Stadler: "Frauen sollten sich mehr zutrauen"

Donau-Chefin Elisabeth Stadler: Sieht in der Unfallversicherung noch Potenzial.
Die neue Chefin der Donau Versicherung über ihre Strategie, Produkte und Frauen-Karrieren.

KURIER: Sie haben bereits einige große Versicherer kennengelernt. Wie unterschiedlich sind die Unternehmenskulturen?

Elisabeth Stadler: Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen österreichischen Unternehmen und jenen mit einer ausländischen Mutter. Dort sind die Vorgaben stringenter. Reporting ist extrem wichtig und soll einheitlich sein. Vieles wird von den Mutterländern bestimmt. Lokale Gegebenheiten können nicht immer berücksichtigt werden. Bei heimischen Unternehmen herrscht die österreichische Mentalität vor.

Ist diese österreichische Mentalität nicht ein bissl leger?

Nein, aber wir haben eine bestimmte Art, uns im Wirtschaftsleben zu betätigen. Wir gehen mehr auf die jeweiligen Gegebenheiten und Personen ein. Darum sind Österreicher in Osteuropa wesentlich erfolgreicher als Unternehmen, die von Deutschland oder Frankreich aus gesteuert werden. Vor allem im Vertrieb ist es besonders wichtig, ein Land und seine Eigenheiten zu kennen und darauf einzugehen.

Apropos regionale Eigenheiten. Das Kfz-Geschäft der Donau in Süditalien ist sanierungsbedürftig. Wie weit sind Sie da?

Die Restrukturierung läuft voll. Wir haben sehr strenge Annahmerichtlinien eingeführt, damit wir unsere Risiken minimieren, haben unser Geschäftsvolumen sehr deutlich reduziert und setzen Spezialisten ein, um unberechtigte Schadensforderungen abzuwehren. Wir haben uns auch von vielen unrentablen Agenturen getrennt. Ich gehe davon aus, dass wir 2016 vernünftige Ergebnisse sehen.

Nach Österreich. Was haben Sie mit der Donau vor?

Wir sind ein neues Vorstandsteam und entwickeln gerade einen Aktionsplan und eine Strategie für die nächsten Jahre. Ich will eine klare Strategie und ein Leitbild definieren. Damit alle wissen, wofür die Donau steht. Das gilt für Mitarbeiter, Partner und Kunden. Die Kunden sollen klar erkennen, welche Vorteile sie haben, bei uns versichert zu sein.

Schon klar, dass Sie Ihre Strategie nicht vorzeitig verraten wollen. Aber können Sie in etwa die Richtung skizzieren?

Die Donau ist sehr bekannt und hat eine hohe Kundenzufriedenheit. Die Mitarbeiter identifizieren sich sehr mit dem Unternehmen. Das möchte ich ausbauen. An der starken Regionalpräsenz will ich festhalten. Die Positiva mitnehmen und neue, moderne Elemente einbringen. Das umfasst neue Produkte, die Ansprache neuer Kundengruppen und Serviceverbesserungen.

Die Donau ist sehr stark in der Sach-Versicherung. Wie schwierig ist das Geschäft derzeit?

Das Versicherungsgeschäft ist derzeit generell nicht einfach. Wir spüren natürlich die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Schwierigkeiten unserer Unternehmens- und Privatkunden. Gerade in der Sachversicherung ist der Privatkunden-Markt in Österreich gesättigt. Jeder hat sein Haus und sein Auto versichert. Da ist das Potenzial für Neukunden eher gering.

Gibt es noch Potenzial bei Produkten?

Ja, zum Beispiel in der Unfallversicherung. Leider ist vielen Österreichern nicht bewusst, wie gering die Absicherung bei Freizeitunfällen ist. Auch in der Gewerbeversicherung gibt es noch Potenzial, besonders bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. 92 Prozent der KMUs haben weniger als neun Mitarbeiter. Von den jährlich 30.000 Neugründungen sind 57 Prozent Ein-Personen-Unternehmen. Vor allem die KMUs sind nicht ausreichend abgesichert.

Welche Risiken meinen Sie?

Haftpflicht, Betriebsunterbrechung, Berufsunfähigkeit. Bei längerem Ausfall ist speziell für Ein-Personen-Unternehmen das Konkursrisiko hoch.

Wie groß ist der Frauen-Anteil in der Versicherungswirtschaft?

Insgesamt 50 Prozent. In der Verwaltung sind es 60 bis 70 Prozent, im Vertrieb weniger. Doch gerade im Vertrieb sind Frauen langfristig erfolgreicher, weil sie kontinuierlicher arbeiten als Männer.

Und warum sind Sie dann in Österreich die einzige Frau an der Spitze einer Versicherung?

Der Weg hinauf ist wie das Erklimmen einer Pyramide. Auf den unteren Ebenen gibt es schon sehr viele weibliche Führungskräfte, obwohl die Branche auch bei den Bereichsleitern noch weit entfernt ist von 50 : 50. Je weiter oben, desto weniger Frauen. Wir müssen daran arbeiten, dass unten deutlich mehr Frauen nachkommen. Und wir können noch so viel diskutieren: Genau wenn die Karriere beginnt, gehen viele Frauen in Karenz.

Was raten Sie Frauen, um auf der Karriere-Leiter rascher hinauf zu kommen?

Ich kann Frauen nur aufrufen, sich bitte mehr zuzutrauen. Eine Frau bewirbt sich nur für eine Position, wenn sie hundertprozentig überzeugt ist, dass sie diese hundertprozentig erfüllt. Während sich ein Mann schon bei deutlich unter 50 Prozent bewirbt und das mit Selbstsicherheit kompensiert. Also mehr Selbstsicherheit und auch ein bisschen mehr Frechheit. Von sich selbst und seiner Leistung überzeugt sein.

Wie sehr fördert die Donau Versicherung Frauen?

Wir nehmen am Programm "Audit berufundfamilie" des Familienministeriums teil und sind zertifiziert. Wir bieten sehr flexible Gleitzeitmodelle und Heimarbeitsplätze und haben gemeinsam mit der Wiener Städtischen einen Betriebskindergarten. Im Außendienst versuchen wir, Frauen zu fördern und haben derzeit eine Bewerbungskampagne laufen. Die Arbeitszeiten sind im Außendienst für Frauen mit Nachwuchs gut kombinierbar.

Aber im Außendienst fallen doch Abendtermine bei Kunden an. Wie ist das mit Kindern vereinbar?

Dann ist der Partner zu Hause und passt auf die Kinder auf.

Tatsächlich?

Die modernen Männer tun das doch, oder? Sie behaupten es zumindest.

Karriere Nach dem Studium der Versicherungsmathematik Einstieg bei der UNIQA. 2003 rückte sie in den Vorstand auf, zwei Jahre später auch in den Vorstand der Tochter Raiffeisen Versicherung. 2009 wechselte sie als Chefin zur Ergo Austria International. Seit 1. September 2014 Generaldirektorin der zum VIG-Konzern gehörenden Donau.

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