Brutaler Preiskampf auf dem Bau

Symbolbild
Die heimischen Baufirmen beschäftigen wieder mehr Mitarbeiter, doch die Billigkonkurrenz aus dem EU-Ausland setzt ihnen massiv zu.

Das Jammern gehört in der Bauwirtschaft wie Mörtel und Zement zum normalen Geschäft. Doch die Lage ist tatsächlich seit Jahren angespannt. Der Wettbewerbsdruck setzt den heimischen Unternehmen stark zu. Nun gibt es einen kleinen Lichtblick. "Die vergangenen Jahre waren keine leichte Zeit für die Bauwirtschaft. Die schwächelnde Konjunktur und der steigende unfaire Wettbewerb verursachten Preisdruck und Lohndumping", sagt Baugewerkschafter Josef Muchitsch. "Von der Auftragslage her brauchen die Bauunternehmen zurzeit nicht jammern. Wir haben mehr Beschäftigte und weniger Arbeitslose am Bau." Nachsatz: "Ich kenne zwar die finanzielle Lage der Baufirmen nicht, aber aus Jux und Tollerei werden die nicht 3000 Leute zusätzlich einstellen."

Fakt ist, dass im Juli fast 134.000 Personen in der österreichischen Bauwirtschaft (siehe Grafik) beschäftigt waren, das sind 3200 Jobs mehr als im Juli 2015. Fast 69.000 Mitarbeiter arbeiten im Baugewerbe, knapp 21.000 Personen in der Bauindustrie. So erfreulich die positiven Beschäftigungszahlen auch sind, bedeuten sie nicht automatisch höhere Umsätze oder bessere Erträge. Unterm Strich kommt bei vielen Baufirmen nämlich nicht mehr Gewinn heraus.

Problemregion Kärnten

"Die Auftragslage wird geringfügig besser, wenn auch auf einem sehr niedrigen Niveau", sagt Peter Scherer von der Bundesinnung Bau. "Die Betriebe beschäftigen wieder mehr Eigenpersonal. Vor allem in Vorarlberg ist die Auftragslage sehr gut, große Probleme gibt es in Kärnten und im Burgenland." Reicht der Auftragsbestand in Vorarlberg für mehr als 20 Wochen Auslastung, so liegt dieser in Kärnten und im Burgenland nur bei zehn Wochen. Letztere leiden unter der Billigkonkurrenz aus dem benachbarten EU-Ausland (Slowakei, Ungarn, Slowenien). "In Wien haben sich die Erwartungen nur geringfügig verbessert, die Mehrheit der Baufirmen ist dennoch pessimistisch für die nächsten Quartale", sagt Scherer. "Die trübsten Prognosen meldet Kärnten. Mehr als die Hälfte der Firmen erwartet sinkende Aufträge." Vor allem fehlen öffentliche Projekte, weil das durch die Hypo-Affäre geschädigte Land Kärnten kein Geld hat.

Über Wasser gehalten

In Niederösterreich ist die Lage "durchmischt". "Es ist etwas besser geworden als im Vorjahr, aber die Baupreise stagnieren. Das betrifft den Hochbau und das bringt die Branche unter Druck", sagt Landesinnungsmeister Robert Jägersberger, der 90 Mitarbeiter in zwei Betrieben beschäftigt. "Es werden zwar weiterhin Wohnungen gebaut, aber viel zu wenige." In den Ballungszentren und an der Peripherie sei die Nachfrage groß. Die Anschaffung eines Eigenheimes habe für viele Familien weiterhin Priorität. "Das hat die Bauwirtschaft über die Jahre hinweg über Wasser gehalten, doch auch hier wird das Umfeld schwieriger", sagt Jägersberger. Gemeint ist der massive Druck durch die Billiganbieter aus dem EU-Ausland.

Brutaler Preiskampf auf dem Bau

Enormer Preisdruck

"Was uns unter den Nägeln brennt, ist der ruinöse Preiswettkampf", sagt der steirische Bauunternehmer und Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel. "Ich kenne Baustellen in Österreich, wo Polier und Bauleiter deutsch sprechen, der Rest sind Polen, Slowaken, Ungarn oder Slowenen." Und das alles ganz legal.

Denn: Laut EU-Richtlinien können Firmen aus EU-Mitgliedsländern in Österreich Aufträge an Land ziehen und ihre Mitarbeiter zu den Arbeiten nach Österreich entsenden. Die Abgaben und Steuern werden im Heimatland gezahlt – oder auch nicht. Bei der Lohnkalkulation können heimische Unternehmen dadurch nicht mithalten. "Der Preisdruck entsteht beim Lohn. Polen sind mindestens um 15 Prozent billiger", sagt Frömmel.

