"Wir versäumen Trends regelmäßig"

Michel Janneau, Vizepräsident von Champagner-Produzent Louis Roederer, hasst Steuern und findet Japan spektakulär.

Louis Roederer schert sich nicht um Trends. Seit 1776 macht der Champagner-Produzent in den Reimser Bergen, im Marne Tal und der Côte de Blancs Weine nach alter Tradition. Langsamkeit und Gelassenheit diktieren, nicht Mode und Zeitgeist. Seit 1974 hat Roederer kein neues Produkt auf den Markt gebracht. Seit sieben Jahren keltert man an einer neuen Kreation – sie soll 2015 auf den Markt kommen.

Bei den Salzburger Festspielen ist Roederer heuer der neue Champagner-Partner – und löst damit Moët & Chandon ab. "Wir haben wenig Erfahrung mit Oper, aber wir wagen uns rein", sagt Michel Janneau, Vizepräsident von Louis Roederer.

KURIER: Wieso hat Champagner immer noch den Nimbus des Exklusiven, des Besonderen?

"Wir versäumen Trends regelmäßig"
Roederer
Michel Janneau: Ich bitte Sie, was ist exklusiv daran, wenn über 300 Millionen Flaschen verkauft werden. Das ist doch fast wie der Marketingerfolg von Coca-Cola. 80 Prozent des Champagners wird in Cocktails, Bars, bei Hochzeiten getrunken und die Menschen bespritzen sich gegenseitig damit. 70 Prozent der Menschen, die Champagner trinken, wissen nicht, dass es sich dabei um Wein handelt. Die meisten Menschen auf der Welt glauben, das ist französische Limonade.

Was machen Sie bei Ihrem Champagner anders?

Er ist aus bis zu 14 verschiedenen Weinen kreiert, alle aus eigenen Weingärten. Wir fügen etwa zehn Prozent alten Reserve-Wein hinzu. Dann lagern wir und lassen reifen – mindestens drei Jahre lang. Nicht wie die anderen nur 16 Monate.

Die anderen Champagner-Hersteller sind also viel schneller.

Ja. Sie sind aufgeregt hinter Marktanteilen her, sind besessen davon, Millionen von Flaschen zu verkaufen. Sie haben keine Zeit für so eine Produktion.

304 Millionen Flaschen Champagner werden jedes Jahr verkauft. Im vergangenen Jahr hat Prosecco erstmals die Champagner-Verkäufe übertroffen. Warum gewinnt Prosecco?

Preis, Aggressivität am Markt, Marketing – Prosecco wird in Riesenmengen verkauft. Das sind die Schlüssel.

Sie produzieren drei Millionen Flaschen pro Jahr. Mehr können Sie nicht liefern.

Das ist seit Jahren unser Durchschnitt. Etwa die Hälfte davon ist der Brut Premier. Wir sind mehr Winzer als Geschäftsleute. Wir sind auch keine Marketer. Die meiste Zeit verbringen wir in unseren Weingärten und nicht im Büro.

Wo auf der Welt liegen die aufstrebenden neuen Märkte?

Japan ist für uns spektakulär. Ein sehr intelligenter Markt, die Menschen kaufen den Wein und wollen auch die Kultur einkaufen. Hongkong ebenso. Die USA sind gut aber rückläufig. UK ist immer noch top. Deutschland und Italien sind rückläufig.

In Österreich sind die Champagner-Verkäufe gestiegen. Wie erklären Sie sich das?

Ich habe absolut keine Erklärung. Wahrscheinlich haben Sie im Gegensatz zu Deutschland mehr Kultur, mehr Lebensfreude.

In Österreich gibt es eine neue Sekt- und Champagnersteuer. Erwarten Sie Effekte auf Ihre Verkäufe?

Das gefällt uns klarerweise nicht. Wir hassen Steuern. Aber 90 Cent mehr pro Flasche werden bei unserem hohen Preissegment wohl keinen Unterschied machen.

Wie hat sich der Champagnermarkt in den vergangenen Jahren insgesamt entwickelt?

Der Champagnermarkt hat massive Probleme, die wir aber nicht haben. Wir sind widerstandsfähiger in der Krise, weil wir Marktanteilen nicht hinterherlaufen. Unsere Produktion ist klein und stößt auf viel Nachfrage. Der Preis, den wir zahlen: Unser Volumen ist limitiert.

