar wert wäre. Die Nakivubo-Sümpfe in Uganda sind wegen ihrer Rolle für die Abwasserreinigung von Kampala 1,25 Millionen Euro wert, was sie nicht vor der Drainagierung bewahrt hat. Bishop meint dennoch, dass der klassische Naturschutz - jede Art ist gleich viel wert -, in der Wirtschaft nicht verstanden wird. Die folgenden Beispiele stammen aus dem UN-Report und aus österreichischen Studien:
Korallenriffe:
Das Riff vor der Hauptinsel von Hawaii bietet verschiedene Güter und Leistungen an, etwa Fischerei, Tourismus, ein spezielles Landschaftsbild (für Immobilien), Erholung und Brandungsschutz. Der Nettonutzen des 166.000 Hektar großen Riffs wird auf jährlich 260 Millionen Euro geschätzt. Bei einer Umfrage des amerikanischen Wetter- und Ozeanografie-Instituts NOAA haben die US-Bürger dem Ökosystem einen Wert von 24 Milliarden Euro zugeordnet.
Flüsse:
Der Wert von Feuchtgebieten weltweit wird auf 53 Milliarden Euro geschätzt. Allein durch Dammbrüche entlang March und Thaya entstanden im Jahr 2006 72 Millionen Euro Schaden. Ein Teil davon wäre durch mehr Raum für die Flüsse vermeidbar gewesen, sagt man beim Umweltdachverband. Der Fluss Mur erbringt laut einer Studie der TU Wien spezielle Dienstleistungen, die durch den Bau von Kraftwerken verloren gehen würden: Fischerei, genetische Ressourcen, Trinkwasser, Klimaregulierung, und Katastrophenschutz. In Summe: 112.605 Euro pro Jahr.
Millionenstädte:
Der letzte Stadtwald der 2,2-Millionen-Einwohner-Stadt Nagoya (Hirabari-Hain, japanisch: Satoyama) musste ausgerechnet während des Umweltgipfels einer Apartmentsiedlung weichen. Aber welche Werte wurden tatsächlich vernichtet? Für den Grüngürtel um das vergleichbar große Toronto (2,5 Mio. Einwohner) wurde eine Ökosystemleistung von 1,8 Milliarden Euro errechnet.
Wälder:
Ihre weitere Abholzung wird bis 2050 2,1 Billionen Euro kosten. Damit gehen verloren: -Speicherung, Wasserversorgung, Tourismus, Holz, Obst, Sauerstoffproduktion, Staubfilter. Für Obstbäume im Biosphärenpark Wienerwald wurde errechnet, dass ihr Wert bei 670 Euro pro Jahr und Baum liegt.
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