Steirerhof-Chefs: "Menschliche Nähe gibt es nicht online"

Steirerhof-Diretkoren Werner und Gunda Unterweger
Die Steirerhof-Direktoren Gunda und Werner Unterweger über Digitalisierung, was die Gäste wirklich wollen, die Wertschätzung von Dienstleistung und warum sie von Trends nicht viel halten.

Gunda und Werner Unterweger führen seit 16 Jahren das Thermen- und Wellness-Hotel Steirerhof. Das 160-Zimmer-Haus in Bad Waltersdorf ist das einzige Fünf-Stern-Hotel in der Steiermark und rangiert seit vielen Jahren in allen Wellness-Rankings auf den Top-Plätzen. Der Großteil der Gäste kommt aus Österreich. Die Auslastung liegt mit 90.000 Nächtigungen und 30.000 Gästen über das Gesamtjahr bei 85 Prozent. Drei Viertel der Gäste sind Stammgäste. Die meisten der 190 Mitarbeiter stammen aus der Region. Die Immobilie gehört zur Wlaschek-Gruppe.

KURIER: Die Digitalisierung ist das große Thema in der Wirtschaft. Werden bald auch Hotels durchdigitalisiert?

Werner Unterweger: Die Rezeption verschwindet, die Gäste checken mit Smartphone ein und die Kommunikation ist nur noch digital – das sehe ich gerade in der Ferienhotellerie nicht. Wir brauchen einen vernünftigen Mittelweg.

Was kann digitalisiert werden?

Werner Unterweger: Sicher einiges im administrativen Bereich wie Marketing über Social Medias, Abrechnungen oder Vorreservierungen von Therapien, was jetzt über Telefon und Mail gemacht wird. Aber selbst da merken wir, dass die Gäste das persönliche Gespräch und die Beratung brauchen. Wir waren eines der ersten Hotels, das für Reservierungen den Chat eingeführt hat. Das wird aber nur wenig angenommen.

Gunda Unterweger: In der Stadt- und Businesshotellerie läuft das sicher oft anders ab, dort kommt der Kaffee aus dem Automaten und an der Rezeption stehen keine Mitarbeiter mehr. Aber zu uns kommen die Gäste auch der persönlichen Ansprache wegen und wollen Kommunikation mit Menschen.

Also Trend und Gegentrend?

Werner Unterweger: Diese Schere geht immer weiter auseinander. Einerseits die hoch technologisierte Hotellerie, zum Beispiel Flughafen-Hotels. Genauso gibt es den Gegentrend zum Urlaub in Almütten, der zur Zeit stark nachgefragt wird. Sicher ist: Je mehr die Menschen in gewissen Bereichen wegrationalisiert werden, desto mehr werden sie auf der anderen Seite gerade deswegen nachgefragt. Wenn den Menschen die persönliche Ansprache entzogen wird, braucht es umso mehr Ersatz.

Gunda Unterweger: Menschliche Nähe gibt es nicht online. Die Digitalisierung kann das Grundbedürfnis des Menschen nach Nähe und Wärme nicht ersetzen. Gerade die Ferienhotellerie muss den Menschen die Nähe, die ihnen im Alltag fehlt, zurückgeben. Das ist die große Aufgabe, aber auch eine Chance.

Welche neuen Trends gibt’s in der Hotellerie noch?

Gunda Unterweger: Mir gefällt das Wort Trend nicht, es erzeugt Druck, sich immer neu zu erfinden. Aber man kann sich nicht ständig neu erfinden. Es wird immer etwas Neues erwartet, doch die Grundbedürfnisse sind auch nicht neu. Statt Trends würde ich eher sagen, Rückbesinnen auf das Wesentliche. Was brauche ich wirklich? Goldene Wasserhähne oder eine gute Matratze? Wenn wir zum Beispiel einen Umbau überlegen, sprechen wir mit den Gästen und auf Grund ihrer Reaktionen entscheiden wir dann.

