Brexit: 5 Billionen Dollar Börsenwert vernichtet

Brexit: 5 Billionen Dollar Börsenwert vernichtet
Euro-Stoxx zwischenzeitlich mit Minus von 9,18 Prozent. Die Lage hat sich im Laufe des Tages wieder entspannt.

"Black Friday" an den Finanzmärkten: Das Brexit-Votum der Briten hat am Freitag zu massiven Verwerfungen geführt und den DAX zwischenzeitlich auf den tiefsten Stand seit Februar zurückgeworfen. Nachdem bereits die Börsen in Asien eingebrochen waren, kam es auch an Europas Börsen zu Kursverlusten, die das letzte Mal in der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gesehen wurden.

Der Crash an den Börsen in Folge des Brexit-Entscheids hat Experten zufolge weltweit fünf Billionen Dollar (4,39 Billionen Euro) an Börsenwert vernichtet. Dies entspreche dem Doppelten der gesamten Wirtschaftsleistung Großbritanniens und 17 Prozent der Wirtschaftsleistung der G7-Staaten im vergangenen Jahr, schrieb Aktienstratege Christian Kahler von der deutschen DZ Bank in einem Kurzkommentar.

DAX: 95 Mrd.Euro in Luft aufgelöst

Allein im deutschen Leitindex DAX hätte sich eine Marktkapitalisierung von 95 Mrd. Euro "in Luft aufgelöst". An dieser Erstbewertung zeige sich, dass die Reaktion der Kapitalmärkte auf das Votum der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich übertrieben sei.

Gegenüber dem Handelsbeginn beruhigten sich die Ausschläge am späteren Vormittag aber wieder. Der deutsche Leitindex, der kurz nach seinem Start noch rund 10 Prozent oder mehr als 1.000 Punkte eingebüßt hatte, verlor zuletzt noch 6,93 Prozent auf 9.545,97 Punkte. Der MDAX der mittelgroßen Konzerne sank in der Früh um 5,19 Prozent auf 19.693,23 Punkte. Der Technologiewerte-Index TecDAX büßte 4,84 Prozent auf 1.562,17 Punkte ein. Sämtliche Aktien aus der DAX-Familie standen im Minus, also aus DAX, MDAX, TecDAX und SDAX.

Der Euro-Stoxx-50 knickte gegen am frühen Nachmittag um satte 278,82 Einheiten oder 9,18 Prozent auf 2.759,04 Punkte ein. Nach dem Schock zum Handelsstart hat der Index damit aber vorerst einen Boden gefunden. Der deutsche DAX konnte sein anfängliches Minus sogar etwas eindämmen und notierte im Mittagshandel bei 9.522,54 Punkten, das ist ein Minus von 734,49 Einheiten oder 7,16 Prozent. Deutlich schlimmer erwischte es die Börsen in Mailand und Madrid, die um 10 bzw. sogar 12 Prozent absackten. In Spanien wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt.

Ein vergleichsweise moderates Minus verzeichnete dagegen der britische FTSE-100, der 278,08 Zähler oder 4,39 Prozent verlor und zuletzt bei 6.060,02 Stellen stand. Börsianer verwiesen als möglichen Grund für die relative Stärke des "Footsie" auf den Absturz des britischen Pfund. Auch der angekündigte Rücktritt von Premierminister David Cameron, der offiziell gegen einen Brexit eingetreten war, sorgte vorerst nicht für stärkere Abschläge.

"Keiner hat damit gerechnet, dass die Briten wirklich austreten", sagte ein Händler. "Jetzt gibt es immensen Absicherungsbedarf." Jochen Stanzl von CMC Markets sprach von einem "Schock". Seit Mitte der Vorwoche hatte der Dax noch in zunehmender Hoffnung auf einen Verbleib der Briten um fast 9 Prozent zugelegt.

