Energiewende: "Viel weiter als die Deutschen"

APA4204334-2 - 26072011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT WI - Eine Aussenansicht des Kraftwerks Freudenau, aufgenommen am Mittwoch, 01. Juni 2011, in Wien. Heute vormittag präsentiert der Verbund seine Halbjahreszahlen. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Marc Hall, Vorstand der Wiener Stadtwerke, über Energiewende, Ökostrom und Sparprogramm.

Österreich mache einen schweren Fehler, wenn es in der Debatte um mehr erneuerbare Energien Deutschland nachahme, sagt Marc Hall, im Vorstand der Wiener Stadtwerke für den Bereich Energie zuständig. Was die wirklichen Probleme im heimischen Energiebereich sind, wo Österreich ansetzen sollte und warum Wien Energie sparen muss, erklärt er im Gespräch mit dem KURIER.

KURIER: Herr Hall, die deutschen Stromversorger erhöhten wegen der steigende Öko­stromkosten mit Jahreswechsel die Strompreise kräftig. Müssen sich die Österreicher auf Ähnliches einstellen?

Marc Hall: Nein. Wir dürfen die Debatte über die Energiewende aus Deutschland nicht einfach übernehmen. Das, was die Deutschen unter dem Titel Energiewende suchen, ist bei uns schon längst Realität. Österreich erzeugt mehr als 70 Prozent des Strom aus erneuerbaren Quellen – vor allem Wasserkraft, aber auch Wind und Biomasse. Wir sind also viel weiter als die Deutschen. Unseren hohen Anteil an Erneuerbaren wird Deutschland in Jahrzehnten nicht erreichen.

Trotzdem strebt Österreich den Ausbau der Stromerzeugung aus Wind und Sonne an. Ist das sinnvoll?

Österreich nimmt diese Last auf sich. Die Ökostromzuschläge auf den Strompreis wachsen auch bei uns, aber bei weitem weniger als in Deutschland. Wir müssen allerdings aufpassen, dass wir nicht unsinnigerweise in ineffiziente Technologien investieren. Wind- und Sonnenenergie sind keine Hightech-Produkte und nicht hoch effizient. Wenn sich dieser Ausbau in Grenzen hält, sehe ich keine preistreibenden Faktoren beim Strom.

Braucht Österreich vielleicht überhaupt keine Energiewende?

Wir müssen den Schwerpunkt auf etwas anderes legen als die Deutschen. Die Stromproduktion ist in Österreich nicht das Problem. Wir müssen auf die Raumwärme und den Verkehr schauen. Und wir müssen über Energiesparen reden.

Wie will Wien Energie die Kunden dazu bringen, weniger Energie zu verbrauchen?

Vor allem durch Beratung und Tipps zum Energiesparen. Ein neuer Gasbrenner zum Beispiel verbraucht viel weniger als ein alter. Gerätetausch kann viel beim Sparen helfen. Das Problem ist, dass das Low-Interest-Produkte sind. Neue Geräte werden normalerweise erst gekauft, wenn die alten kaputt sind. Grundsätzlich ist in Ballungszentren wie Wien viel an Energieeffizienz zu holen. Denn hier findet der große Energieverbrauch statt.

Energiewende: "Viel weiter als die Deutschen"
Marc Hall Vorstand der Wiener Stadtwerke im Interview am 21.12.2012
Wie soll die Energiewende im Verkehr aussehen. Sind Elektroautos die Lösung?

Die beste E-Mobilität ist meiner Meinung nach die leitungsgebundene: Also der Verkehr auf der Schiene. E-Autos sind nicht die Lösung für die Stadt. Autos brauchen Platz.

Zur Wien Energie. Das vergangene Geschäftsjahr 2012 ist nicht gerade gut gelaufen. Der Verlust betrug 260 Millionen Euro. Was ist da passiert?

Wir mussten die Rückstellungen für die Pensionen erhöhen. Und wir haben Kraftwerke abschreiben müssen. Zudem hat die Beteiligung am Gasgroßhändler EconGas einen Verlust eingebracht.

Wien erzeugt Strom vor allem in den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Warum rechnen sich diese Anlagen nicht?

Kraft-Wärme-Kopplungen sind eigentlich ein gutes Beispiel von hoch effizienter Energieerzeugung, die vor allem in Städten sinnvoll ist. Da wird mit Einsatz von Gas oder auch Biomasse Strom und Wärme produziert. Doch Gas ist derzeit teuer und auch der Bau von Wärmeleitungen kostet viel. Daher sind diese Anlagen derzeit nicht gewinnbringend.

Es ist eigentlich kurios: Diese effizienten Anlagen müssen europaweit auf kleiner Flamme gefahren werden und die umweltschädlichen Braunkohlekraftwerke laufen etwa in Deutschland wieder auf Hochtouren, weil Kohle so billig ist.

Muss Wien Energie ein Sparprogramm fahren?

