Deutsche "betteln" um Strom aus Österreich

Nach der Abschaltung von acht AKW befürchtet Deutschland Stromengpässe im Winter. Österreich soll aushelfen.

Nach der Atomkatastrophe in Fukushima wurde der Beschluss eilig gefasst: Deutschlands Regierung einigte sich auf die sofortige Abschaltung von acht Alt-Atomkraftwerken und einen Ausstiegsplan aus der Kernkraft über die nächsten Jahre. Das könnte vorschnell gewesen sein. Denn jetzt hat der deutsche Strommarktaufseher Angst, dass Strom im Winter knapp werden könnte.

Acht österreichische Energieversorger - von der Wien Energie bis zum Verbund - haben dieser Tage von der deutschen Bundesnetzagentur, die für das Funktionieren der Stromversorgung zuständig ist, einen Brief bekommen: Im süddeutschen Raum könnte es unter extremen Umständen im Winter ein Stromerzeugungsdefizit geben, heißt es in dem Schreiben, das dem KURIER vorliegt, sinngemäß. Österreichische Stromunternehmen sollten daher bekannt geben, ob sie im Winter Strom nach Deutschland liefern könnten. Die Bundesnetzagentur fordert eine rasche Antwort. Denn sie müsse noch im August entscheiden, ob nicht doch eines der acht aus dem Netz genommen AKW als Reserve in Betrieb bleiben sollte.

Gas als Ersatz

Seit das Schreiben aus Deutschland eingelangt ist, herrscht Aufregung in Österreich. Denn gerade im Winter hat die heimische E-Wirtschaft keine Stromüberschüsse. Die Wasserkraftwerke, aus denen mehr als die Hälfte der Stromerzeugung stammt, produzieren im Winter weniger Strom. Österreich importiert von November bis zum Frühling selbst elektrische Energie aus dem Ausland.

Die einzige Möglichkeit: Gaskraftwerke, die seit dem Anstieg der Gaspreise nur wenig in Betrieb sind, anzufahren und den Strom nach Deutschland zu liefern. "Wir sind gerne bereit, Deutschland beim Atomausstieg zu helfen", sagt EVN-Sprecher Stefan Zach. Die beiden EVN-Gaskraftwerke Theiß und Korneuburg könnten Strom für Deutschland produzieren - "falls der Preis stimmt", lautet freilich der Nachsatz.

Auch Wien Energie überlegt, ob den Deutschen nicht Kraftwerkskapazitäten zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Salzburg AG sieht dagegen keine Möglichkeiten. Ebenso die Energie AG in Oberösterreich. "Wir brauchen unsere Gaskraftwerke Timelkam und Riedersbach im Winter für die eigene Versorgung", heißt es in Linz.

Probleme, den Deutschen bei ihrem Atomausstieg zu helfen, hat auch der Verbund. "Wir prüfen intern, ob es Möglichkeiten für Stromlieferungen nach Deutschland gibt", heißt es dazu offiziell aus dem Wasserkraftkonzern. Theoretisch hat der Verbund einen Stromüberschuss. Das Verbund-Gaskraftwerk in Mellach bei Graz, das erst Mitte Juli in Probebetrieb gegangen ist, könnte elektrische Energie ins Nachbarland liefern.

Praktisch aber hat das einen Haken: Die Stromleitung durch Salzburg ist noch nicht gebaut. Der Verbund müsste die elektrische Energie aus Mellach über die 380-KV-Leitung durch das Südburgenland nach Wien und weiter nach Deutschland leiten. Das Gaskraftwerk Mellach wurde ja auch für die Stromversorgung Südösterreichs gebaut.

Weiteres Problem: Die heimische CO2-Bilanz würde sich durch den Mehr-Einsatz der Gaskraftwerke zusätzlich verschlechtern.

Kernkraftwerke: Restlaufzeit bis 2022

Abgeschaltet: Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke von 2036 auf 2022 zu verkürzen. Die sieben ältesten AKW, die nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima stillgelegt wurden, werden nicht mehr in Betrieb genommen. Auch nicht der Pannenreaktor Krümmel in Schleswig-Holstein.

In Betrieb: 2015 soll das AKW Grafenrheinfeld vom Netz gehen, 2017 Gundremmingen B (beide in Bayern) und 2019 Philippsburg II (Baden-Württemberg). 2021 sollen drei AKW (in Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein), abgeschaltet werden. 2022 schließlich auch die letzten drei in Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen.

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