Urteil zu CETA & Co: Staaten können blockieren

Urteil zu CETA & Co: Staaten können blockieren
Gericht entschied, dass EU-Handelsverträge wie der mit Singapur oder CETA nicht in die alleinige Zuständigkeit der EU-Institutionen fallen.

Droht künftig eine Blockade aller umfassenden, modernen Handelsabkommen - wie im Fall des EU-Kanada-Deals CETA durch die belgische Region Wallonien?

Die Pläne der Europäischen Union für ambitionierte Freihandelsabkommen haben vor dem höchsten Gericht der Staatengemeinschaft jedenfalls einen kräftigen Dämpfer erhalten. Der Gerichtshof der EU (EuGH) erklärte am Dienstag, dass Teile des Abkommens mit Singapur die Zustimmung der Mitgliedsländer benötigten. Deshalb könne es in seiner aktuellen Form nicht von der EU allein abgeschlossen werden. Die Pressemitteilung zum Gutachten findet sich hier, das gesamte Gutachten hier.

Juncker hat's "erahnt"

Handelskommissarin Cecilia Malmström begrüßte die Klarstellung durch das Gericht.

Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker habe das Ergebnis vorausgeahnt, als er voriges Jahr entschieden habe, das EU-Abkommen mit Kanada (CETA) auch von den Mitgliedsländern ratifizieren zu lassen, sagte der Chefsprecher der Brüsseler Behörde, Margaritis Schinas.

Juncker hatte auf einem EU-Gipfel Ende Juni 2016 noch den Standpunkt vertreten, dass CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) nur von EU-Parlament und dem EU-Rat abgesegnet werden müsse. Eine Woche später hatte er seine Meinung aber nach dem Widerstand aus mehreren EU-Hauptstädten - unter anderem aus Berlin - geändert und eine Beteiligung der nationalen Parlamente vorgeschlagen.

Die Kommission werde die aktuelle Einschätzung des EuGH nun sorgfältig prüfen und mit EU-Parlament sowie Mitgliedsländern den weiteren Weg erörtern.

Generalanwältin gefolgt

Die Luxemburger Richter schlossen sich in ihrem Gutachten der Einschätzung von Generalanwältin Eleanor Sharpston vom Dezember an. Damit könnte die Ratifizierung von Handelsabkommen durch alle nationale Parlamente statt nur durch die Mitgliedsländer im EU-Rat sowie dem EU-Parlament nötig werden, wenn der Vertrag möglichst viele Bereiche abdeckt. Im Herbst war der Handelsvertrag der EU mit Kanada beinahe am Widerstand der belgischen Region Wallonien gescheitert.

Auch als Antwort auf die protektionistischen Töne von US-Präsident Donald Trump strebt die EU möglichst rasche und umfassende Freihandelsabkommen mit Japan, Mexiko und den Mercosur-Staaten an. Großbritannien will nach dem EU-Austritt ebenfalls ein möglichst weitreichendes Handelsabkommen mit dem weltgrößten Binnenmarkt abschließen.

Nur Investitionen ausgeklammert

Freihandelsgegner wie Global2000 und Greenpeace feiern das Urteil als "Sieg der Demokratie". „Eine Entscheidung zwischen neoliberaler Deregulierung oder fairer Handelspolitik ist immer eine politische Entscheidung. Mit dem Urteil des EuGH ist klargestellt, dass sie nicht ohne demokratisch gewählte und legitimierte Volksvertreter aus den Mitgliedsstaaten getroffen werden darf“, kommentierte Global2000-Geschäftsführerin Leonore Gewessler.

Das sei eine gefährliche Argumentation, heißt es hingegen aus der EU-Kommission. Denn damit würde suggeriert, dass der gesamte Entscheidungsprozess der Europäischen Union - mit der EU-Kommission als Hüterin der Verträge, dem EU-Parlament als gewählter Volksvertretung und dem Europäischen Rat als Vertretung der Mitgliedstaaten - "undemokratisch" sei.

Allerdings sind die Einschränkungen, die das Urteil diktiert, ohnedies nicht so weitreichend, wie sich die Gegner der EU-Handelspolitik wohl erhofft hätten. Das Gericht stellt nämlich fest, dass letztlich nur ein Teil der Investitionen und die Streitbeilegung zwischen Investoren und Staaten (Schiedsgerichte) nicht in der EU-Alleinkompetenz liegen. Konkret betrifft der Punkt sogenannte Portfolioinvestitionen (in Wertpapiere oder andere Anlageprodukte), wo der Investor keinen Einfluss auf das betreffende Unternehmen nehmen kann. Für Direktinvestitionen darf die EU-Kommission hingegen Beschlüsse fassen.

Vorläufige Anwendung

Was heißt das praktisch? Die Unterteilung in "EU-only" (EU-Kommission beschließt im Alleingang) und geteilter Verantwortung (Mitgliedstaaten stimmen mit) zieht zugleich auch die Grenze, welche Teile der Handelsabkommen bereits vorläufig in Kraft treten dürfen, selbst wenn sie erst auf europäischer Ebene, aber noch nicht von allen Mitgliedstaaten beschlossen sind. Das ist zumindest für das Singapur-Abkommen jetzt geklärt. Spannend werden die Ableitungen für andere Abkommen wie CETA, den EU-Kanada-Pakt. Hierzu steht die Abstimmung im österreichischen Parlament noch aus, und es wird interessant werden, ob vor allem die SPÖ-Abgeordneten zustimmen werden.

Auf den ersten Blick liest sich das EUGH-Urteil so, als müssten nur die Investitionsteile bei CETA ausgeklammert werden, bevor alle EU27 (schon ohne Briten gezählt) den Vertrag ratifiziert haben. Aber das könnte noch für heftige Debatten sorgen - nämlich die Frage, ob Teile von CETA nicht weitreichendere Konsequenzen als der Singapur-Pakt hätten. Dann könnte die Vorbildwirkung des Urteils in Zweifel gezogen werden.

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