Der Fernbus kommt in Fahrt – nicht nur zu Weihnachten

Weihnachten ist die Zeit der Fernbusse.
Zu Weihnachten sind Busse traditionell ausgebucht. Die Nachfrage nach Plätzen steigt aber das ganze Jahr über. Wegen neuer Angebote und auch, weil es zum Lifestyle der Jugend passt, meint zumindest Busunternehmer Thomas Blaguss.

Zu Weihnachten sind Fernbusse traditionell gut gebucht. Auch das restliche Jahr steigt die Nachfrage dank neuer Plattformen wie Flixbus. Der burgenländische Busunternehmer Thomas Blaguss über den Fernbus-Boom, der sich von Deutschland aus auch nach Österreich ausbreitet. Warum kleine Einzelkämpfer schwer mitspielen können und warum er die Kritik der Gewerkschaft an den Bedingungen, zu denen Busfahrer arbeiten, nicht nachvollziehen kann.

KURIER: Ist Weihnachten die Hauptsaison im Busverkehr?

Der Fernbus kommt in Fahrt – nicht nur zu Weihnachten
Thomas Blaguss, honorarfrei
Thomas Blaguss: Definitiv. Zum Teil werden die Strecken mit doppelter und dreifacher Kapazität gefahren. Es ist die stärkste Zeit im Jahr, weit vor Ostern und dem Beginn der Ferienzeit.

Woher nehmen Sie all die zusätzlichen Busse?

Wir haben zum Glück Reserven – auch weil der Winterfahrplan traditionell nicht so dicht ist wie der Sommerfahrplan. Auf manchen Strecken fahren zusätzlich zu Weihnachten Stockbusse. Dennoch sollte man vor Weihnachten auf jeden Fall rechtzeitig buchen.

Welche Strecken sind besonders überlaufen?

Wien ist mit seinen Umstiegsmöglichkeiten der Hub für Osteuropa und Deutschland. Osteuropäer sind traditionell Busfahrer – in einigen Ländern gab es ja schlicht keine Bahn. Auch bei uns wird der Bus nun zu einer Alternative – nicht nur am Papier, auch in den Köpfen der Menschen.

Speziell bei der Jugend?

Ja, viele machen keinen Führerschein mehr, setzen auf Carsharing. Gerade die Jungen wollen preiswert reisen und steigen auf den Fernbus um. Da hat sich in den vergangen zehn Jahren viel geändert.

Profitieren Sie von den Streiks bei der Lufthansa?

Wenn die Ungarische Staatsbahn zwischen Wien und Budapest streiken würde, würden wir das mehr spüren. Derzeit überlegen sich noch wenige Geschäftsleute, sich mit ihrem Boss-Anzug statt ins Flugzeug in den Fernbus nach Berlin zu setzen. Auf der Strecke WienMünchen ist das schon wieder eine andere Geschichte.

Sie haben Westbus zu 100 Prozent übernommen. Wozu?

Das war von Beginn an eine Option. Unser Partner, die Westbahn, wollte sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Unser Kerngeschäft ist das Busgeschäft. Da wir schon 51 Prozent an Westbus gehalten haben, war die Übernahme naheliegend.

Kann man nur noch als großer Spezialist am Markt mitspielen?

Viele Anbieter sind vom Markt verschwunden. Ich glaube, dass der Vorsprung von Flixbus nicht mehr leicht einzuholen ist. Es gibt keine neuen Strecken mehr zu entdecken, man kann nur noch kopieren aber nichts Neues mehr erfinden.

Also kein Platz für Kleine?

Wenn Flixbus eine Strecke sieben Mal am Tag bedient, tut man sich schwer, mit einer Verbindung am Tag dagegen anzufahren. Die großen haben die Infrastruktur, Umbuchungs- und Umsteigemöglichkeiten.

Blaguss ist an Flixbus beteiligt. Zu wie viel Prozent?

Das sagen wir nicht. Es ist weniger als die Hälfte, aber ein erheblicher Anteil. Wir sind auch nicht an der deutschen Flixbus beteiligt, die die Deutschland-Strecken bedient, sondern an der CEE-Tochter.

Weil Blaguss mit den Oststrecken groß geworden ist?