Alleine im Juli waren 564 ausländische Baufirmen mit 5133 Mitarbeitern auf österreichischen Baustellen (siehe Grafik) tätig. Diese sogenannten Entsendungen sind im Vergleich zum Vorjahr nur marginal zurückgegangen. Fakt ist aber auch, dass 42.700 Ausländer in inländischen Baufirmen arbeiten. Vor allem Polen, Bosnier, Ungarn, Deutsche, Kroaten, Türken, Rumänen, Slowaken und Serben führen das Ranking an. "Wir brauchen diese Gastarbeiter. Sonst hätten wir nicht genügend Leute, die bereit sind, auf dem Bau zu arbeiten", sagt Baumeister Jägersberger. "Beim Akkordarbeiten wie Eisenbiegen, Innenverputz oder Estrichlegen ist man auf Subfirmen angewiesen, die aufgrund ihrer Spezialisierung niedrigere Kosten haben."

Wohnbauoffensive

Neben der Einführung des Bestbieter-Prinzips bei öffentlichen Ausschreibungen setzen Bauwirtschaft und Gewerkschaft viel Hoffnung in die Wohnbauoffensive der Regierung. Über die neugegründete Wohnbau-Investitionsbank (WBIB) sollen fünf Milliarden Euro in den Wohnbau und 750 Millionen in die Infrastruktur fließen. "In den nächsten sieben Jahren werden zusätzlich 30.000 Wohnungen gebaut", sagt Gewerkschafter Muchitsch. "Die WBIB erhält finanzielle Mittel von der Europäischen Investitionsbank EIB, die sie den privaten und gemeinnützigen Wohnbauträgern zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellt. Der Bund haftet dafür." Auch Baumeister Frömmel setzt viel auf diese Offensive. "Ein großer Vorteil bei großen Wohnanlagen ist, dass auch die Mittel für den Bau der entsprechenden Infrastruktur wie Schulen und Kindergärten zur Verfügung gestellt werden", sagt Frömmel.

Indes hofft sein Kollege Jägersberger, dass die Wertschöpfung aus diesen Förderungen am Ende des Tages in inländischen Regionen bleibt. Jägersberger: "Es sollte unterbunden werden, dass Aufträge en gros an Subfirmen aus dem Ausland vergeben werden und die Gelder so über die Grenzen verschwinden."

Österreich hinkt nicht nur beim Wirtschaftswachstum insgesamt, sondern auch bei der Baukonjunktur in Europa hinterher. Die Bauproduktion wird in Österreich laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) heuer nur um magere 0,8 Prozent zulegen, erst für 2017 und 2018 erwarten die WIFO-Experten Zuwächse von 1,3 bzw. 1,9 Prozent. Damit liegt Österreich innerhalb der 19 sogenannten Euroconstruct-Ländern (15 westeuropäische und vier osteuropäische Staaten) auf den hinteren Rängen. Ähnlich schwach wird die Bauproduktion auch in Deutschland, der Schweiz, aber auch in der Slowakei ausfallen.
Wobei Österreichs Bauwirtschaft vor allem von der Wohnbauoffensive profitiert: Der Wohnungsbau wird laut WIFO heuer um 1 Prozent, 2017 um 1,4 und 2018 um 2,4 Prozent zulegen. Im Tiefbau wird es trotz milliardenschwerer Ausbauprogramme für Schiene und Straße nur magere Wachstumsraten zwischen 0,2 und 0,4 Prozent geben.
Die heimischen Bauriesen – die eine Flaute in Österreich durch ihre internationale Ausrichtung zum Teil kompensieren können – leiden zum Teil unter den schwachen Wachstumsraten. Beim größten österreichischen Baukonzern Strabag etwa wird heuer der Umsatz zurückgehen, im ersten Halbjahr machte das Minus 8 Prozent aus. Schuld daran sind Rückgänge in Deutschland, Ungarn und auf dem russischen Markt.
Beim zweitgrößten Konzern Porr – der wie die Strabag gut die Hälfte des Umsatzes außerhalb Österreichs erzielt – dagegen läuft es deutlich besser. Im 1. Quartal 2016 stieg der Umsatz um 13 Prozent. Allerdings fiel auch bei Porr im Deutschlandgeschäft – das allerdings wesentlich kleiner ist als das der Strabag – nur ein mageres Plus an.
Beide Konzerne leben derzeit recht gut im Geschäft mit Infrastruktur-Großprojekten. So bauen beide den Großteil des Koralmtunnel für die ÖBB, Porr hat zusammen mit Partnern bereits den dritten Großauftrag für die U-Bahn im Scheichtum Katar an Land gezogen.

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