Maria Schaumayer gestorben

Erste Chefin einer europäischen Notenbank: Die Wirtschaftswissenschaftlerin war von 1990 bis 1995 österreichische Nationalbankpräsidentin
Die gebürtige Grazerin war die erste Frau an der Spitze der Nationalbank.

Die ehemalige Nationalbankpräsidentin Maria Schaumayer ist tot. Sie war eine der erstaunlichsten Österreicherinnen der Zweiten Republik. Unerschrocken, uneitel, im Kern bescheiden, mit trockenem Humor und universell einsetzbar. Eine glühende Europäerin. Sie hätte durchaus das Potenzial für einen Spitzenjob in der Politik gehabt.

Wirtschaftswissen

Statt Lehrerin zu werden, wie ursprünglich geplant, studierte sie Welthandel und begann ihre Karriere in der Creditanstalt – zu einer Zeit, in der man Frauen und Wirtschaft eher nur mit Hauswirtschaft verband. Es folgten Stationen bei der ÖVP in der Wiener Stadtpolitik, im Vorstand der Kommunalkredit und als Finanzvorstand der OMV.

1990 wurde die gebürtige Grazerin zur ersten Präsidentin einer Notenbank bestellt. Und machte nicht nur mit ihrem Know-how Furore, sondern auch mit ihrer herben, unverblümten Art. Dennoch blieb sie immer eine bürgerliche Wiener Dame: die Haare stets präzise onduliert, die Kostüme mit Vorliebe kariert. In ihre Amtszeit fielen der EU-Beitritt und die ersten Schritte zur Währungsunion. Bei den Beitrittsverhandlungen war Schaumayer bei Journalisten überaus beliebt. Denn sie war offen im Gespräch, antwortete auf alle Fragen, redete nie um den heißen Brei herum. Für Brüssel ein absolutes Novum.

Verhandlungsgeschick

Auf eine zweite Amtszeit in der Nationalbank verzichtete Schaumayer. Danach wurde die von allen Parteien Respektierte vom damaligen ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gebeten, ehrenamtlich die Entschädigungsverhandlungen für Tausende NS-Zwangsarbeiter zu führen.

Wieder glänzte sie mit Verhandlungsgeschick und erreichte zahlreiche bilaterale Abkommen. Ihr pädagogisches Talent, das sie nicht in ein Lehramt einbringen konnte, sei ihr in allen Funktionen zugute gekommen, meinte sie später augenzwinkernd in einem Interview.

Internationale Verhandlungspartner erzählen noch anderes: zum Beispiel, dass sie durchaus gefürchtet war. Sie kam, knallte ihre Kroko-Tasche auf den Tisch, blickte entschlossen in die Männerrunde. Wenn sie etwas wollte, setzte sie es durch, erinnert sich ein amerikanischer Gesprächspartner. Selbst mit guten Argumenten hatte man kaum eine Chance gegen Schaumayer. Widerrede ließ sie nicht zu und verblüffte alle mit ihrem Faktenwissen. Sie war klug, sprach frei, druckreif und mit dunkler Stimme, hatte immer alles im Kopf gespeichert. Dicke Aktenmappen sah man an ihr nie, in ihre quadratische Handtasche passten nur Zigaretten. Denn eines war klar: Wo immer sie hinkam, sie erklärte jeden Raum zur Raucherzone. Legendär auch ihre Leidenschaft fürs Bridge-Spielen.

2012 griff die ÖVP noch einmal auf ihre „eiserne Reserve“ Maria Schaumayer zurück: ÖVP-Chef Michael Spindelegger berief sie in seinen „Ethikrat“ für eine bessere politische Kultur.

Frauenförderung

Die Gründung einer Familie ging sich bei all diesen Verpflichtungen nie aus, was sie ausdrücklich nicht bedauerte. Ihre Kraft schöpfte sie aus ihrem Freundeskreis. Sie war, was man heute einen selbstbewussten Single nennen würde.