Wir haben da seit gut 40 Jahren Expertise bei Strecken nach Ungarn, Tschechien oder in den Balkan. Deshalb war es für Flixbus interessant, dass wir unser Geschäft in die neue Gesellschaft einbringen.

Wie viele Busse hat Blaguss derzeit?

Aktuell 450, wir beschäftigen rund 600 Fahrer.

Wie viele davon sind auf Fernstrecken unterwegs?

Etwa 60 Busse.

Und die Busfahrer werden nach österreichischem Kollektivvertrag entlohnt?

Unsere Busfahrer werden in den jeweiligen Ländern nach Kollektivvertrag oder darüber entlohnt. Wir haben ja Niederlassungen in Deutschland, Österreich, Slowakei und Ungarn und halten uns an die Gesetze. Das schlechte Image kommt aus der Lkw-Branche. Bei Billigfliegern sind die Löhne der Piloten nie ein Thema. Das ärgert mich schon.

Wie sieht es mit den Ruhezeiten der Fahrer aus?

Ein Fahrer darf maximal neun Stunden unterwegs sein und muss nach 4,5 Stunden eine Pause von 45 Minuten machen – diese kann er auch splitten. Im Detail sind die Bestimmungen kompliziert, werden aber eingehalten. Bei Nachtlinien sind immer zwei Fahrer im Bus.

Zu Ihrem Unternehmen gehört auch der Busterminal in Wien Erdberg. Wie viele Busse fahren dort jede Woche?

Rund 1200 An- und Abfahrten die Woche. Wir sind damit für 60 bis 70 Prozent der Fernbusse von und nach Wien verantwortlich. Es geht um zwei Millionen Passagiere im Jahr. Zur Orientierung: Das ist die Größenordnung vom Flughafen Salzburg. Wären wir ein Flughafen, wären wir die Nummer zwei nach Wien Schwechat in Österreich. Bei uns ist aber alles privat finanziert.

Ein neuer Busbahnhof wird schon lange von der Stadt Wien diskutiert. Was ist der letzte Stand?

Seit eineinhalb Jahren wird über einen zentralen Autobusbahnhof geredet. Er könnte am Verteilerkreis entstehen – dorthin fährt ab nächsten Jahr auch die U1. Wir sind in den Prozess eingebunden, bringen unsere Erfahrung ein.

Sperren Sie in Erdberg zu, wenn der neue Bahnhof kommt?

Im Idealfall schon, nämlich dann, wenn wir am neuen Bahnhof so viel Einfluss bekommen, wie wir benötigen. Erdberg würde uns aber erhalten bleiben. Wir haben dort Waschanlagen und brauchen auch weiterhin die Parkplätze.

Von Graz nach Wien um neun Euro, von Innsbruck nach München um acht Euro oder um 22 Euro von Wien bis nach Berlin: Auf dem Fernbusmarkt regiert vor allem der Preis. Dieser wird oft gar nicht mehr vom Busunternehmer gemacht. Sondern von einer Online-Plattform – wie Flixbus.
Das Modell sieht eine klare Aufgabenaufteilung vor: Die Plattform sorgt für ein ausgeklügeltes Streckennetz, das mehrmals täglich bedient wird. Dazu gehören gute Umsteigemöglichkeiten und ein guter Preis. Letzterer wird nach dem Vorbild der Airlines festgelegt. Sprich: Wollen viele Menschen mit einem Bus fahren, steigt der Ticketpreis. Wer während des Münchner Oktoberfestes mit dem Bus nach München will, wird mehr zahlen als einen Monat später.
Flixbus hat keine eigenen Busse. Das Portal arbeitet mit klein- und mittelständischen Busunternehmen zusammen, die mit dem Portal ihre Busse auslasten. In Österreich fährt zum Beispiel das Wiener Unternehmen Dr. Richard die Flixbus-Strecke WienGraz.

