Europa setzt auf Gas aus Zentralasien

Hohe Importe bereiten Sorge, EU sucht Alternativen zum Russen-Gas. Turkmenistan und Algerien in Überlegung.

Europa kauft rund ein Drittel des Erdgases, das in der EU verbraucht wird, in Russland ein. Tendenz: steigend. Doch die Gazprom, früher verlässlicher Lieferpartner, ist mit dem Konflikt Russland/Ukraine unsicher geworden. Brüssel ringt daher um neue Gaslieferquellen und stößt dabei auf Schwierigkeiten.

Denn die Gas-reichen Länder in der Kaspischen Region – Aserbaidschan, Turkmenistan – mit denen die EU schon vor Jahren über Gasbezug verhandelte, sind politische Hardliner und zudem untereinander heftig zerstritten. Eine Pipeline durch das Kaspische Meer, wie das die EU gerne hätte, lässt sich zwar am Papier verhandeln, die Umsetzung ist aber äußerst schwierig. Das hat die EU schon beim Gaspipeline-Projekt Nabucco zu spüren bekommen. Über die Nabucco sollte Gas aus dem kaspischen Raum nach Europa gebracht werden. Der Plan scheiterte Mitte 2013 nach mehr als zehn Jahren der Verhandlungen.

„Im Grunde ist es aber sinnvoll, dass die EU diese Alternative zum Russen-Gas wieder in Betracht zieht“, sagt Walter Boltz, Chef der E-Control im Gespräch mit dem KURIER. Europa müsse seine Gasbezugsquellen diversifizieren. Und die Türkei baue ja schon eine Pipeline, die von Aserbaidschan bis nach Europa gehen soll.

Stabilere Regionen

Für noch sinnvoller hält es Boltz allerdings, Gasquellen in geografisch näher liegenden Gebieten anzuzapfen. „Statt des instabilen Nahen Ostens könnte sich Europa um Gas aus Zypern, dem Schwarzen Meer und um eigenes Schiefergas kümmern“, betont er.

Zypern liefert bereits kleinere Gasmengen – allerdings nicht in die EU, sondern nach Ägypten. Auch die Gasvorkommen im Schwarzen Meer, nach denen unter anderen die OMV bohre, sollten verstärkt in eine neue EU-Gasstrategie einfließen. Eine Aufteilung des Gasbezugs der EU ändert auch die Pipeline-Pläne. Anstatt einer großen Leitung von der Türkei nach Europa könnte es mehrere kleine geben: eine durch Bulgarien, Rumänien (mit Schwarzmeer-Gas) in die EU; eine durch Serbien nach Kroatien und eine andere durch Italien.

Die Energieunion soll die engere Zusammenarbeit von EU-Staaten bei Energiefragen regeln. Am Montag will die EU-Kommission abschließend über ihre Pläne beraten. Am Mittwoch wird das Konzept vorgestellt - dazu gibt es einen 15-Punkte-Plan.

Ein Auszug der wichtigsten darin enthaltenen Punkte:

  • Neben Aserbaidschan und Turkmenistan, sollen strategische Energiepartnerschaften auch mit Algerien, Türkei, dem Nahen Osten, Afrika sowie anderen potenziellen Lieferanten geschlossen werden. Auch Norwegen, USA und Kanada spielen eine Rolle.

  • Die Energiepartnerschaft mit Moskau soll überarbeitet werden. Die Ukraine müsse Reformen am Energiemarkt umsetzen, sowie ihr Gasnetz modernisieren.

  • Bei Atomenergie wird darauf verwiesen, dass ein hohes Maß an Abhängigkeit bei der Einfuhr von Uran bestehe. Außerdem sollen für Nuklearenergie die höchsten Sicherheitsstandards garantiert werden.

  • Grenzüberschreitende Energieinfrastruktur-Projekte innerhalb der EU sollen vorangetrieben werden.

  • Staatsbeihilfen für den Energiemarkt sollen grundlegend überarbeitet werden. Schädliche Effekte von staatlichen Interventionen will man "begrenzen".

  • In Sachen Erneuerbare Energien sei mehr Koordination notwendig. Ein neuer Europäischer Elektrizitätsmarktentwurf 2015 ist geplant. Neue Ziele für nachhaltige Biomasse und Biotreibstoffe werden 2016-2017 vorgestellt.

  • Die Vision eines integrierten europaweiten Energiesystems wird ebenfalls genannt. Ziel sei eine nachhaltige, CO2-arme und klimafreundliche Wirtschaft. EU-Bürger sollen von neuen Technologien profitieren, aber gleichzeitig ihre Rechnungen bezahlen können. Die "ärmsten Konsumenten" sollen geschützt werden.

Im Gasstreit Russlands mit Kiew droht eine neue Runde. Der Chef des ukrainischen Gasversorgers Naftogas, Andrei Koboljew, rechnet den Russen vor, dass die Ukraine nicht im Rückstand mit Gas-Zahlungen sei, sondern sogar einen „Polster“ habe. 500 Millionen Kubikmeter Gas seien bereits bezahlt, aber nicht abgerufen worden. Koboljew rechnet nämlich die russischen Gaslieferungen an die Separatistenregion im Osten nicht als Ukraine-Importe.

Diese erhalten derzeit zwölf Millionen Kubikmeter pro Tag. Und für die will Kiew bis zur Wiederherstellung der Kontrolle über die Regionen auf keinen Fall zahlen. Moskau hatte die Lieferungen zwar offiziell als humanitäre Hilfe für die kriegszerstörten Regionen deklariert, und dazu sogar in rekordverdächtigem Tempo eine seit Langem nicht mehr genutzte Leitung reanimiert. Für das Gas selbst jedoch müsse Kiew „natürlich“ zahlen, betonte Gazprom-Chef Medwedew.

Kremlchef Putin, der sich dazu bei der Tagung des Nationalen Sicherheitsrates am Montag Bericht erstatten ließ, sieht das genauso und wies Medwedew zu Dienst nach Vorschrift an: Erst Geld, dann Gas.

Kommentare