Werner Unterweger: Die Trendforscher reden viel zu wenig mit den Menschen. Trends sind zeitgetrieben, immer schneller muss etwas Neues her. Aber die Menschen kommen mit dieser Geschwindigkeit gar nicht mit und wollen das auch nicht. Bei gewissen Meinungsmachern gelten wir als konservatives Haus, nur weil wir die Wünsche unserer Gäste gegen gewisse Trends verteidigen.

Könnten Sie dazu ein konkretes Beispiel nennen?

Gunda Unterweger: Die Gäste fragen zum Beispiel, warum schon wieder neu designtes Geschirr. Das vorherige hat ihnen wesentlich besser gefallen.Wir müssen immer den Gast im Blickfeld halten. Bei vielen Entscheidungen, ob in der Politik oder der Wissenschaft, steht der Mensch in Wirklichkeit jedoch nicht mehr im Blickfeld.

Das Tempo der Veränderungen ist den Menschen mittlerweile zu hoch?

Werner Unterweger: Ja, und die technische Infrastruktur ist in vielen Bereichen außerdem noch nicht so perfekt, wie versprochen wird. Denken Sie doch nur an das Chaos, als vor Kurzem fast alle Bankomaten ausfielen.

Was sagen Sie zur Mitarbeiter-Diskussion in der Branche?

Gunda Unterweger: Wir kommen beide aus der Branche und wissen um den Wert der Mitarbeiter. Es ist so schade, dass die Wertigkeit der Dienstleistung in den Köpfen vieler Menschen noch nicht angekommen ist. Ich meine nicht nur die Hotellerie und Gastronomie, die Wertschätzung für Dienstleistung fehlt generell. Wenn Bundeskanzler Kern so viele neue Arbeitsplätze schaffen will, muss als erstes die gesellschaftliche Anerkennung für den Lehrberuf angehoben werden.

Welche Vorschläge haben Sie?

Gunda Unterweger: Die Berufsschule ausdehnen und die Lehre um ein Jahr verlängern. Es darf kein Unterschied mehr sein zwischen Matura und Lehre, die jungen Menschen müssen dieselben Möglichkeiten haben. Und der Meister des Lehrberufs müsste dem Master gleichwertig sein. Es gibt ja schon Ansätze dazu, die müssten forciert werden. Einerseits fehlen die Fachkräfte und andererseits sorgen sich Eltern, dass ihr Kind mit einer Lehre als Kind zweiter Klasse gilt. Es ist schon klar, nach einer Lehre wird man nicht Medizin studieren können, aber man sollte mit einem Lehrberuf leichter Zugang zu den Fachhochschulen haben.

Werner Unterweger: Da wird immer über Qualifikation geredet. Wir haben Akademiker, die Taxi fahren, doch wir haben kaum deutschsprechende junge Installateure.

Haben Sie, wie offenbar die gesamte Branche, in Ihrem Haus auch Probleme, geeignete Mitarbeiter zu bekommen?

Werner Unterweger: Es ist nach wie vor schwierig. Wir bilden selbst viel aus und haben immer rund 20 Lehrlinge. In der Branche sind einige Probleme natürlich auch hausgemacht. Klar ist es für einen Betrieb mit dreimonatiger Saison schwierig, die Mitarbeiter brauchen Sicherheit und Kontinuität. Als Ganzjahres-Betrieb haben wir es leichter. Wir können geregelte Arbeitszeiten und interessante Teilzeit-Modelle anbieten, die auf die Work-Life-Balance der Mitarbeiter abgestimmt sind.

Gunda Unterweger: Für die jungen Leute ist die Freizeit oft wichtiger als Karriere. Wir müssen umdenken und die Arbeitszeit-Modelle noch besser den Wünschen der Mitarbeiter anpassen. Da haben Hotellerie und Gastronomie große Chancen. Sprachkultur und Betriebsklima müssen jedoch stimmen.

Karriere

Gunda und Werner Unterweger sind seit 37 Jahren im Tourismus tätig und seit 25 Jahren Hoteldirektoren. Seit 16 Jahren führen sie den Steirerhof. Eine Tochter jobbt bereits in der Spitzenhotellerie am Arlberg, die zweite besucht derzeit die Hotelfachschule.

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