1100 Firmen am Start

„Österreichweit gibt es noch mehr als 1100 Busunternehmen“, betont Paul Blachnik, Geschäftsführer des Fachverbandes in der Wirtschaftskammer Österreich. Die meisten davon sind aber kleine Betriebe. Im Branchenschnitt hat ein Unternehmen fünf Busse und beschäftigt fünf Mitarbeiter, so die Statistik des Fachverbandes. Die österreichische Busflotte – also die gewerblich genutzten Fahrzeuge – besteht demnach aktuell aus rund 9200 Bussen.
Unangefochtene Nummer eins am Markt ist die – durch die Integration ÖBB/Bahnbus entstandene – ÖBB Postbus GmbH mit mehr als 2200 Bussen und mehr als 3600 Mitarbeitern.

Familie mit 800 Bussen

Der größte private Busunternehmer im Land ist das Wiener Unternehmen Dr. Richard. Zur Gruppe, die in dritter Generation in Familienhand ist, gehören 800 Autobusse. Im Vorjahr setzte das Unternehmen mit 1300 Beschäftigten rund 127 Millionen Euro um. Nummer drei am Markt ist die burgenländische Blaguss-Gruppe, die auch den Vienna International Busterminal (VIB) in Wien betreibt und an Flixbus beteiligt ist (siehe Interview).
Die Konkurrenz im In- und Ausland schläft nicht. Auch die tschechische Firma Leo Express will in Österreich mitmischen, sowie die Slovak Lines oder Eurolines, ein Zusammenschluss von 32 europäischen Busgesellschaften. Im Sommer diesen Jahres sind zudem die ÖBB mit einer eigenen Fernbuslinie unter dem Namen Hellö an den Start gegangen. Hellö-Busse fahren unter anderem Frankfurt, Karlsruhe oder Nürnberg an. Alles in allem viele Anbieter für einen noch überschaubaren Markt. Laut Branchenschätzungen werden in Österreich sieben Prozent der Urlaubsreisen mit dem Bus gemacht, Tendenz steigend.

5940 Kilometer. Das ist meine Fernbus-Bilanz in 2016. Ich bin routinierte Busfahrerin. Als Studentin aus Budgetgründen. Heute aus Bequemlichkeit. Der Komfort ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich, die Leistung aber immer gleich: Man wird günstig und direkt von Stadt zu Stadt gefahren, ohne im Anschluss Parkplatz suchen zu müssen. Die Fahrten erinnern dabei immer ein bisschen ans Fliegen: Man verstaut seine großen Koffer im Bauch des Busses, Handgepäck über den Sitzen. Ein Steward bringt Getränke und Zeitungen und bittet, über die gesamte Fahrt angeschnallt zu bleiben.

Es gibt gute und schlechte Bus-Reisetage. Die guten: Man hat einen Sitzplatz reserviert – und niemand sitzt am Nachbarplatz. Der Kopfhörer-Anschluss am Touchscreen des Fernsehers am Vordersitz funktioniert und die Filmdatenbank wurde seit der letzten Fahrt um die neuesten Blockbuster aktualisiert. Die WIFI-Verbindung ist stark und der Laptop hängt am Aufladegerät (ja, es gibt Steckdosen!). Man düst ohne Stau und Grenzkontrollen über die Autobahn hinweg, genießt die Landschaft und kommt pünktlich an seiner Destination an. Oder man hat die mehrstündige Fahrt überhaupt verschlafen.

Und dann gibt es die schlechten Reisetage. Jene, an denen eine große Studentenreise-Gruppe mitfährt, aus der immer jemand fragt: „Könnten Sie mit meiner Freundin Platz tauschen, damit wir nebeneinandersitzen können?“ Wer weiß, wie schlimm eine lange Busfahrt ohne beste Freundin am Nebensitz sein kann, willigt ein. Und leidet dann selbst. Denn auf dem neuen Platz – nächst der Toilette – ist die Rückenlehne des Vordermannes weit nach hinten gelehnt. Und er selbst schläft. Das Baby hinter einem weint bitterlich und als es gewickelt wird, versagt die Klimaanlage.

Alles genau so da gewesen. Doch, wenn man auf die 5940 mit dem Bus zurückgelegten Kilometer zurückblickt, überwiegen dann doch die guten Tage. Und um beim Fliegervergleich zu bleiben: Meilen kann ich bei meiner Buslinie leider keine sammeln. Aber das wäre doch mal eine gute Kundenbindungsidee.


-Magdalena Vachova

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