Cem Kinay: Albtraum auf der Trauminsel

Cem Kinay: Albtraum auf der Trauminsel
Österreichs einst erfolgreichster Tourismus-Unternehmer ist in der Karibik zwischen die politischen Fronten geraten und von Interpol ausgeschrieben.

Aus dem Nichts baute der türkische Offizierssohn und Arzt in Österreich ein Tourismus-Imperium auf, das 60 Prozent des Reisemarktes beherrschte. Mit dem Veranstalter Gulet verschickte er alljährlich Hunderttausende Österreicher in den Pauschalurlaub. Einen großen Teil davon in seine 19 All-inclusive-Clubs Magic Life. Heute steht der 54-jährige Cem Kinay wieder vor dem Nichts. Er wollte mit dem Ausstieg aus dem Massentourismus und dem 2004 erfolgten Verkauf seiner Firmengruppe an den deutschen Reise-Giganten TUI seine Vision realisieren – die Entwicklung einer Insel.

2005 setzte er erstmals seinen Fuß auf den weißen Karibikstrand von Dellis Cay: "Diese Insel musste es sein." Er erstand das 560 Hektar große Eiland, das zu den britischen Turks and Caicos Islands gehört, um 18 Millionen Dollar von einer italienischen Adeligen. Ein Luxusrefugium für die wirklich Reichen sollte entstehen. Sieben Stararchitekten, von Zaha Hadid bis Pierro Lisoni, entwarfen Strandvillen, Appartements und ein Nobelhotel der Mandarin Oriental Group. Architekturmagazine schrieben von der "heißesten Architektur-Sandbank der Welt". Kinay investierte sein gesamtes Vermögen.

Beim Spatenstich, gemeinsam mit Michael Misick, dem Chef der lokalen Regierung der Turks and Caicos, ahnte Kinay noch nicht, dass sein karibischer Traum bald zum Albtraum würde. Die Regierungspartei hatte um Spenden angeklopft. "Ich ließ meine Anwälte prüfen. Die erklärten mir, Parteispenden seien absolut legal", sagt Kinay. Also spendete er "völlig offen und transparent" 500.000 Euro. Nach einem Hurrikan stand die Partei wieder auf der Türmatte und Kinay machte noch 200.000 Dollar locker.

Diese Großzügigkeit sollte ihm zum Verhängnis werden. Im August 2008 jagte Großbritannien Misick wegen schwerer Korruptionsvorwürfe aus dem Amt, löste das Parlament auf und setzte die Verfassung, die die Autonomie der Inseln regelt, außer Kraft. Politische Beobachter vermuten einen Zusammenhang mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der Inseln, die zu Kanada wollen.

Kinay hatte zuvor ein Viertel einer weiteren Insel gekauft, die im öffentlichen Eigentum stand. Für 200 Hektar auf Joe Grant Island zahlte er 3,2 Millionen Dollar und setzte das nächste Projekt auf. Partner war die italienische Luxusgruppe Bulgari, die ebenfalls ein Hotel und Villen aufziehen wollte.

Kinay habe den Inselanteil viel zu billig bekommen, weil er die Regierung bestochen habe, warf ihm der von den Briten eingesetzte Gouverneur vor. Dann ging es Schlag auf Schlag. Der Zwischenbericht einer Untersuchungskommission wurde den lokalen Medien zugespielt und die Trinidad and Tobago Unit Trust Corporation , die finanzierende Bank von Dellis Cay, sistierte den Kredit. Die Briten setzten ein Special Investigation Team unter Leitung einer Staatsanwältin auf den Fall an. Über Dellis Cay wurde ein Baustopp verhängt, beide Inseln wurden unter Zwangsverwaltung gestellt. Seit drei Jahren verwittern die halbfertigen Gebäude. Das trifft nicht nur Kinay. Anleger hatten entsprechend dem Baufortschritt schon 100 Millionen Dollar für Appartements und Villen hingeblättert. Im Endausbau sollte eine Milliarde Dollar investiert werden.