Als Ikone der Frauenbewegung, die sie hätte sein können, sah sie sich dennoch nicht. Auch mit Akzeptanzproblemen in der Männerwelt, die sie meist umgab, kämpfte sie nach eigenem Bekunden nie. Quotenregelung? Das empfand sie als unwürdig. Im Alter gründete die Umtriebige die Maria Schaumayer-Stiftung zur aktiven Förderung von Frauen in Politik und Wirtschaft. An Geld lag ihr persönlich wenig, Soziales damit zu schaffen, schien ihr höchst sinnvoll. Schaumayer starb Mittwochmorgen mit 81 Jahren unerwartet. Das Rauchen hatte sie erst kürzlich aufgegeben.

„Als Wirtschaftswissenschafterin, als Führungskraft in bedeutenden österreichischen Unternehmen, als Wiener Kommunalpolitikerin sowie als Präsidentin der Oesterreichischen Nationalbank hat Dr. Maria Schaumayer das wirtschaftliche und politische Leben unseres Landes entscheidend mitgeprägt“, sagte Bundespräsident Heinz Fischer und ergänzte: „Schaumayer zählte zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des politischen und wirtschaftlichen Lebens der Republik Österreich.“

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) strich Schaumayers Rolle als Präsidenten der Oesterreichischen Nationalbank in der Zeit vor der Euro-Einführung hervor, die sie „mit großer Umsicht und Kompetenz ausgefüllt“ habe.

Besonders viele Trauerbekundungen gab es aus der ÖVP. Parteiobmann, Vizekanzler Michael Spindelegger sagte, Österreich verliere „eine engagierte, herausragende und international anerkannte Persönlichkeit, die es stets verstanden hat, über Parteigrenzen hinweg im Sinne Österreichs zu arbeiten.“ Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl bezeichnet Schaumayer als „Große Österreicherin“, deren „politisches Leben ganz ihrem Heimatland gewidmet war“. ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter sprach von einem „großen Verlust für die Wirtschafts- und Finanzwelt“.

Kurz nach Angelobung der schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 gelang dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) ein Glücksgriff: Er gewann Maria Schaumayer als Hauptverhandlerin der Entschädigungszahlungen für Zwangsarbeiter aus der NS-Zeit.

Österreich war 1998 zum ersten Mal mit einer Sammelklage aus den USA konfrontiert worden, mit weiteren Klagen war zu rechnen. Es ging vor allem um Russen, Ukrainer, Polen, Weißrussen und Tschechen, die Entschädigungsansprüche geltend machten und sich an US-Anwälte gewendet hatten. Um die Klagen abzuwenden, kam es zu Verhandlungen mit den USA, die dort der Staatssekretär im Außenamt, Stuart Eizenstat, führte.

Geprägt

Botschafter Hans Winkler, der die Task-force rund um Schaumayer leitete, erinnert sich: „Sie hat mit ihrer Persönlichkeit die Verhandlungen entscheidend geprägt. In einer nicht besonders einfachen Zeit hat sie das Eis gebrochen.“ Eizenstat habe Schaumayer verehrt. Es sei ihr hohe Glaubwürdigkeit attestiert worden, weil sie aus der selben Generation wie die Betroffenen stammte; und sie habe sich an das Elend der Betroffenen, das sie selbst als junges Mädchen in ihrem steirischen Heimatort miterlebt habe, erinnert.

In Österreich gelang es Schaumayer dank ihrer Wirtschaftskompetenz, die Betriebe dazu zu gewinnen, sich an den Entschädigungszahlungen zu beteiligen. Bei der Schätzung, wie hoch ein Fonds dotiert werden müsse, habe sie sogar die eigenen Reihen überrascht als sie im ORF-Fernsehen eine laut Winkler „relativ komfortable Summe“ nannte, die eine gute Ausgangsbasis für die Verhandlungen gab.

Am Ende standen, paktiert mit den USA, rund 440 Millionen Euro zur Verfügung. Zeithistoriker Oliver Rathkolb: „Hätte man eine ideale Verhandlerin klonen müssen, so wäre sie das gewesen. Sie hat sich auch hier ein Denkmal gesetzt.“

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