Die US-Mittelschicht ist auf der Verliererstraße

Die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen ist in den USA höher als in irgendeinem der anderen westlichen Industriestaaten.
Jahrzehntelang war die Mittelschicht der USA die wohlhabendste der Welt - die Zeiten sind vorbei.

Die Wirtschaft der USA ist eine der potentesten der Welt, das Wachstum ist in vielen Jahren höher als jenes in den meisten anderen Industrieländern. Doch von dieser wirtschaftlichen Stärke profitieren nur wenige US-Bürger - eine schmale Oberschicht wird immer reicher. Die Mittelschicht, über Jahrzehnte die wohlhabendste in der Welt, rutschte in den vergangenen zehn Jahren hingegen deutlich ab. Wie aus eine Analyse der Daten der Luxemburger Einkommensstudie durch die Ökonomen der New York Times hervorgeht, hat die Mittelklasse von Kanada die USA inzwischen überholt. Die Studie vergleicht die Nettoeinkommen einer Reihe von Industriestaaten über einen Zeitraum von 35 Jahren. In der Einkommensskala besonders stark verloren haben die Ärmsten in den USA. In den 1960er Jahren noch war die amerikanische Unterschicht viel besser dran als jene in Kanada, Schweden, Finnland oder in den Niederlanden. Jetzt ist es umgekehrt.

Überraschend ist diese Entwicklung in den USA, weil das Pro-Kopf-Einkommen - das ist die am häufigsten verwendete Zahl zur Messung des Wohlstands eines Landes – stark gestiegen ist. Diese Zahl aber gibt einen Durchschnitt über alle US-Bürger an und sagt nichts über die Verteilung der Einkommen aus. Das heißt: Ein großer Teil dieser Einkommenszuwächse fließt den reichsten Amerikanern zu.

Die Gründe

Drei Gründe hat die New York Times für diese Entwicklung aus der Studie herauskristallisiert:

Erstens: Das Bildungssystem in den USA hat sich deutlich verschlechtert. Die heute 55- bis 65-jährigen Amerikanern seien altersgleichen Europäern in sprachlichen, mathematischen und technischen Fähigkeiten überlegen, die Jungen aber nicht mehr. In punkto Bildung seien die Australier, Japaner, Skandinavier und Kanadier den jungen Amerikanern überlegen.

Zweitens: Spitzenverdiener. US-Konzerne würden Top-Manager wesentlich besser bezahlen als die unteren und mittleren Einkommensschichten. Das liege unter anderem an den schwachen Gewerkschaften in den USA.

Drittens: Die Steuerpolitik. Die Regierungen in Westeuropa und Kanada versuchten, durch Steuerpolitik die mittleren und unteren Einkommen zu stärken. Die Reichen in den USA zahlen wesentlich weniger Steuern als in den anderen Industrieländern. Die Folge: die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen ist in den USA höher als in irgendeinem der anderen westlichen Industriestaaten.

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