Hanf-Züchter baut auf "Krautfunding"

In den Glashäusern der Firma "Flowery Field" werden legal Hanfpflanzen produziert
Unternehmer will mit medizinischem Cannabis das große Geschäft machen – noch ist es verboten.

Er hat keine Rastafari-Dreadlocks und hält nichts vom Kiffen – aber er fällt trotzdem aus der Rolle. Der studierte Jurist und frühere Volleyball-Nationalspieler Alexander Kristen ist der größte Hanfbauer, sprich Cannabis-Züchter, Österreichs. Der außergewöhnliche Gärtner verdealt jede Woche über seine Firma "Flowery Field" 25.000 Cannabis-Stecklinge – als Zierpflanzen. Zwischen 4 und 9,50 Euro kostet so eines dieser etwa 40 Zentimeter hohen Pflänzchen, die an Hanf-Geschäfte, Floristen, Baumärkte und Einzelpersonen verkauft werden. Die Stecklinge werden in Hightech-Glashäusern in Brunn am Gebirge, südlich von Wien, aufgezogen.

Alles legal

Für "Selbstzüchter" hat Kristen auch den nötigen Gärtnerbedarf im Programm: Aufzucht-Lampen, Entlüftungs- und Bewässerungssysteme sowie Dünger und Spezialerden. Das "kleine Komplett-Set" samt zehn Pflanzen kostet 431,20 Euro, für die größte Set-Variante muss man schon mehr als das Doppelte hinblättern. Unterm Strich fährt der Unternehmer mit seinen 35 Mitarbeitern vier Millionen Euro Umsatz im Jahr ein. Vier Strafanzeigen und eine Hausdurchsuchung hat der Unternehmer schon überstanden – ohne größeren Schaden. Denn: Sein Geschäftsmodell ist legal.

Vermehrung erlaubt, Blüten verboten

"Die Vermehrung von Hanfpflanzen im Wachstumsstadium ist nicht verboten", sagt der gewiefte Unternehmer, der in Wien auch vier Hanf-Shops betreibt. "Die Qualität unserer Pflanzen ist sehr gut, darum sind wir auch Marktführer." Nur eines dürfen seine Zierpflanzen nicht: blühen. Denn dann stünde der "Florist" mit beiden Beinen im Kriminal – als Suchtgift-Dealer. Cannabisblüten produzieren etwa 85 verschiedene Inhaltsstoffe, darunter den psychoaktiven Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol). Letzterer ist der Stoff, der die Kiffer in "Stimmung" bringt. THC ist aber ein Suchtgift und daher verboten. Was die Kunden später mit den blühenden und süßlich duftenden "Zierpflanzen" machen, dafür braucht man nicht viel Fantasie.

Droge als Medizin

Indes will der seine Gärtnerei groß ausbauen. Er möchte Cannabisblüten für medizinische Zwecke züchten. Doch das darf hierzulande nur die staatliche Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Das sieht der sendungsbewusste Jurist aber gar nicht ein. Er will das "Suchtgift-Monopol" der AGES mithilfe des Verfassungsgerichtshofs kippen und hat geklagt.

Hanf-Züchter baut auf "Krautfunding"
Alexander Kristen, Hanfbauer, am 15.06.2016 in Wien
"Cannabis zeigt bei verschiedenen Krankheitsbildern sehr gute Wirkung", sagt der Hanfbauer. Es wird bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose und Depressionen, sowie bei Demenz und bei Krebs als Begleitmittel neben der Chemotherapie eingesetzt. "Einerseits kann man die Blüte verkaufen, andererseits kann man flüssige Extrakte herstellen", sagt der Unternehmer. "Man kann Cannabis auch als Tropfen einnehmen." Die Pharmaindustrie hat kein großes Interesse an natürlichen Cannabinoiden, denn sie stellt diese synthetisch in höchster Reinheit her. Eines dieser (nicht psychoaktiven) Mittel (Cannabidol), das in Apotheken erhältlich ist, kostet etwa 240 Euro. Dafür erhält der Patient 28 Kapseln zu je einem Milligramm. Natürliches Cannabis sei viel billiger, behauptet Kristen.

Raus aus der Schmuddelecke

"Wir müssen Cannabis raus aus dem Suchtmittelgesetz und rein ins Arzneimittelgesetz bringen", propagiert er. "In Deutschland wird gerade das Gesetz geändert." Künftig wird dort das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Rolle eines staatlichen "Dealers" übernehmen und mit Hanfbauern Liefer-Verträge abschließen. Künftig sollen Schmerzpatienten in deutschen Apotheken Cannabis auf Rezept erhalten.

"Wenn der österreichische Verfassungsgerichtshof die derzeitige Regelung nicht aufhebt, werde ich mir überlegen, nach Deutschland zu gehen", sagt Kristen. Der Grund: Der Anbau von medizinischen Hanf ist ein Riesen-Geschäft. In den USA werden mit der Cannabis-Herstellung fette Gewinne eingefahren. "Die verdienen sehr gut, die amerikanische Cannabis-Industrie wird weltweit die führende Stellung einnehmen", sagt der Unternehmer.

1,5 Millionen Euro durch Crowdfunding

"Ich will den Hanf aus der Schmuddelecke herausholen und in Österreich ein Hanf-Kompetenzzentrum aufbauen." Dazu gibt es schon konkrete Pläne. "Ich möchte dafür ein Crowdfunding durchführen und hoffe, dass ich 1,5 Millionen Euro einsammeln kann", sagt Kristen. "Es handelt sich um ein Darlehen mit acht Jahren Laufzeit und zwei Prozent Verzinsung im Jahr." An den Details wird noch getüftelt.

Bundesregierung ist verunsichert?

Alexander Kristens Firma Flowery Field bekämpft den Paragraphen 6 des Suchtmittelgesetzes (SMG), nachdem nur die AGES Cannabis-Blüten zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecke züchten darf, vor Verfassungsgerichtshof (VfGH). Das Wiener Bundeskanzleramt (BKA) hat dem VfGH eine 17 Seiten lange Stellungnahme zukommen lassen. Darin erinnert das BKA, dass der Paragraph 6 „den Kreis der Begünstigten regelt, also jene Personen bzw. Einrichtungen, hinsichtlich deren eine teilweise Ausnahme vom Suchtmittelverbot besteht“.

„Die Bundesregierung stellt somit den Antrag, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag von Alexander Kristen als unzulässig zurückweise, oder eventuell ausspreche, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden“. Nachsatz: „Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, dass der VfGH für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimme.“ Diese Frist scheint erforderlich, meint die Regierung, „ weil das System der Zulassung zum Cannabisanbau grundsätzlich überdacht und völlig neugeregelt werden müsste“. Sollte es zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgericht kommen, wird der Bund je zwei Vertreter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt und des Gesundheitsministeriums ins juristische Rennen. Nach Einschätzung von Anwalt Wolfram Proksch, der Flowery Field rechtfreundlich vertritt, zeigt die Stellungnahme, "dass die Bundesregierung sich nicht ganz sicher ist, ob die angefochtenen Bestimmungen zu halten sind".

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