Die drei Mängel der Wiener Börse

Wiener Börse sollte 2017 besser sein als die Konkurrenz.
Erste-Group-Aktienexperte Szopo fordert Anreize für Privatanleger.

Anleger konnten an der Wiener Börse im Vorjahr und heuer schöne Gewinne einstreifen. Allein im ersten Halbjahr 2017 legte der Leitindex ATX um 18 Prozent zu und konnte damit sogar den EuroStoxx 600 deutlich abhängen. Also: Alles paletti am Wiener Aktienmarkt?

"Nein", sagt Peter Szopo, Chef-Aktienstratege der Erste Asset Management. Die positive Entwicklung lenke von den grundlegenden Schwächen der Wiener Börse ab. Szopo hat drei große Problemfelder ausgemacht:

Die drei Mängel der Wiener Börse
Peter Szopo, Erste Sparinvest, Erste Bank
Erstens die schwindende Zahl der in Wien notierten Unternehmen. 2006 waren es noch 127, jetzt notieren nur noch 79 Unternehmen an der Wiener Börse. Schuld daran seien zum einen Übernahmen (wie etwa der AUA durch die Lufthansa) und Umstrukturierungen internationaler Konzerne. Abschied von der Börse genommen hätten aber auch Familienunternehmen wie Miba, denen die Notiz mit zu hohem Aufwand verbunden war.

Problem Nummer zwei ist der Mangel an Nachschub. Seit den späten 1980er-Jahren bis Mitte der 2000er-Jahre haben Privatisierungen für Neuzugänge in Wien gesorgt. Das ist vorbei. "Solange privatisiert wurde, hatten die Politiker noch Interesse an der Börse. Dann nicht mehr", kritisiert Szopo. Und von den vielen privaten Mittelständlern in Österreich ist kaum einer bereit, sich an die Börse zu wagen.

Wenig Interesse

Dritter Schwachpunkt ist laut Szopo das rückläufige Interesse internationaler Investmentbanken und Broker am Wiener Aktienmarkt. 2007, also vor der Finanzkrise, wurde jedes im ATX gelistete Unternehmen von durchschnittlich 9,7 Analysten bewertet, 2013 sogar von 15. Seither geht es bergab. Aktuell gibt es je Aktie im ATX 12,6 Analysen. Das Analysteninteresse für Werte außerhalb des ATX ist noch geringer und liegt bei durchschnittlich nur fünf Bewertungen je Aktie. "Das heißt, Investoren bekommen weniger laufende Einschätzungen über die Entwicklung von Aktien als früher", erklärt Szopo.

Gegensteuern wird für die heimische Wirtschaftspolitik gar nicht leicht, meint der Experte. Denn viele der Probleme der Wiener Börse seien nicht hausgemacht, sondern Folge von neuen Regulierungen auf europäischer Ebene. Laufend strengere Compliance- und Publizitätsvorschriften halten vor allem kleinere und mittlere Unternehmen davon ab, an die Börse zu gehen. Dieser Trend weg von der Börse und das schwindende Interesse von Brokern und Investmentbanken könnte sich 2018 noch verstärken. Dann treten die sogenannten Mifid-2-Regeln in Kraft, die regionale Universalbanken unter Druck bringen könnten. Diese Banken aber beschäftigen sich derzeit noch am häufigsten mit kleineren börsenotierten Unternehmen.

Was tun?

Die heimische Wirtschaftspolitik habe dennoch einen Spielraum, um die Börse zu unterstützen, meint Szopo. Wenn die großen internationalen Investmenthäuser Wien vernachlässigen, sei es umso wichtiger, einen starken Heimmarkt aufzubauen. Und der brauche eine inländische Investorenschicht.

Anreize für Private, in Aktien zu investieren, seien ein Mittel dazu. Die Politik habe in den vergangenen Jahren das Gegenteil gemacht: Die Spekulationsfrist wurde aufgehoben, die Kapitalertragssteuer erhöht. Positiv bewertet Szopo die Ausweitung der Mitarbeiterbeteiligung.

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