Dritte Piste: Leitbetriebe fürchten um Investitionen

Dritte Piste: Heimische Industrie schwer verunsichert
Umfrage – mehr als 90 Prozent sehen Österreichs Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.

Die überraschende und umstrittene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gegen den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien hat die heimische Industrie tief verunsichert. Die Unternehmen befürchten, dass sie in den nächsten Jahren große Investitionen bei den Behörden nicht mehr durchbringen können.

Eine Umfrage der Industriellenvereinigung (IV) unter 108 der insgesamt 270 international tätigen Leitbetrieben über die Konsequenzen der Entscheidung brachte alarmierende Ergebnisse. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen sehen die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich mittel- bis langfristig gefährdet (siehe Grafik).

Dritte Piste: Leitbetriebe fürchten um Investitionen
Grafik
Nicht nur, weil der Flughafen nicht weiter ausgebaut werden kann. Sondern weil das Urteil eine Präjudizwirkung auf andere Infrastruktur- und Industrieprojekte in Österreich hat – so die Meinung der Leitbetriebe. Das wiederum vergrößere die Unsicherheit bei der Planung von Investitionen.

Die Verwaltungsrichter, die als zweite Instanz bei Behördenverfahren fungieren, haben in ihrem Erkenntnis bekanntlich dem Klimaschutz und dem Bodenverbrauch oberste Priorität eingeräumt.

"Die Unternehmen befürchten, dass sich diese Argumente auf die Verfahren durchschlagen könnten", schildert Peter Koren, Vize-Generalsekretär der IV, die Stimmung in den Betrieben. Denn die Beamten in den ersten Instanzen – Bezirkshauptmannschaften, Landesregierungen – "mögen es nicht, wenn ihre Bescheide aufgehoben werden und orientieren sich am Bundesverwaltungsgericht".

Konjunktur-Bremse

Die enorme Verunsicherung bei Investitionen könnte zu einem Konjunkturhemmnis werden. Befragt zu ihren eigenen Plänen, zählten 29 der Leitbetriebe ganz konkrete Projekte auf, die in den kommenden drei Jahren durch die Entscheidung gegen die Flughafen-Piste negativ beeinflusst werden können.

Das Gesamtvolumen dieser Investitionen summiert sich auf 4,3 Milliarden Euro. Davon könnte der Standort Österreich in den kommenden drei Jahren 1,63 Milliarden Euro verlieren. Das betrifft freilich nur 29 Unternehmen, in Summe dürfte der Investitionsverlust wesentlich größer sein.

Eine Reduzierung von Investitionen in dieser Größenordnung hätte einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden. Auf drei Jahre wären davon rund 17.500 Jahres-Beschäftigungsverhältnisse betroffen, errechnete Herwig Schneider, Chef des Industriewissenschaftlichen Instituts, das die Befragung im März durchführte. 1,3 Milliarden Euro würden der heimischen Wirtschaft an Wertschöpfung entgehen. Der Fiskus und die Sozialversicherung würden mehr als 400 Millionen an Steuern und Abgaben verlieren.

Manche Unternehmen wollen laut Umfrage überhaupt solange warten, bis sie Rechtssicherheit haben. Das kann allerdings dauern. Eine höchstgerichtliche Letztentscheidung über das Großprojekt am Flughafen ist nicht vor vier, fünf Jahren zu erwarten.

Drei Viertel der Leitbetriebe befürchten außerdem eine Verlangsamung der Exportdynamik wegen der Luftfracht. Und Führungskräfte rechnen mit einer Einschränkung ihrer Mobilität im täglichen Business.

Infrastruktur-Minister Jörg Leichtfried, SPÖ, will bis 2020 rund 30,6 Milliarden Euro in Schiene, Straße, das Breitbandnetz und in die Forschung investieren, um Österreich "fit für die Zukunft" zu machen. "Diese Investitionen sind durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ernsthaft in Frage gestellt", meint Koren.

Geschäftsführer der Zementwerk Leube GmbH (Bild) , ist derzeit einigermaßen ratlos. Neben dem Werk am Standort im salzburgischen St. Leonhard, direkt an der deutschen Grenze, ist der Bau einer DeNox-Anlage geplant. Die Abluft aus dem Zementwerk würde nochmals auf 850 Grad erhitzt und damit alle Rückstände vernichtet. Das traditionelle Familienunternehmen ist bereit, sich diese Umweltschutz-Investition acht bis zehn Millionen Euro kosten zu lassen. Das Projekt steht kurz vor der Behörden-Einreichung.

Die Anlage braucht freilich Brennstoff und ist damit -wirksam. Außerdem müssten rund 10.000 Grünland umgewidmet werden.

Zrost befürchtet nach der Entscheidung gegen die dritte Flughafen-Piste, „dass die lokalen Behörden das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts als Benchmark nehmen“. Beamte, schätzt Zrost, „setzen auf Nummer sicher und werden auf das BVwG-Urteil wohl eher eingehen“.

Das Unternehmen werde das Projekt zwar einreichen, „aber ich habe echt Angst, dass es wegen des Flughafen-Urteils abgelehnt wird“. Sollte dies tatsächlich passieren, „weiß ich nicht, was wir dann tun. Wir waren noch nie in einer derartigen Situation“. Als Unternehmen, argumentiert Zrost, „haben wir derzeit keine Rechtssicherheit“.
Die Baustoffgruppe Leu könne das Zementwerk „ja nicht ins Ausland verlagern“. Das Bewusstsein für den Umweltschutz werde immer stärker und „wir haben das Ziel, das umweltfreundlichste Werk zu werden“. Man stehe aber direkt im Wettbewerb mit Deutschland, „und die deutschen Mitbewerber haben das Problem nicht“.

Kommentare