Desertec entpuppt sich als Fata Morgana
Das schwer kriselnde Wüstenstrom-Projekt Desertec steht Insidern zufolge vor dem endgültigen Aus. Wenn sich am Montag und Dienstag nächster Woche die Gesellschafter der umstrittenen Desertec Industrial Initiative (DII) in Rom treffen, dürften sie die Totenglocke für die erst fünf Jahre alte Unternehmung läuten, wie es am Mittwoch aus Industriekreisen hieß.
Dem Projekt den Rücken gekehrt
Die DII hielt sich bedeckt und verwies auf die Versammlung der 20 Gesellschafterfirmen am Montag. Das Scheitern der Wüstenträume war schon länger absehbar. Die meisten deutschen Technologie- und Baukonzerne wie Siemens, Bosch, E.ON oder Bilfinger haben sich schon abgewandt, genauso wie die ursprünglich namensgebende Desertec-Stiftung. Der Club of Rome, in dem sich Experten mit Themen wie Nachhaltigkeit und Grenzen des Wachstums beschäftigen und in dessen Mitte die Idee einst geboren worden war, kehrte der Industrie enttäuscht den Rücken.
Zum Pech kamen Querelen
Aber Desertec hatte nicht nur Pech. Von Beginn an gab es Querelen. So setzten die Europäer eher auf die vergleichsweise teure Solarthermie - die Stromgewinnung aus Sonnenhitze - und erlebten damit ein Debakel. Allein Siemens versenkte mehr als 400 Mio. Dollar (317,3 Mio. Euro) in der Technologie und stieg letztlich aus. Die afrikanischen und arabischen Länder, die eigentlich Geschäftspartner werden sollten, beklagten sich anfangs über die koloniale Attitüde der Nachbarn nördlich des Mittelmeers. Es folgte ein Streit über die Aufnahme des chinesischen Netzbetreibers State Grid in den Kreis der Gesellschafter. Die Co-Geschäftsführerin Aglaia Wieland flog im Streit über die Strategie raus. Der verblieben DII-Chef Paul van Son richtete sein Haus stärker auf die Beratung von Einzelprojekten für die heimische Stromerzeugung vom Maghreb bis zur Levante aus. Bleiben wollte er allerdings nicht mehr längerfristig, zumal die DII-Verträge Ende des Jahres auslaufen. Im Jänner wechselt der bärtige Niederländer zum Energieversorger und DII-Partner RWE.
Die DII-Gesellschaft verweist unterdessen auf die Erfolge. Mit ihrer Unterstützung liefen derzeit 68 Erzeugungsprojekte in Nordafrika, vornehmlich in Algerien und Marocco. Deren Kapazität belaufe sich auf vier Megawatt, so viel wie vier Atomkraftwerke, betonte ein Sprecher. Die DII lieferte vor allem kostbare Daten für die Standortwahl.
Sollten die Gesellschafter der gut zwei Dutzend Mitarbeiter umfassenden DII ein neues Budget von zwei Millionen Euro nicht mehr gewähren, ist Insidern zufolge auch ein Weiterleben als Beratungsgesellschaft auf eigene Faust denkbar. Neue Energieprojekte könnten die Münchner dann entgeltlich beraten. Ob das Büro dann weiterhin in Schwabing liegen wird, ist offen.
Energieexpertin Claudia Kemfert von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist optimistisch: "Desertec war und ist interessant, wenn man die Energieversorgung in Nordafrika sicherstellen will. Die Kosten für Solar- und Windparks sinken auch dort kontinuierlich", sagte sie. "Die Idee Strom von Nordafrika nach Europa zu bringen ist sicherlich nicht tot, aber es war auch für Desertec immer die zweite Priorität nach der Energieversorgung vor Ort. Wenn man die Energieversorgung in Europa viel stärker integriert, bleibt es eine Perspektive, sich mit Nordafrika zu vernetzen. Das ist eine Aufgabe von Jahrzehnten."
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