Brexit trifft auch die Autoindustrie

Vorstellungen: Mini zeigt das neue Modell...
Für Volkswagen und Daimler/Mercedes würde sich Abwertung des britischen Pfund unangenehm auswirken, sagt Experte.

Der Austritt der Briten aus der Europäischen Union (EU) wird auch Auswirkungen auf die weltweite Autoindustrie haben.“ Gehen wir mal davon aus, dass das britische Pfund nach dem Brexit deutlich abgewertet würde“, meint Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Instituts Center Automotive Research (CAR) und Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, in einer schriftlichen Analyse. „Für den VW-Konzern und Daimler wäre das unangenehm, aber für BMW, Ford, Opel liegt natürliches Hedging vor, denn diese Autobauer sind mit Produktionen auf der Insel vertreten. Insgesamt gilt ohnehin, dass Wechselkurs-Risiken zum Geschäft der Autobauer gehören und Daimler und VW schlechte Finanzvorstände hätten, wenn die Umsätze der nächsten Jahre nicht über Devisentermingeschäfte abgesichert würden.“ Nachsatz: „Also keine Katastrophe, es sei denn der Finanzvorstand ist eine Katastrophe. Tatsache ist auch, die Autowelt geht durch einen Brexit nicht unter.“

Austritt nicht sehr gefährlich

BMW hat im Jahr 2015 in England rund 200.000 Fahrzeuge der Marke Mini und 4000 Pkw der Luxusmarke Rolls-Royce und eine Reihe von Motoren im Werk Hams Hall, North Warwickshire, gebaut. Verkauft wurden von der gesamten BMW-Group rund 230.000 Neuwagen in Großbritannien. Übergroße Reaktionen auf die Gewinne bei BMW wären nicht zu erwarten, meint der Experte, selbst bei großer Abwertung des Pfund.

Brexit trifft auch die Autoindustrie
Bremen/ ARCHIV: Ferdinand Dudenhoeffer, Professor im Fachgebiet Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universitaet Duisburg-Essen, in Bremen beim Symposium "Mobilitaet der Zukunft - Realitaet und Vision" (Foto vom 30.10.10). Automobilexperte Ferdinand Dudenhoeffer fordert weitgehende Massnahmen zur Bevorzugung von Elektroautos. "Die Kommunen sollten darueber nachdenken, ob in den Innenstaedten kuenftig Elektroautos Vorrang haben sollten. Freie Fahrt auf Busspuren, besondere Parkplatzangebote oder Umweltzonen nur fuer Fahrzeuge mit Elektroantrieb und Foerderung von Elektro-Car-Sharing - das waere der richtige Weg", sagte Dudenhoeffer der "Passauer Neuen Presse" (Dienstagausgabe vom 02.10.12). Er warnte vor einem Ende der Elektrofahrzeug-Technologie. "Wir erleben gerade den Tod des Elektroautos. Wenn es so weitergeht, werden wir das Elektroauto schon in wenigen Jahren im Museum sehen." (zu dapd-Text) Foto: Focke Strangmann/dapd
„Bei nüchterner Betrachtung erscheint für die Autobranche ein Brexit längst nicht so gefährlich, wie ihn viele Verbände und Unternehmen an die Wand malen“, meint der deutsche Autopapst Dudenhöffer. „England ist ein gesättigter Automarkt. Auf 1000 Engländer kommen 510 Pkw. Die Nachfrage nach Neuwagen wird damit in England zu neunzig Prozent durch den Ersatzbedarf definiert. In den vergangenen Jahren hatte der britische Automarkt eine Hochkonjunktur.“ Nachsatz: „Die Autos auf der Straße sind ‚jünger‘ geworden, also wird mit oder ohne Brexit, sich die Nachfrage der Engländer nach Neuwagen in den nächsten Jahren beruhigen.“

Der Automarkt Großbritannien

Im Vorjahr wurden in Großbritannien rund 2,6 Millionen neue Autos verkauft, auf dem gesamten Weltmarkt waren es mehr als 78 Millionen Kraftfahrzeuge. „Das Kuchenstück der Engländer am Weltmarkt hat damit eine Größe von drei Prozent“, erklärt Dudenhöffer. „Können drei Prozent einen Untergang der Branche auslösen? Gehen wir mal davon aus, es kommt ganz schlimm, dann bricht der Automarkt in England um 50 Prozent ein. Der Weltmarkt für Kraftfahrzeuge würde dann um 1,5 Prozent sinken.“ Selbst bei vorsichtigen Prognosen, meint der Auto-Professor, würde der erwartete Zuwachs in China die 1,5 Prozent ausgleichen. „Mittelfristig würden diese Verluste, so wie in jedem gesättigten Markt wieder aufgeholt“, argumentiert der deutsche Experte. „Wir verlieren also nur zeitweise – und das in einem „vertretbaren“ Maß.“

Die Japaner

Andere Autobauer dürfte eine Abwertung des Pfund weniger treffen.„Nissan baut in England 500.000 Fahrzeuge. Eine Abwertung des Pfund wäre für die Japaner nicht das schlechteste. Gleiches gilt für Land Rover, die mit knapp 400.000 Autos in England der zweitgrößte Autobauer sind“, weiß Dudenhöffer. „Und auch Toyota und Honda haben mit jährlichen Produktionsvolumen von 180.000 und 120.000 Fahrzeugen in England mehr als Natural Hedging.“ Für den Uni-Professor stellt sich die Frage, wie wirkt sich der Brexit auf den Warenverkehr aus? „Auch hier kann sich niemand in der Welt nach einem Brexit Sanktionen á la Russland vorstellen“, meint der Experte „Vielmehr wird man wie vernünftige Menschen miteinander umgehen und die präferierten Handelsvereinbarungen nicht auflösen. Niemand würde durch den Rückfall in eine Zeit der Zoll- und Handelshemmnisse gewinnen.“ Nachsatz: „Eine Bestrafung der Engländer, nur weil man in Brüssel nicht mehr bei den nächtelangen Verhandlungen der Regierungschef zur Bankenrettung in Griechenland und sonst wo oder den Flüchtlingsabkommen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan am Tisch sitzt, wäre ein schwaches Argument.“

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