Kinay sieht sich als politisches Opfer zwischen nationalen und britischen Interessensgruppen. "Der Vertragspartner beim Kauf von Joe Grant Island war nicht die Regierung, sondern der britische Gouverneur. Er ließ den Preis festsetzen und prüfte und unterschrieb den Kaufvertrag", betont der Selfmade-Unternehmer im KURIER-Interview im Hotel "Sheraton" in Istanbul. Im folgenden Gutachter-Streit kamen fünf Prüfer, darunter Richard Ellis sowie Ernst & Young , auf ähnliche Preise wie im Kaufvertrag.

"Ich habe niemanden bestochen und von Beginn an mit der Staatsanwaltschaft voll kooperiert", verteidigt sich Kinay. Nach einer Einvernahme im britischen Konsulat im Oktober 2011 in Istanbul hörte er nichts mehr von der Staatsanwaltschaft. Bis Interpol auf Ersuchen von Turks and Caicos Anfang Juli eine sogenannte "Red Notice" ausschickte und Kinay sich auf der Liste gesuchter Krimineller fand. Doch weder die Türkei noch Österreich werden Kinay derzeit in die Karibik ausliefern.

"Ich war zuerst fassungslos. Nicht nur mein Lebenswerk wurde zerstört, auch meine Ehre soll ruiniert werden. Ich werde kämpfen", sagt Kinay und will in die Offensive gehen. Das wird teuer. Um die bisherigen Anwaltskosten zu zahlen, musste er seine Villa in Miami verscherbeln, der Verkaufserlös wurde unter Gerichtskuratel gestellt. Jetzt helfen ihm seine Familie und sein langjähriger Partner Oguz Serim finanziell aus. Gegen die Beschlagnahmung der Inseln hat er berufen. Der Gouverneur hat aber angekündigt, Joe Grant Island über Sotheby’s zu versteigern. "Das ist eindeutig gesetzeswidrig, das Berufungsverfahren läuft doch noch", empört sich Kinay.

Einen Teilerfolg erzielte er im Frühjahr in New York. Acht von 30 Villenkäufern auf Dellis Cay forderten gerichtlich Schadenersatz ein, doch die Klage wurde abgewiesen. Zwei seiner ersten Villen-Kunden, Hollywood-Größe Michael Douglas und Ehefrau Catherine Zeta Jones , haben nicht geklagt. Kinay will "alles versuchen, um Dellis Cay noch zu retten". Die ganze Causa ist ihm furchtbar peinlich: "Ich habe immer mein Wort gehalten. Ich bin ja noch jung und will weiter Geschäfte machen ... "

"Eine einmalige Karriere, absolut seriös"

Er war der Star der österreichischen Tourismuswirtschaft, und Ex-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein heftete ihm einen Orden an die breite Brust. "Eine einmalige Karriere. Er war extrem kunden- und qualitätsorientiert und hatte ein exzellentes Produkt", attestiert der ehemalige AUA-Vorstand Mario Rehulka dem 1997 vom Trendzum "Mann des Jahres" gekürten Kinay "absolute Seriosität". Hätte es nur den leisesten Anschein von Korruption gegeben, hätte ihm die AUA damals nicht ihren Reiseveranstalter Touropa verkauft.

"Ein harter Verhandler, aber perfekte Handschlagqualität. Hat immer alles tadellos funktioniert", sagt Ex-Airliner Niki Lauda über Kinay, seinen einst größten Charterkunden.

"Überaus engagiert und überzeugt von seiner Idee, aber gegenüber den Eigentümern der von ihm betriebenen Hotels vielleicht etwas zu optimistisch", meint Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky. Der saß im Konzern-Aufsichtsrat der TUI und durch den Einstieg der Deutschen auch bei Kinay im Kontrollgremium. Und war zufriedener Urlauber in den Magic-Life-Clubs.

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