Wir werden Kernprozesse zusammenfassen. Das steckt viel Kostensenkungspotenzial drinnen. Das heißt: Wir werden den Bereich Stromnetz und Gasnetz in Personalunion führen und betrieblich zusammenfassen. Die Bautrupps werden dann gemeinsam ausrücken. Auch die Fernwärme und die Gasbeschaffung werden zusammengelegt. Personal wird allerdings nicht abgebaut, sondern im Infrastrukturausbau der Stadt eingesetzt, wo wir dringend Mitarbeiter benötigen.

Zur Person: Energie-Experte Marc Hall

Der in Großbritannien geborene Marc Hall (54), ehemals Chef des Verbandes Sozialistischer Studenten Österreichs (VSStÖ), begann seine Karriere bei der OMV. 1995 übernahm er die Leitung des Bereichs Gas, 1997 stieg er in den Konzernvorstand auf. 2002 wechselte er zur deutschen RWE, ab 2008 leitete er die Bayerngas in München. Seit Juli 2012 ist er Energie-Chef in den Wiener Stadtwerken, die für die Energieversorgung von zwei Millionen Menschen und 230.000 Gewerbe- und Industrieanlagen zuständig sind.

Das neue Jahr wird für deutsche Stromkunden noch teuer. Ein Normalhaushalt zahlt jetzt um durchschnittlich 13 Prozent mehr für die Kilowattstunde. Und das nach kräftigen Erhöhungen in den letzten Jahren: Seit 2007 wuchs der Durchschnittspreis für Haushaltsstrom um 47 Prozent. Schuld daran war anfangs der Anstieg der Öl- und Gaspreise, zuletzt aber die Steuern und Umlagen zugunsten erneuerbarer Energien: Sie machen heute zwei Drittel des Endpreises aus.

Wie der unabhängige Energieversorger Flexstrom berechnete, zahle 2013 ein durchschnittlicher Vier-Personenhaushalt mit 3500 KwH jährlichem Verbrauch 400 Euro allein an Umlagen. 220 davon allein für die Förderung von Wind- und Solarenergie. Diese haben nach dem 2003 von Rot-Grün beschlossenen Gesetz unbegrenzten Einspeisungsvorrang ins Netz in auf 20 Jahre garantierter marktferner Höhe. Die Stromerzeugungskosten aus konventionellen Kraftwerken lagen zuletzt hingegen auf einem Mehrjahrestief, auch auf Grund der milden Winter. Insgesamt würden die Kleinverbraucher heuer 17 Milliarden Euro für die vom Staat verordnete „Energiewende“ zahlen, so Flexstrom.

Mit ihrer Mehrheit im Bundesrat hatte Rot-Grün im Dezember Anpassungen der exorbitanten Überförderung, vor allem der ineffizienten Solarstromerzeugung, abgelehnt. Der hauptzuständige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete in einem KURIER-Interview eine maßvolle Korrektur der staatlichen Fehlanreize als seine Hauptaufgabe. Reinhard Frauscher, Berlin

Von einer „Horrornacht“ spricht der Bundesverband Photovoltaic, die Abwicklungsstelle Ökostrom AG (OeMAG) von einem „enormen Andrang“. Der Run auf die Förderstelle für Photovoltaik-Anlagen war in der Neujahrsnacht derart groß, dass die Homepage vorübergehend außer Betrieb war.

Ab 0 Uhr konnten am 1. Jänner die Anträge auf Förderungen – bundesweit stehen für 2013 acht Millionen Euro bereit – eingebracht werden. Obwohl der Andrang vorhersehbar war, war die Homepage schwer überlastet. Antragsteller erhielten stundenlang nur Fehlermeldungen, beim Fax lief das Besetzt-Zeichen, ärgert sich der Fotovoltaic-Verband.

Bis 10 Uhr waren rund 10.000 Anträge in der Datenbank erfasst. Dazu kommen noch etliche Fax-Einreichungen, die zusätzlich bearbeitet werden müssen, meldet die Abwicklungsstelle. Daher sei davon auszugehen, dass die Förderkontingente für heuer „bereits ausgeschöpft sind“. Die Homepage sei deswegen überlastet gewesen, weil Antragsteller mit selbst entwickelten IT-Programmen die Eingabe automatisiert in Hundertfacher Form (sogenannte Robots) vorgenommen hätten. Es sei trotzdem zu keinem Systemabsturz gekommen.

Verbandsobmann Hans Kronberger fordert nun von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner eine Sonderlösung für 2013: „Das Windhundsystem – wer zuerst kommt, hat Vorrang – ist angesichts der technischen Möglichkeiten einiger weniger, die mit Hochleistungscomputersystemen bevorzugt sind, nicht aufrechtzuerhalten.“ Auch die OeMAG hält eine Adaptierung des Antragssystems für notwendig, um automatisierte Eingaben künftig zu verhindern.

Der Verband will jetzt auch die noch offenen Fragen über die 30 Millionen Euro an nicht ausbezahlter Investitionsförderung durch den Klimafonds klären. Verantwortlich dafür ist Landwirtschafts- und Umweltminister Niki Berlakovich.

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