Ein Tango Richtung Abgrund

Einkaufen wird zur Herausforderung – das Plakat zeigt Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner mit Papst Franziskus.
Nach der unbewältigten Riesenpleite 2001 steckt das Land wieder in einer tiefen Krise.

Tropische Hitze im Norden, eisige Kälte in Patagonien im Süden: Argentinien ist ein Land der Extreme. Auch die Stimmung der Wirtschaft schwankt ständig zwischen Euphorie und Agonie.

Jetzt steht das Land wieder einmal am Abgrund: Argentiniens Regierung hat das Vertrauen der Bürger verspielt, weil sie die galoppierende Inflation nicht in den Griff bekommt. Dass die offizielle Teuerungsrate von 10,5 Prozent stimmt, glaubt kein Mensch; Analysten, die andere Schätzungen bekannt gaben, drohten bis vor Kurzem heftige Geldstrafen. Realistischer ist, dass die Preise um 25 bis 30 Prozent pro Jahr steigen. Das macht das Leben schwer: Die Gewerkschaften wollen Lohnabschlüsse nur noch für drei Monate statt für ein ganzes Jahr verhandeln.

Kapitalflucht in Dollar

Die Landeswährung Peso verliert rasant an Kaufkraft. Wer kann, flüchtet in US-Dollar. Oder versucht, sein Geld loszuwerden: Luxusautos erlebten 2013 einen Absatzboom. Händler in Buenos Aires stehen vor einem Dilemma: Welchen Preis sollen sie angeben? Auf dem Schwarzmarkt legt man bis zu 13 Pesos für einen Dollar hin. Nach offiziellem Wechselkurs wären es nur 8 Pesos.

Außer Verboten und hohen Steuern fiel der Regierung dagegen wenig ein. Seit Oktober 2011 sind Dollar-Käufe und Sparkonten in Fremdwährung verboten. Vergangene Woche wurden Online-Einkäufe mit bis zu 50 Prozent Steuer belegt. Das alles konnte den Devisenabfluss aber nicht stoppen. Nur massive Interventionen der Notenbank verhinderten den Peso-Absturz. Doch jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht: Die Feuerkraft der Notenbank schwindet, die Währungsreserven wären bald aufgebraucht. Der Peso hat binnen einer Woche gegenüber dem Dollar 14,5 Prozent an Wert eingebüßt.

Am Montag musste die Regierung Dollarkäufe wieder erlauben. Sie öffnete das Ventil aber nur ein kleines Stück: Je nach Einkommenshöhe dürfen Argentinier bis zu 2000 Dollar pro Monat erwerben. Wer das Geld innerhalb von 12 Monaten ausgibt, muss allerdings 20 Prozent Steuer abführen. Landeskenner haben Zweifel, ob das die Währungskrise beendet.

Wirtschaftsminister Axel Kicillof hatte einen „spekulativen Angriff“ des Ölkonzerns Shell für die Probleme verantwortlich gemacht. Dieser wies die Vorwürfe zurück: Die Zentralbank habe gewusst, dass Shell Dollarkäufe tätigen müsse, sagte Shells Argentinien-Chef.

Mega-Pleite 2001

Die auf Konfrontation ausgerichtete linkspopulistische Politik stößt nun an ihre Grenzen. Cristina Fernández de Kirchner, seit 2007 Präsidentin, lässt penibel alle Geschäfte regeln, die internationale Konzerne machen dürfen. 2012 wurde die spanische Repsol genötigt, ihre Mehrheit an der Erdölfirma YPF an den Staat abzutreten.

Seinen 100-Milliarden-Dollar-Bankrott von 2001 (die größte Staatspleite vor Griechenland) hat Argentinien noch immer nicht verdaut. Das Land erhält keine neuen Kredite, solange es sich mit den Gläubigern nicht über die Rückzahlung offener Schulden einigt. Zudem müsste Fernández de Kirchner für Kontrollen den Internationalen Währungsfonds ins Land lassen – was sie strikt ablehnt.

Der Mix an Nachrichten und Ängsten ist bitter. Enttäuschende Konjunkturdaten aus Schwellenländern, allen voran China, schüren die Furcht, die Weltwirtschaft könnte auf ihrem Erholungskurs außer Tritt geraten. Der Absturz des argentinischen Peso erinnert an vergangene Währungskrisen in Südostasien und Lateinamerika. Dazu kommt noch die Befürchtung vor einer deutlichen Straffung der Geldpolitik in den USA. In diesem Umfeld ziehen sich Investoren aus riskanteren Veranlagungen lieber zurück. Die Konsequenz: Auch am Montag standen etliche Börsen und Währungen von Schwellenländern schwer unter Druck. Ob philippinischer Peso, malaysischer Ringgit, russischer Rubel oder südafrikanischer Rand – sie alle fielen auf den tiefsten Stand seit mehreren Jahren zurück.

Ein Tango Richtung Abgrund
Währungen
Die türkische Lira erreichte am Vormittag ein neues Rekordtief. Für einen Euro mussten bereits mehr als 3,27 Lira bezahlt werden. Dann ging es mit der türkischen Währung allerdings wieder nach oben. Der Hintergrund: Es wurde bekannt, dass die türkische Zentralbank für heute, Dienstag, überraschend eine Sondersitzung einberufen hatte. Das wurde umgehend als Signal dafür gewertet, dass die Zentralbank den Leitzinssatz von derzeit 4,5 Prozent massiv in die Höhe setzen wird, um die Attraktivität der Lira zu erhöhen. Fällt der erwartete Zinsschritt allerdings zu klein aus, werde es zu einem Ausverkauf türkischer Papiere kommen, meinen Analysten. Das wäre ein schwerer Schlag für die Türkei, die ohnehin chronisch unter einem hohen Leistungsbilanzdefizit leidet und von ausländischen Investitionen abhängt.

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