So kann der Welthunger gestillt werden

Es ist genug da, wenn Kleinbauern unterstützt werden und die Verbauung von Äckern gestoppt wird.

Gelingt es, bis ins Jahr 2050 rund neun Milliarden Menschen zu ernähren?

Die gute Nachricht: Die Zahl der Hungernden sinkt. In den vergangenen zehn Jahren gab sie um 100 Millionen Menschen nach, allein im Vorjahr waren es rund 37 Millionen weniger. Die ernüchternde Nachricht: Immer noch muss jeder neunte Mensch auf der Welt hungern, gelten rund zwei Milliarden als mangelernährt.

Doch wie sieht angesichts schwindender Agrarflächen, steigender Weltbevölkerung und extremer Klimaerscheinungen die Zukunft aus? Damit beschäftigten sich Agrarier, Wissenschaftler und Ernährungsexperten aus mehr als 60 Ländern beim dreitägigen Borlaug-Dialog in Des Moines, Iowa (siehe Zusatzbericht unten). Im Zentrum stand die Frage: "Können wir bis 2050 rund neun Milliarden Menschen ernähren?"

Die Antwort: Ja, wenn

... wenn die Bebauung und Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen gestoppt wird. Von 51 Milliarden Hektar Erdoberfläche werden nur rund drei Prozent landwirtschaftlich genutzt. Und diese Fläche schrumpft von Minute zu Minute um die Größe von 30 Fußballfeldern. "Nur aus dem Boden wächst unser Essen", sagt Kurt Weinberger, Präsident des internationalen Agrarversicherers AIAG und Chef der Österreichischen Hagelversicherung, im Gespräch mit dem KURIER. Weinberger, Gastredner beim Borlaug-Dialog, warnt: "In Österreich sind wir Europameister im Vernichten von Ackerland." Fast 23 Hektar gehen täglich verloren. "Wenn wir so weitermachen, gibt es hierzulande in 200 Jahren keine Ackerfläche mehr."

... wenn es gelingt, die derzeitigen Ernteerträge bis 2050 zu verdoppeln. Jährlich müssten rund 2,4 Prozent mehr Weizen, Mais, Soja und Reis geerntet werden – Raten, die derzeit nicht erreicht werden. Gentechnik ist die Lösung, propagieren die einen: Stramme Ähren, resistent gegen Krankheiten und Wetterkapriolen, könnten alle satt machen.

Stimmt nicht, sagen Gegner, warnen vor unbekannten Risiken und argumentieren, dass Gen-Saatgut in den ersten Jahren zwar Zuwächse bringe, aber schnell den Höhepunkt erreiche. Danach würden Erträge gar sinken, der Einsatz an Pestiziden aber bleibe und das kostet. In ihren Augen soll der Hunger über Aufwertung der Kleinbauern in Entwicklungsländern gestillt werden. Einigkeit herrscht darüber, dass mehr geforscht werden muss. "Auch in Österreich", so Weinberger. "Jeder redet von Energieautarkie, von Lebensmittelautarkie spricht keiner."

... wenn die Landwirtschaft nicht in zwei Welten geteilt wird. Kleinbauern in Entwicklungsländern müsse der Zugang zu Betriebsmitteln, leistbarem Saatgut, Düngemitteln, Wasser, Mikrokrediten, Know-how und Technologie gewährt werden. "In einem Cola-Automat steckt mehr Technik als auf einem Bauernhof in Entwicklungsländern", so Bram Govaerts, der in Mexiko mit Kleinbauern zusammenarbeitet. Kleine Einheiten in der Landwirtschaft müssten erhalten und gefördert werden, denn nur sie würden stabile Versorgung mit Lebensmitteln garantieren. Und diese sollten den Konsumenten möglichst vor Ort zugänglich gemacht werden. Ein Drittel der Lebensmittel heutzutage hat eine Weltreise hinter sich.

... wenn Land-Grabbing gestoppt wird. Oftmals branchenfremde Investoren kaufen in Entwicklungsländern große Ackerflächen in der Hoffnung, damit in Zukunft große Gewinne einfahren zu können, und zerstören damit die regionale Landwirtschaft. Pachtpreise steigen vielerorts derart an, dass sich eine Bewirtschaftung für Bauern kaum lohnt.

... wenn alle Agrarflächen ausreichend gegen Ernteausfälle versichert sind. Nur 38 Prozent der Felder weltweit sind versichert. Gerade in Entwicklungsländern wäre es jedoch wichtig, dass Bauern nicht durch Dürre, Regen oder andere Wetterextreme ihrer gesamten Existenzgrundlage beraubt würden. In der Folge könnten sie sich kein Saatgut mehr leisten, Felder lägen brach, die Versorgung mit Lebensmitteln würde zusammenbrechen. Um Prämien für alle leistbar zu machen, schlägt Weinberger Private Public Partnerships auch in Entwicklungsländern vor, "bei dem die Prämien bezuschusst werden".

... wenn Verschwendung und Vernichtung von genießbaren Lebensmitteln aufhört. Fast die Hälfte der weltweit produzierten Lebensmittel landet im Müll, drei Milliarden Menschen könnte man damit satt bekommen. Ein österreichischer Haushalt etwa wirft jährlich Lebensmittel im Wert von 300 Euro weg, 19 Kilo pro Kopf.

Der Welternährungspreis zeichnet seit 1986 besondere Verdienste von Personen aus, die Qualität, Quantität oder Verfügbarkeit von Lebensmitteln verbessern konnten. Ins Leben gerufen wurde er von Norman E. Borlaug, einem US-Agrarwissenschaftler. Er konnte Ernteerträge über Züchtung von Hochleistungssorten steigern und löste damit in den 1960er-Jahren die Grüne Revolution aus, die als Ende des Welthungers gefeiert wurde und dem Forscher 1970 den Friedensnobelpreis einbrachte.

Heuer ging der mit 250.000 Dollar dotierte Welternährungspreis an Sanjaya Rajaram. Der Inder entwickelte über vier Jahrzehnte durch Kreuzung von Winter- und Sommerweizen mehr als 480 Weizensorten, was zu einer jährlichen Ertragssteigerung von 200 Mio. Tonnen führte.

Der Preis wird im Zuge des Borlaug-Dialoges überreicht, einem Symposium, das sich mit Fragen der Welternährung auseinandersetzt.

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