Die ganze Wahrheit über die Schulden

Österreich liegt bei der Gesamtschuldenlast im Mittelfeld.
Wie tief stehen Staat, Firmen und Private in der Kreide? Ein Vergleich mit vielen Überraschungen.

Überbordende Schulden haben die Krise mitverursacht. Das Problem ist aber nicht kleiner geworden. Im Gegenteil: "Die Welt hat seit der Finanzkrise von 2008/’09 rascher Schulden angehäuft, als die Einkommen gestiegen sind", analysiert die Ratingagentur Standard& Poor’s (5 Fragen zum Thema Rating-Agenturen). Die Schulden seien im Durchschnitt um 1,7 Prozentpunkte pro Jahr gestiegen.

Aber welche Länder stehen am tiefsten in der Kreide: Japan? Griechenland? Oder doch Italien? Bei den Staatsschulden ja, aber der Staat ist nicht alles. Auch die Schulden der privaten Haushalte und der Unternehmen fallen ins Gewicht. Das sind im Krisenfall oft kommunizierende Gefäße: Firmenschulden landen über den Umweg maroder Banken oft beim Staat und den Steuerzahlern – wie in Irland oder Spanien. Dieser breitere Ländervergleich der Gesamtschulden birgt freilich einige Überraschungen.

Weltmeister: Keinen großen Aha-Effekt gibt es nur an der Spitze. 20 Jahre Kampf gegen Deflation und Nullwachstum haben Spuren hinterlassen: Japans exorbitante Staatsschulden summieren sich mit den Verbindlichkeiten der Haushalte und Firmen auf fast das Vierfache (388 Prozent) der jährlichen Wirtschaftsleistung. Auf Platz zwei ist Irland, das seit dem von Banken verschuldeten Allzeithoch des Jahres 2008 die Schulden zumindest etwas gesenkt hat. In Portugal sind Staat, Private und Unternehmen bedenklich hoch verschuldet.

Besser als der Ruf: Der Zustand von Griechenlands Staatsfinanzen wurde zur Genüge diskutiert. Dabei steht der Privatsektor vergleichsweise sauber da. Frankreich weist noch höhere Schulden auf, vor allem wegen der Kreditlast der Firmen. Zu denken sollte Paris der Zuwachs geben, die Gesamtquote steigt um fast acht Prozentpunkte pro Jahr.

Die Blender: Die größte Überraschung: Belgien und die Niederlande belegen die Plätze vier und fünf und reihen sich noch vor angeblich notorischen Schuldensündern wie Italien und Spanien ein. In Belgien sind der Staat und die Unternehmen das Problem, in den Niederlanden ist es die exorbitante private Verschuldung. Dank üppiger Steueranreize hat fast jeder Niederländer sein Haus auf Pump gekauft. Und das oft ohne Eigenmittel. Selbst Sparmeister-Staaten wie Norwegen oder Schweiz stehen schlechter da als gedacht. Die Eidgenossen stechen sogar mit den höchsten Haushaltsschulden hervor (denen freilich hohe Vermögen entgegenstehen).

Schrillende Alarmglocken: Hier wird greifbar, warum sich die Investoren um Hongkong und China solche Sorgen machen. Der Schuldenzuwachs seit der Krise macht bedenkliche 19 bzw. 11 Prozentpunkte aus – pro Jahr. Auf den Unternehmen lasten enorme Schulden.

Mogelpackungen: Eine auf den ersten Blick niedrige Verschuldung kann in die Irre führen. Russland steht finanziell hochsolide da – das ist freilich eine Momentaufnahme, die sich mit dem Verfall der Ölpreise und Absturz der Landeswährung Rubel rasch ändern kann. Und mit Argentinien steht just ein notorischer Pleitier anscheinend blitzsauber da. Die Lateinamerikaner liefen aber gar nicht Gefahr, sich tief zu verschulden: Argentinien ist seit der Pleite 2001 vom Kapitalmarkt praktisch ausgeschlossen. In den USA ist zwar der Wert der Firmenschulden unauffällig, das Ausfallrisiko sei aber gestiegen, analysiert S&P.

Mittelmaß: Und Österreich? Das schlängelt sich recht unauffällig durch. Die Schulden von Staat, Privaten und Unternehmen liegen jeweils im Mittelfeld, ebenso die Gesamtschulden von 243 Prozent des BIP. Vorsicht ist aber angebracht: Im Durchschnitt stiegen sie seit 2009 um 2,5 Prozentpunkte pro Jahr. Deutschland steht noch ein ganzes Stück besser da – und das mit fallender Schuldenkurve.

Die ganze Wahrheit über die Schulden

Über die Schulden-Statistik

Ländervergleich Die Zahlen entstammen einer neuen Statistik der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Stand ist Juni 2015. Die Staatsschuldenquote unterscheidet sich teils von der oft zitierten Maastricht-Quote: Die BIZ-Daten berücksichtigen die Zinsen über die Laufzeit. So ergibt sich für Österreich eine Staatsschuldenquote von 97,1 Prozent (Marktwert) statt 86,3 Prozent (nominell). Die Schulden von Staat, Haushalten und privaten wie staatlichen Unternehmen sind laut BIZ aufeinander abgestimmt und länderweise vergleichbar.

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