Deutschlands Finanzminister schwimmt im Geld

Starkes Wachstum und geringe Arbeitslosigkeit bescheren dem deutschen Staat Rekordüberschüsse.

Die deutschen Budgeteinnahmen brechen derzeit alle Rekorde. Sowohl für das Gesamtjahr 2016 als auch das erste Halbjahr 2017 liegt der Überschuss noch weit über den Erwartungen. Konkret haben der Bund, die Länder, die Gemeinden und Sozialkassen im abgelaufenen Jahr um 25,7 Mrd. Euro mehr eingenommen als ausgegeben. Im Februar noch hatte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden "nur" einen Überschuss von 23,7 Mrd. Euro erwartet.

Bezogen auf die Wirtschaftsleistung bedeuten die Zahlen ein Plus von 0,8 Prozent. Laut Vertrag von Maastricht wäre ein Defizit von maximal 3,0 Prozent des BIP erlaubt. Deutschland ist mehr als nur auf der sicheren Seite, es verzeichnet bereits das dritte Jahr in Folge einen Überschuss.

Wachstum lässt Steuern sprudeln

Und dieser Trend setzt sich 2017 nicht nur fort, sondern lässt neue Rekorde erwarten: Im ersten Halbjahr flossen bereits um 18,3 Milliarden Euro mehr in die deutschen Kassen, als ausgegeben wurden - ein Plus von 1,1 Prozent gemessen an der Wirtschaftsleistung. Der Grund für die sprudelnden Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ist der kräftige Wirtschaftsaufschwung und die historisch niedrige Arbeitslosigkeit. Zudem sind die Verbraucher in Konsumlaune, die Ausgaben für die Unterbringung hunderttausender Flüchtlinge und kräftige Exporterfolge trieben die Konjunktur ebenfalls an.

Und, was in Deutschland ganz gerne ausgeblendet wird: Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat sich der deutsche Staat über die Jahre hunderte Milliarden Euro an Zinskosten gespart. Laut Sebastian Becker, Ökonom bei der Deutschen Bank, seien es zwischen 2008 und 2016 rund 260 Milliarden Euro gewesen, schreibt die Welt.

Nur 2000 noch höher

Der Budgetsaldo ist ein historischer Rekordwert: Nur im zweiten Halbjahr 2000 hatte Deutschland mit 28,8 Mrd. Euro einen noch höheren Überschuss verzeichnet, damals aber nicht aus eigener Kraft, sondern durch einen Einmaleffekt: Damals schlug die milliardenschwere Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen zu Buche.

Eine Ende des Geldregens für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist bisher nicht abzusehen. Ökonomen glauben, dass die deutsche Wirtschaft weiterhin auf Wachstumskurs bleiben wird. Nach Einschätzung der Bundesbank könnte der Aufschwung 2017 kräftiger ausfallen als bisher erwartet. Sie deutete an, die Prognose von 1,9 Prozent Plus demnächst nach oben zu schrauben.

Österreichs letztes Plus: 1962

Um in Österreich einen Budgetüberschuss zu finden, muss man tief im Archiv kramen: Laut Agenda Austria war das zuletzt 1962 der Fall - seither ist der Bundeshaushalt ohne Unterbrechung im Minus. Obwohl sich auch Österreich Zinsausgaben in Milliardenhöhe erspart, ist sich auch in den vergangenen Jahren kein Überschuss ausgegangen.

Deutschlands Finanzminister schwimmt im Geld
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Kritik: Investitionen bleiben aus

Der gewaltige Geldspeicher sorgt in Deutschland allerdings nicht nur für Begeisterung. Kritiker monieren, dass der deutsche Staat seit vielen Jahren zu wenig investiere, um die marode deutsche Infrastruktur zu verbessern. Damit bleibe das Wachstum hinter seinen Möglichkeiten zurück - und es werde der künftige Wohlstand gefährdet. Und obendrein hätten die Bezieher niedriger Pensionen nichts von den übervollen Staatskassen.

Statistisches Bundesamt Wiesbaden: Daten zum Überschuss 2016, zum ersten Halbjahr 2017

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