Merken Sie den Trend zu Rosé?

Rosé ist ein unglaublicher Trend auf der ganzen Welt. Wir versäumen Trends aber regelmäßig, weil wir an unserer Methode und unseren Weingärten festhalten. Wir verkaufen 80.000 Flaschen Rosé, wir haben einfach nicht mehr davon. Und wir weigern uns, roten und weißen Wein zusammenzumischen, so wie andere das tun.

Einen Trend verschlafen – muss das ein Betrieb können, der eine Tradition seit 1776 hat?

Wir hassen es, unsere Arbeit von Trends diktieren zu lassen. Als Familienbetrieb haben wir die Unabhängigkeit, Trends nicht zu folgen.

Wie war Ihr Jahrgang 2013?

Ach, schreckliches Jahr. Sehr geringer Ertrag. Aber: Ein Wein mit viel Persönlichkeit, extrem anders. Wir müssen wahrscheinlich eine neuen Namen dafür kreieren, weil es so was noch nie gab.

Edel und exklusiv: Vievinum 2014 in der Hofburg

Bereits zum neunten Mal gastiert am kommenden Wochenende die Vievinum in der Wiener Hofburg. Rund 15.000 Besucher aus 40 Nationen treffen auf 500 Aussteller aus der ganzen Welt.

Die Vievinum ist Österreichs größte und bedeutendste Weinveranstaltung. Aussteller sind sowohl Winzer, als auch Weinhandelshäuser mit nationalem und internationalem Sortiment. Als Branchentreff der einflussreichsten Weinakteure liegt der Fokus der Vievinum auf dem Knüpfen neuer Handelskontakte und der Pflege bereits bestehender Partnerschaften.

Die Messe startet samstags (für Fachbesucher ab 10 Uhr, für Gäste ab 12 Uhr) und läuft bis inklusive Montag. Zahlreiche Spezialverkostungen, Seminare und Einführungen in einzelne Weinregionen runden das Programm ab.

INFO: Weinmesse Vievinum, von Samstag, 14. Juni, bis Montag, 16. Juni 2014. Ort: Hofburg Wien, Eingang am Heldenplatz. Öffnungszeiten: Samstag bis Montag von 12 bis 18 Uhr ( Fachbesucher schon ab 10 Uhr). Karten im Vorverkauf kosten 30 Euro, die Tageskarte an der Kasse 40 Euro. www.vievinum.at

Der Vizepräsident von Louis Roederer hasst Steuern. Wer nicht? Wiewohl damit das Staats- und Gemeinwesen finanziert wird. Manche Steuern sind aber so nah an der Absurdität, dass es schwierig bis unmöglich ist, dafür Verständnis zu zeigen.

Seit ersten März gibt es in Österreich die Sektsteuer, ein wiederbelebtes Relikt aus den Jahren vor 2005. Man hat sie damals als Bagatellsteuer klassifiziert und aus Gründen der Unsinnigkeit (mehr bürokratische Kosten als Ertrag) wieder abgeschafft. In der aktuellen Finanznot und aus einer politischen Einfallslosigkeit heraus hat man sich ihrer wieder bedient. Etwa 90 Cent Steuer werden pro Flasche eingehoben. Aber nur bei Schaumweinen mit Agraffe (das ist der Drahtkorb über dem Kork) und mehr als 3 bar Flaschendruck. Prosecco und Frizzante sind damit von der Steuer verschont, beim hochpreisigen Champagner fallen 90 Cent nicht auf. Das Mittelsegment, den österreichischen Sekt und die heimischen Winzer, trifft die Steuer am allermeisten.

Nun liegen die ersten Zahlen aus dem Handel vor. Sekt muss Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent hinnehmen. Mitte Juni werden die großen Sektproduzenten in die Verhandlungen mit ihren Vertragswinzern gehen. Sie werden ihnen sagen müssen, dass sie vom Sektgrundwein Jahrgang 2014 zwanzig bis dreißig Prozent weniger abkaufen können. Womit die irrende Luxussteuer nicht die Champagner-Klientel trifft, sondern österreichische Weinbauern.

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