Warnung vor der digitalen Spaltung

Die neue Flagship-Filiale der Erste Bank am Erste Campus in Wien Favoriten.
Kleinere Betriebe drohen beim Umstieg auf neue Technologien den Anschluss zu verpassen.

Die Digitalisierung macht auch vor Österreichs mittelständischen Betrieben nicht halt. Wie eine Umfrage des Beraters EY unter 900 heimischen Betrieben zeigt, spielen für 56 Prozent digitale Technologien bereits eine große Rolle. Damit liegen sie fast gleichauf mit Unternehmen in Deutschland und der Schweiz. Nur jedes elfte Unternehmen betrachtet die Digitalisierung als Bedrohung. Generell würden viele mehr in die Digitalisierung investieren. Doch es fehlt an Geld (16 Prozent), Personal (elf Prozent) und Know-how (neun Prozent). "Der Mittelstand steht am Scheideweg", sagt EY-Partner Martin Unger im KURIER-Gespräch. Österreich drohe eine Spaltung in eine digitale Zweiklassengesellschaft.

Die Digitalisierung werde in den nächsten fünf bis zehn Jahren die Geschäftswelt nachhaltig verändern. "Wie umfassend das sein wird, ist noch wenig verinnerlicht", sagt Unger. Die Auswirkungen würden die gesamte Wertschöpfungskette betreffen.

Digitalisierung wirke vor allem in jenen Branchen, wo es gewachsene Unternehmenskulturen mit bis vor wenigen Jahren noch sehr hohen Renditen gebe (.z.B. Finanzen, Energie). "Sie waren in der Vergangenheit nicht gezwungen, rasch ihre Geschäftsmodelle anzupassen." Energieversorger etwa hätten regionale Monopole gehabt und daher keinen professionellen Vertrieb. Bei Banken wiederum sei der Veränderungsdruck durch die Digitalisierung besonders groß und besonders früh eingetreten. "Jetzt kommen Fintechs wie Schnellboote mit völlig anderen Geschäftsmodellen. Sie verfügen über kein Filialnetz mit tausenden hochbezahlten Mitarbeitern, sind dafür technologisch sehr gut aufgestellt und einige sehr kapitalstark", analysiert Unger.

Gegenstrategie

Unternehmen wie in diesem Beispiel Banken müssten ihre Kompetenzlücke schließen, indem man sich im Betrieb den Themen widmet oder eine externe Gesellschaft gründet bzw. ein Start-up zukauft. Die Erste Bank habe es mit ihrem Online-Banking George "völlig richtig" gemacht, indem sie dafür eine eigene Abteilung gegründet und nicht der hauseigenen IT übertragen habe.

Generell rät Unger Betrieben zu einem Digitalisierungs-Healthcheck, z.B. was kann die Konkurrenz, was erwarten die Kunden oder was ist intern neu zu organisieren. "Viele Unternehmen denken noch sehr isoliert in einzelnen Abteilungen. Es fehlt die Vernetzung zueinander." Zudem würde es nicht reichen, eine Homepage zu gestalten und einen Onlineshop einzurichten. "Am schlechtesten aber wäre eine Vogel-Strauß-Politik, nämlich gar nichts zu tun oder noch länger zuzuwarten. Je früher handeln, desto besser."

Immerhin erwarten 83 Prozent, dass die Bedeutung digitaler Technologien für ihr Geschäftsmodell in den nächsten fünf Jahren steigen wird. Doch trotz allem Willen und Tun rechnet Unger mit einem "gewaltigen Auslöschungsprozess. Jedes dritte Unternehmen wird es nicht mehr geben." Die Sorgen der KMU, dass es vor allem sie treffen werde, seien so nicht berechtigt. Zwar würden sich Große leichter tun, da sie über mehr Ressourcen verfügten, der Vorteil von kleinen Unternehmen sei jedoch deren Schnelligkeit.

Daher sollten sich alle – egal ob Friseur, Handwerker oder Arzt – sich überlegen, was Digitalisierung für den eigenen Betrieb bedeutet und wie sich die Branche dahingehend in nächster Zeit entwickeln könnte. "Man muss zunächst selbst in das Thema eintauchen. Etwa bei Uber ein Taxi bestellen oder über AirBnB eine Unterkunft buchen." Und nach Best-Practice-Beispielen in der eigenen Branche Ausschau halten.

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