Eine Super-Aufsicht für alle Banken

Ex-Kommissionschef Barroso verdient sein Geld heute u.a. als gut bezahlter Redner
Die Europäische Zentralbank soll die Kontrolle über die Banken der Eurozone übernehmen. Der Widerstand wächst.

Der Plan ist radikal: Die EU-Kommission ist fest entschlossen, Europas Banken an die Kandare zu nehmen. Alle rund 6000 Geldinstitute in den 17 Ländern der Euro-Zone sollen künftig durch eine neue, mächtige Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) kontrolliert werden. Sie soll bei Fehlentwicklungen hart durchgreifen können.

Die EZB-Aufseher sollen Bank-Bilanzen prüfen, Geldstrafen verhängen und Banken die Lizenz entziehen können. Also alles Aufgaben, die jetzt die nationalen Aufseher haben. Diese sollen laut Brüssel der EZB künftig nur noch "assistieren".

Bei der heimischen Finanzmarktaufsicht (FMA) gibt man sich nach außen hin gelassen. "Die EZB übernimmt die Verantwortung, in der Praxis werden nach unserer jetzigen Einschätzung die nationalen Behörden die Arbeit machen", sagt Sprecher Klaus Grubelnik. Doch in Bankenkreisen wird offen von "Entmachtung" und "Kompetenzbeschneidung" der FMA gesprochen.

Eingeführt werden soll die Aufsicht in drei Etappen:

Ab Jänner 2013 soll die EZB jene Banken kontrollieren, die schon Staatshilfe erhalten haben oder vom Euro-Rettungsschirm unterstützt werden. Darunter fallen alle großen Banken Österreichs (RZB, Erste Group, ÖVAG, Bawag, Hypo Alpe-Adria und Kommunalkredit).

Ab Juli 2013 sollen alle großen und systemrelevanten Bankinstitute der Eurozone in die Kontrolle übernommen werden.

Ab Jänner 2014 soll die Bankenaufsicht alle 6000 Geldinstitute kontrollieren.

Brüssel hat für seine Pläne ein gewichtiges Argument: Die EU-Staaten haben von Oktober 2008 bis Oktober 2011 4,5 Billionen Euro aufbringen müssen, um Krisenbanken zu stützen. Damit soll in Zukunft Schluss sein. Dies betonten sowohl Kommissionspräsident José Manuel Barroso gestern, Mittwoch, als auch Binnenmarktkommissar Michel Barnier bei der Präsentation der Bankenpläne. Barroso: "Dies ist der erste Schritt zu einer Bankenunion."

Doch sie hatten ihre Vorschläge noch kaum offiziell präsentiert – die Pläne müssen erst von den 17 Euro-Regierungen gebilligt werden, um in Kraft treten zu können –, da hagelte es schon Widerstand seitens der Politik (z. B. Deutschands Angela Merkel) und vieler Institute: Der Sparkassenverband etwa sieht eine "überschießende und die EZB überfordernde Maßnahme". Es fehle an praktischer Aufsichtserfahrung und an geeignetem Personal. Die deutschen Sparkassen überlegen sogar eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Branchenvertreter in der WKÖ sprechen von einem neuerlichen Stresstest für Banken, die RZB fürchtet teure Parallelstrukturen.

Nur Bank Austria-Boss Willi Cernko sieht darin einen wichtigen Schritt, der die Bankenaufsicht einheitlicher, schlagkräftiger und damit das Gesamtsystem sicherer machen werde. "Viele kleine Banken sind so risikoreich wie eine Großbank."

Von der Bankenaufsicht zum "Staatenbund Europa"?

Die einheitliche Aufsicht soll nur der erste Schritt hin zu einer Bankenunion sein. Auch ein Rettungsfonds für angeschlagene Institute und eine gemeinsame europäische Einlagensicherung wären Barrosos Wunsch. Letztere findet sich nun aber nicht mehr im Papier. "Wir werden die bestehenden nationalen Einlagenfonds nicht vereinheitlichen, solange es in einigen Ländern diese Fonds nicht gibt", sagte Barnier.

Letztlich, so machte Barroso klar, soll die Bankenunion nur eine Etappe auf dem Weg zu einem "Staatenbund der Nationalstaaten" sein: "Ich fordere heute eine Föderation der Nationalstaaten, keinen Superstaat." Pläne für Änderungen des erst Ende 2009 in Kraft getretenen EU-Vertrages von Lissabon will er noch vor den Europa-Wahlen 2014 vorlegen.

Barroso muss aber achtgeben, dass die Kluft der 17 Euro-Länder zu den restlichen zehn EU-Staaten nicht noch größer wird. Die EU-Vertreter dieser zehn Länder trafen sich bereits am Montag in Brüssel, denn auch sie sind betroffen: Die EU-Aufseher könnten, so die Pläne, optional auch Banken in Nicht-Euro-Staaten prüfen.

Drohende EU-Kluft

Die zehn Nicht-Euro-Staaten sind in der Zwickmühle: Einerseits haben sie ein Vetorecht im EU-Rat, in dem Einstimmigkeit auch für die Bankenpläne erforderlich ist. Andererseits haben sie im Aufsichts-Gremium der EZB nichts zu sagen – und fordern deshalb zumindest Beobachterstatus. Ein osteuropäischer EU-Diplomat begründet die drohende Kluft so: "Wenn es dann die Wahl gibt zwischen einer österreichischen und einer rumänischen Bank: Wohin wird die Großmutter wohl ihr Geld tragen?"

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