Crowdfunding: Start-ups verbrennen viel Geld

Freygeist radelte mit seinen 4000-Euro-E-Bikes in die Pleite
Alleine die insolvente E-Bike-Firma Freygeist hat 1,5 Millionen Euro bei 1107 Investoren eingesammelt. Für Private bergen Crowdinvestments hohe Risiken.

Kurz vor Weihnachten versuchte die oberösterreichische Firma Gourmetfix, Hersteller von glutamat- und allergenfreien "Fertiggericht-und Back-Mischungen", billiges Geld bei Investoren aufzutreiben. Über die Grazer Crowdfunding-Plattform Green Rocket sollten mindestens 50.000 Euro und im besten Fall 250.000 Euro bei Geldgebern eingesammelt werden. Der Unternehmenswert der Innviertler Firma wurde mit 800.000 Euro beziffert. Die Gourmetfix-Gründer wollten laut Homepage den Riesen Knorr und Maggi den Kampf ansagen. So soll Gourmetfix bei der deutschen Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann gelistet gewesen sein.

"Funding abgebrochen"

Doch Green Rocket musste das Crowdfunding vorzeitig stoppen. Während es im Internet noch lief und nur 8250 Euro eingesammelt wurden, ist über Gourmetfix nämlich ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Gebietskrankenkasse und zwei weitere Gläubiger hatten das Verfahren beantragt.

"Eine Fortführung des Betriebs ist nicht geplant", heißt es in den Insolvenzakten. Der Geschäftsführer war mit der Betriebsschließung einverstanden.

Lebensmittel-Händler pleite

Die Pleite dieses Start-ups ist kein Einzelfall. 2015 traf es unter anderem die Firma Woodero, die Holz-Schutzhüllen für Smartphones herstellte und 166.000 Euro über die Crowd eingesammelt hatte. Im Vorjahr traf es den verpackungslosen Linzer Lebensmittel-Laden "Holis Market", der über Green Rocket 170.000 Euro einwarb, den Wiener Burgerlokal-Betreiber Master George (124.000 Euro) und andere Jungfirmen im deutschsprachigen Raum.

Niedrige Überlebensrate

Nach konservativen Schätzungen überleben 50 Prozent der Start-ups, also der neu gründeten Unternehmen mit innovativen Ideen und angeblich raschem Wachstumspotenzial, auf Dauer nicht. So schlitterte vor wenigen Tagen der deutsch-österreichische E-Bike-Hersteller Freygeist in die Insolvenz. Die Ursache wurde bisher noch nicht offengelegt. "Der Tesla unter den Fahrrad-Herstellern" ist erst 2015 gegründet worden und hat 1,5 Millionen Euro Kapital über die Plattform Companisto eingesammelt. Und zählt damit zu den Großpleiten im Bereich Crowdinvesting. Zur Erklärung: Bei Green Rocket liegen die Schwarm-Finanzierungen im Schnitt bei 200.000 Euro.

Neben Companisto und Green Rocket zählen die Plattformen Conda, 1000x1000 und Seedmatch zu den aktivsten im deutschsprachigen Raum.

Risikokapital

Crowdfunding ist nichts anders als eine Risikokapital-Finanzierung. Das eingesetzte Geld hat meist den rechtlichen Status eines nachrangigen Darlehens oder Genussrechts. Im ersten Fall wird den Investoren ein Fixzins in der Höhe von ein bis vier Prozent pro Jahr angeboten. Im zweiten Fall wird eine Beteiligung am Unternehmensgewinn bzw. am Erlös aus dem Firmenverkauf versprochen.

Oft ist das Crowd-Investment aber eine Mischung aus Zinszahlung und Gewinnbeteiligung. Rutscht das schwarmfinanzierte Start-up aber in die Pleite, müssen die Investoren einen Totalverlust verbuchen.

Investment-Trend

„Bisher wurden 68 Firmen mit insgesamt 36,09 Millionen Euro finanziert. Davon gingen acht Firmen pleite und verursachten rund 2,5 Millionen Euro Verlust“, erklärt André Glasmacher von Companisto dem KURIER. „Das bedeutet, dass sich 11,76 Prozent der Start-ups nicht am Markt behaupten konnten. Das ist für den Bereich Venture Capital eine sehr gute Quote.“ In der Regel müssen die Start-up-Firmen ihre Hausaufgaben ordentlich machen, um an Geld zu kommen.

"Kleine Due Diligence"

„Bevor wir ein Crowdfunding zulassen, schauen wir uns das Start-up genau an“, sagt Wolfgang Deutschmann von Green Rocket zum KURIER. „Ein Businessplan allein reicht nicht aus, deshalb lehnen wir viele Anfragen ab. Die Unternehmensbewertung liefert das Unternehmen selbst auf Basis einer anerkannten Berechnungsmethode und einer Bestätigung eines Steuerberaters.“ Außerdem müsse das Geschäftsmodell in das Marktumfeld passen und mit den bisherigen Umsatzzahlen und Saldenlisten erklärt werden. Green Rocket mache eine Art "kleine Due Diligence". Denn: Man könne sich schließlich alles schönrechnen.

Keine Liquiditätsplanung

„Gerade bei jungen Firmen kann es zu falschen Entscheidungen kommen“, sagt Deutschmann, dessen Plattform 40 Crowd-Projekte umgesetzt hat. „Viele Start-ups machen zwar eine Finanzplanung, aber keine Liquiditätsplanung; das heißt, sie wissen nicht, wann ihnen das Geld ausgeht.“ Der Lebenmittelhändler Holis Market stolperte laut Deutschmann, weil „die Liquidität ausgegeben war und Mitarbeiter gingen“.

Vorsicht geboten

„Die Anforderungen eines Crowdfundings sind geringer als bei einem Bankkredit“, sagt Gerhard Weinhofer von Creditreform zum KURIER. „Das Crowdfunding hat auch eine psychologische Seite. Bei einem kleinen Unternehmen glauben die Investoren oft, dass ihr Geld sicherer angelegt ist, und sie sich besser auskennen als bei einem börsennotierten Konzern oder einer Fondsgesellschaft.“ Nachsatz: „Dabei unterliegen sie aber einer Täuschung.“

Das kleine Crowdinvesting-ABC

Crowdfunding- oder Crowdinvesting-Plattform: Dabei handelt es sich um einen Dienstleister, der Unternehmen und Investoren zusammenbringt und seine technische Infrastruktur (im Internet) für die Abwicklung zur Verfügung stellt.

Crowdinvesting-Emittent: Nicht die Plattform, sondern das Unternehmen bietet das Beteiligungsmodell an.

Funding-Schwelle: Dabei handelt es sich um den Mindestbetrag, mit dem die Schwarm-Finanzierung zustande kommt.

Funding-Limit: Das ist der Höchstbetrag, den das Investment erreichen kann.

E-Bike-Firma Freygeist ist insolvent

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