Die Österreicher sind Angstsparer

Ewald Nowotny, Gouverneur der Österreichischen Nationalbank
Wirtschaft wächst laut OeNB bis 2019 um 1,5 Prozent pro Jahr. Viele Bürger parken Steuerersparnisse auf den Sparkonten. Die Unternehmen investieren dafür endlich mehr.

Österreichs Nationalbankchef hat sich verspekuliert. Dass sich die heimische Wirtschaft langsamer als erwartet erhole, koste ihn eine Kiste Wein, verriet OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny am Montag. Schuld sei eine verlorene Wette. Vor einem Jahr war die OeNB nämlich optimistischer als die Forscherkollegen gewesen und hatte erwartet, dass die Wirtschaft wegen der Steuerreform und der Flüchtlingsausgaben um einen halben Prozentpunkt stärker wächst.

Ausgegeben wird später

Statt der erwarteten 1,9 Prozent werden es nun laut aktueller OeNB-Prognose doch nur 1,4 Prozent (2016) sein. In den Folgejahren 2017 bis 2019 zieht die Wirtschaftsleistung (BIP) dann mit 1,5 Prozent auch nur unwesentlich stärker an. Für Nowotnys Wette waren das schlechte Nachrichten. Für die Volkswirtschaft insgesamt geht das mittlerweile als gute Nachricht durch. In den Vorkrisenjahren war man zwar noch kräftigeres Wachstum gewöhnt, aber nach vier Jahren in Folge mit einem Null vorm Komma wird man bescheiden.

Die Österreicher sind Angstsparer
OeNB-Prognose - BIP-Wachstum, Privater Konsum, Inflation, Arbeitslose, Budgetsaldo und Staatsverschuldung - Entwicklung 2016-2019 - Säulengrafiken GRAFIK 1336-16, Format 88 x 100 mm

Anders als früher sind nicht mehr die Exporte der Wachstumstreiber, sondern der inländische Konsum: Dank der Steuerreform sind die Einkommen der privaten Haushalte nämlich kräftig (um real drei Prozent) gestiegen. Allerdings geben die Österreicher dieses Geld nicht mit beiden Händen aus, sondern legen einen beträchtlichen Teil zur Seite – genauer gesagt 8,9 Prozent. Mit diesem Wert liegt die Sparquote extrem hoch, obwohl es so gut wie keine Zinsen fürs Ersparte gibt.

„Die Steuerreform ist noch nicht in der Konsumneigung angekommen“, erklärte OeNB-Direktorin Doris Ritzberger-Grünwald. Die Menschen reagierten so auf die hohe Arbeitslosigkeit und die politischen Unsicherheitsfaktoren. Erst ab 2018 werde die Sparquote sinken, erwartet die OeNB. Der private Konsum bleibt mit 1,1 Prozent jährlicher Steigerung über den Prognosezeitraum eine wichtige Konjunkturstütze.

Endlich wird investiert

Deutlich abgenommen hat hingegen die Verunsicherung der Unternehmen. Sie nehmen jetzt endlich Geld in die Hand, vor allem für Fahrzeuge und neue Maschinen. Bereits seit 2015 haben die Ausrüstungsinvestitionen merklich angezogen. Die Kehrseite: Damit sei der in der Regel zweijährige Investitionszyklus auch schon am Höhepunkt angekommen.

Dass die Auftragslage der Industrie aber sehr gut sei, lasse Positives erwarten. Der Sommertourismus brachte 2016 ohnehin Rekordzahlen. Die Exporte, die davor jahrelang die heimische Konjunktur angetrieben haben, werden sich "nicht so berauschend" entwickeln, dennoch dürfte Österreich seinen Anteil am Welthandel halten können, vor allem weil die wichtigsten Exportmärkte überdurchschnittlich wachsen werden.

Mehr Arbeitsstunden

Licht und Schatten gibt es auf dem Arbeitsmarkt: Die Beschäftigung wächst kräftig, es gibt also mehr Jobs – und das nicht mehr nur in Teilzeit-Beschäftigung, sondern auch Vollzeit, betonte Ritzberger-Grünwald. Das zeige sich daran, dass die Arbeitsstunden steigen und sei eine „wirklich gute Nachricht“.

Allerdings stehen noch einmal mehr Menschen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung - seien es ältere Menschen, die länger arbeiten, oder Migranten. Somit wird die Arbeitslosigkeit voraussichtlich weiter steigen und 2017 und 2018 ihren Höhepunkt erreichen.

Defizitäre Zuckerl

Österreichs Budgetdefizit wird sich 2016 temporär verschlechtern. Schuld sind geringere Einnahmen durch die Steuerreform, Mehrkosten für die Kriegsflüchtlinge und „Zuckerln“ wie der Pensionshunderter oder die gesenkte Sozialversicherung der Bauern. Im Gegenzug erspart das Zinstief der öffentlichen Hand etliche Milliarden Euro im Schuldendienst. Immerhin: Für die Bankenrettung floss 2016 kein frisches Geld mehr.

Heta schlägt sich nieder - positiv

Apropos Banken: Die Staatsschulden, die vor allem wegen der HETA-Bad-Bank drastisch angestiegen waren, werden sinken. Das hänge nicht einmal vom Erfolg der Abwicklung ab, sagte Nowotny: Die Heta habe nämlich noch 5,7 Mrd. Euro Kassenreserven bei der OeNB liegen, deren Auszahlung sich nur aus Rechtsgründen verzögere.

Zugegeben: Das farbenfrohe Bild hat im ersten Moment ein bisschen was von einem Mandala. Oder einem pointillistisch-abstrakten Kunstwerk. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine "Heat-map", den Versuch, die Entwicklung der österreichischen Wirtschaft auf einen Blick zu visualisieren, erklärt OeNB-Chefökonomin Doris Ritzberger-Grünwald.

Die Österreicher sind Angstsparer
Die Ampelfarben für die 23 Konjunktur-Indikatoren erschließen sich intuitiv. Simpel formuliert: Viel grün heißt Hochkonjunktur, viel rot heißt Krise. Zu lesen ist der Chart von links nach rechts, er bildet die Jahre 2000 bis 2016 ab.

Gleich auf den ersten Blick stechen dabei drei Krisenphasen heraus, in denen Rot eindeutig dominiert: 2001, nach dem Platzen der New-Economy-Blase bzw. dem abrupten Ende des Dot-com-Hypes. Noch gravierender dann 2008 und 2009 im Zuge der Finanzkrise und abermals 2012, als die Eurozone tief in der Schuldenkrise rund um Griechenland und Co. steckte.

Weltweite Unsicherheit

Der aktuelle Zustand wird alles in allem mit "gelb" (Durchschnitt) bewertet. Das internationale Umfeld (die obersten Segmente der fünf Reihen) ist durchwachsen, die Unsicherheit groß. Auch Österreichs Exporte (zweite Reihe) haben bereits bessere Zeiten erlebt.

Positiver (und grüner) wird das Bild, wenn es um die Industrie (dritte Reihe) geht. Hier sind vor allem die Auftragseingänge sehr positiv bewertet - ebenso wie bei den Dienstleistungen (vierte Reihe) die Nächtigungszahlen. Etwas überraschender, angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit: Auch für den Arbeitsmarkt (Reihe fünf) hat die OeNB-Ampel auf (Hell-)grün umgeschwenkt. Sowohl bei den Beschäftigten als auch bei den offenen Stellen sei die Tendenz positiv.

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