E-Control: Nein zu Schiefergas "dumm"

E-Control: Nein zu Schiefergas "dumm"
Die USA profitieren doppelt vom Schiefergas-Boom. Europa sollte deshalb nicht per se "Nein" sagen, konstatiert E-Control-Chef Walter Boltz.

Angetrieben vom chinesischen Wirtschaftsmotor blies die weltweite Staatengemeinschaft im Vorjahr so viel klimaschädliches in die Atmosphäre wie nie zuvor. Die USA, globaler Klimasünder Nummer 2, verringerten 2011 allerdings ihre Treibhausgas-Emissionen um fast zwei Prozent. Nicht, weil erneuerbare Energien im Übermaß forciert wurden sondern, weil die USA auf Gas setzen. Konkret sogenanntes Schiefergas, das die noch weitaus klimaschädlichere Kohle als Brennstoff in der Stromerzeugung sukzessive ersetzt.

Schiefergas ist in porösen Gesteinsschichten gebundenes Gas, das mit einer speziellen – aus Umweltsicht mitunter fragwürdigen – Methode ("Fracking") aus dem Gestein gefördert werden muss (siehe Artikelende).

"Die USA schaffen mit billigem Gas ihre Klimaziele und in Europa fördern wir mit massivem Aufwand die Erneuerbaren", ärgert sich Walter Boltz, Chef der heimischen Energieregulierungsbehörde E-Control. Doppelt bitter: Weil das Ölpreis-indexierte Russengas teuer sei, wurden in Europa zuletzt vor allem billige, aber dreckige, Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung angeworfen.

Wettbewerb

Schiefergas in den USA, das dort seit fünf Jahren im großen Maßstab abgebaut wird, koste teilweise nur ein Viertel des Preises, der in Europa für Gas bezahlt werden muss, sagt Boltz. Damit verschaffe sich die US-Wirtschaft einen massiven Vorteil im globalen Standortwettbewerb. Neuesten Schätzungen zufolge würden die Schiefergasreserven in den USA noch 150 Jahre reichen.

Deshalb sei es von Europa, Polen ausgenommen, "extrem dumm", die Schiefergasförderung nicht einmal zu versuchen, sagt Boltz. Frankreich beispielsweise hat die Schiefergasförderung verboten. In Österreich wird derzeit eine Ausweitung der UVP-Pflicht auch für Probebohrungen vorbereitet. "Dumm", kann sich Boltz nur wiederholen.

Das von der OMV entdeckte heimische Schiefergasvorkommen würde ausreichen, Österreich rund 30 Jahre mit Gas zu versorgen.

"Sandrausch" in den USA

Gold war gestern. Heute wird in den USA nach Sand gesucht. Die US-Onlinezeitung Huffington Postspricht von einem "modernen Goldrausch", ausgelöst durch den Schiefergasboom in Nordamerika.

Aber der Reihe nach. Um an das begehrte Schiefergas zu kommen, müssen tief im Untergrund Gesteinsformationen mit großem Druck aufgebrochen werden ("Fracking"). Damit sich die entstandenen Risse, aus denen das Gas entweichen kann, nicht wieder schließen, wird eine Mischung aus Wasser, Chemikalien und – richtig – Sand als Füllmaterial in den Boden gepresst.

Die US-Schiefergasförderung hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das Sand zu einem knappen Gut werden lässt. Seit 2007 hat sich die für Fracking verwendete Sandmenge verfünffacht. Das lässt auch die Preise nach oben schnellen – die Sandförderbranche, die sich hauptsächlich im Mittleren Westen der USA befindet, verdient sich ein goldenes Näschen. Um sich preislich abzusichern, gehen die Gasförder-Unternehmen zunehmend dazu über, sich eigene Sandvorkommen zu sichern. Millionen werden investiert.

Auf den ersten Blick profitieren die strukturschwachen Gemeinden in Wisconsin oder Minnesota vom Sandrausch, Jobs werden geschaffen. Neben dem zunehmenden Schwerverkehr wird aber auch Kritik laut, die vor der Luftverschmutzung durch den bei der Sandförderung aufgewirbelten krebserregenden Quarzsandstaub warnt.

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Hintergrund

Kommentare