Deutsche-Bank-Krise: "Der Staat soll Aktien kaufen"

Deutsche Bank in Frankfurt
Teilverstaatlichung wäre für Steuerzahler sogar ein gutes Geschäft, sagt Finanzexperte Wolfgang Gerke.

Die Probleme der Deutschen Bank nähren Ängste, es könnte wie im Herbst 2008 neuerlich zu einer weltweiten Finanzkrise kommen. Die Vertrauenskrise ließe sich schlagartig beenden, ist der renommierte Experte Wolfgang Gerke überzeugt. Er lässt mit einem ungewöhnlichen Vorschlag aufhorchen: Eine vorübergehende staatliche Beteiligung wäre die beste Lösung, sagte der Präsident des Bayerischen Finanz-Zentrums zum KURIER.

Er habe sich das reiflich überlegt: "Ich bin eigentlich sehr gegen die Beteiligung des Staates an der Privatwirtschaft", so Gerke. "Aber in dieser Situation wäre es gut, wenn die Bundesregierung sagt: Wir übernehmen zwischenzeitlich 20 Prozent, um den Gerüchten entgegenzuwirken."

Für die deutschen Steuerzahler wäre das ein gutes Geschäft – die Aktie würde einen Kurssprung machen, glaubt Gerke. Vorbilder seien die USA und die Niederlande, die sich während der Krise als normale Aktionäre an Problembanken beteiligt und gut daran verdient hätten. Das sei die bessere Lösung gewesen, als den Instituten – wie Deutschland und Österreich – mit Garantien unter die Arme zu greifen und dafür Gebühren zu kassieren.

Erdogan-Berater zündelt

Günstiger könnte der Moment für einen Einstieg jedenfalls kaum sein: Der Aktienkurs des größten deutschen Geldinstituts geriet am Freitag zunächst abermals massiv unter Druck und fiel kurzzeitig sogar unter 10 Euro. Ein Novum: Sogar am Höhepunkt der Finanzkrise 2009 war der Kurs über 14,80 Euro gelegen.

Zuvor hatten englischsprachige Nachrichtendienste verbreitet, dass einige Hedgefonds der Deutschen Bank das Vertrauen entzogen hätten und ihre Gelder zurückholten. Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer: Solche Schlagzeilen können rasch außer Kontrolle geraten und zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden.

"Ich halte das für gezielte Gerüchte, um den Markt zu beeinflussen", sagte der emeritierte Hochschulprofessor Gerke. Die Vermutung liege nahe, dass andere Marktteilnehmer das Wertpapier "runterprügeln", um eine günstige Kaufgelegenheit zu haben.

Für viel Aufsehen und hämische Kommentare sorgte Yiğit Bulut, der Wirtschaftsberater des türkischen Präsidenten Erdoğan. Er empfahl via Twitter, dass ein türkischer Staatsfonds die Mehrheit an der Deutschen Bank kaufen sollte. Gag, Provokation – oder doch mehr? Bei dem extrem tiefen Aktienkurs sei die Gefahr feindlicher Übernahmen "jedenfalls sehr ernst zu nehmen", warnte Gerke.

"Gesichtsverlust schon passiert"

Sowohl die Bundesregierung als auch Deutsche-Bank-Chef John Cryan haben in den vergangenen Tagen staatliche Auffanglösungen freilich kategorisch ausgeschlossen. Für Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble wäre das ein schwerwiegender Gesichtsverlust. Deutschland hatte darauf gepocht, dass Italiens Banken ohne Staatshilfe auskommen. Bei der EU-weiten Einlagensicherung steht Berlin auf der Bremse, weil man nicht für ausländische Altlasten gerade stehen will. Und: Die EU hat ein komplexes System zur Bankenabwicklung entworfen, damit nicht die Steuerzahler, sondern zuerst die Investoren zur Kasse gebeten werden. Diese Krisenvorsorge würde unglaubwürdig. Kein Wunder, dass Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem betonte, die Bank müsse "aus eigener Kraft" und ohne Staatshilfe überleben.

Deutsche-Bank-Krise: "Der Staat soll Aktien kaufen"
Wolfgang Gerke, Professor Bayerisches FinanzZentrum
"Es wäre eine Pikanterie, aber der Gesichtsverlust ist schon eingetreten", entgegnete Gerke. Eine Staatsbeteiligung wäre jetzt nicht zwingend notwendig, sei aber Erfolg versprechender, "als wenn alles brennt". Um die Märkte dauerhaft zu beruhigen, müsse die Bank profitabler werden. Eine Zwangsfusion mit der ebenfalls kriselnden Commerzbank, der Nummer zwei im Markt, würde hingegen in eine Katastrophe münden: Beide Banken seien zu sehr mit sich selbst beschäftigt, ihre Unternehmenskulturen unvereinbar.

Daimler-Chef gibt Entwarnung

Deutsche-Bank-Chef John Cryan beruhigte die rund 100.000 Mitarbeiter unterdessen in einem Brief, dass die Bank über 215 Mrd. Euro freie Mittel verfüge – das sei ein "komfortabler Puffer". Für den Aktien-Absturz machte er Spekulanten verantwortlich. Analysten anderer Geldhäuser eilten ihm zur Hilfe und warnten Anleger davor, in Panik zu geraten. Sogar Daimler-Chef Dieter Zetsche kalmierte: Er glaube, dass die beiden Banken "sehr solide sind und wir uns da keine Gedanken machen müssen".

Die Lage der Deutschen Bank hatte sich in den letzten Wochen zugespitzt, weil die US-Justiz ursprünglich bis zu 14 Mrd. Dollar Strafe wegen windiger Hypothekengeschäfte fordert. Die Bank geht davon aus, dass der tatsächliche Betrag viel niedriger ausfallen wird - laut der Nachrichtenagentur AFP soll die Strafzahlung auf 5,4 Mrd. Dollar sinken. Die Aktie erfing sich prompt und kletterte über 11 Euro.

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