UniCredit auf Rekordtief

Europaweit sind am Freitag Aktien von Finanzinstituten unter die Räder gekommen. Zahlreiche Großbanken sackten an der Börse auf ihre niedrigsten Kurse seit mehreren Jahren ab. Die Papiere des italienischen Geldhauses UniCredit erreichten ein Rekordtief, Deutsche Bank und Commerzbank verloren zeitweise fast ein Fünftel ihres Börsenwerts.

Der europäische Bankenindex fiel um bis zu 17,4 Prozent, das war der größte Rückgang an einem Tag überhaupt. An der Wiener Börse verloren die Aktien der Erste Group bis 13.00 Uhr minus 12,4 Prozent und Raiffeisen Bank International minus 8,4 Prozent.

Börsianer zeigten sich geschockt. "Völlig unklar ist, welche Bank in welchem Ausmaß von den ebenfalls noch unklaren mittelfristigen Auswirkungen des Brexit betroffen sein wird", schrieben die Analysten der DZ Bank in einem Kurzkommentar. Firmen aus der Finanzbranche hängen besonders von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Experten erwarten wegen des Brexit nun eine Rezession in Großbritannien und eine zumindest kurzzeitige Abschwächung der Konjunktur in der EU.

Nun richten sich die Augen der Anleger auf die Notenbanken, die zuletzt in Notlagen immer stützend eingegriffen hatten. "Die Wahrscheinlichkeit einer starken Antwort der Europäischen Zentralbank ist jetzt hoch", sagte Stanzl. Er sieht daher das Risiko für eine Rezession als relativ gering an.

Die Wiener Börse ist am Freitag nach dem britischen EU-Austrittsvotum wie die übrigen europäischen Handelsplätze stark eingebrochen. Der heimische Leitindex ATX büßte bis 9.15 Uhr 10,98 Prozent auf 1.995,94 Zähler ein. Bisher wurden 2.024.900 (Vortag: 264.382) Aktien gehandelt (Einfachzählung).

Talfahrt in Tokio

Auch die Leitbörsen in Fernost sind nach der britischen Entscheidung für einen Austritt aus der Europäischen Union (EU) am Freitag steil auf Talfahrt gegangen. Besonders hart traf es die Börse in Tokio: Der Nikkei-225 Index verlor satte 1.286,33 Zähler oder 7,92 Prozent auf 14.952,02 Punkte.

Der Hang Seng Index in Hongkong fiel indessen vergleichsweise moderate 609,21 Zähler (minus 2,92 Prozent) auf 20.259,13 Einheiten. Der Shanghai Composite verlor 37,67 Punkte oder 1,30 Prozent auf 2.854,29 Punkte.

Die Märkte in Indien und Australien zeigten sich ebenfalls tiefrot. Der Sensex 30 in Mumbai tendierte zuletzt bei 26.354,74 Zählern mit minus 647,48 Punkten oder 2,40 Prozent. Der All Ordinaries Index in Sydney verlor 165,8 Zähler oder 3,09 Prozent auf 5.192,80 Einheiten.

Ölpreise auf Talfahrt

Auf Talfahrt gingen auch die Ölpreise. Der Kurs für die Nordseesorte Brent knickte zum europäischen Handelsstart um rund 5 Prozent auf 48,30 Dollar ein, der US-Ölpreis WTI ging in gleichem Ausmaß zurück und notiert bei rund 47,5 Dollar.

Die Entscheidung für den Austritt aus der Union traf die Akteure an den Finanzmärkten völlig unerwartet. "Alle sind falsch positioniert", sagte ein Börsianer in der Früh. "Keiner hat damit gerechnet, dass die Briten wirklich austreten. Jetzt gibt es immensen Absicherungsbedarf."

Dementsprechend waren "sichere Häfen" gesucht. So sprang Gold um 4,4 Prozent auf über 1.300 Dollar nach oben und steht nun bei 1.322,95 Dollar, die Rendite des Euro-Bund Future kletterte um 1,73 Prozent auf 166,80 Einheiten nach oben.

Brexit: 5 Billionen Dollar Börsenwert vernichtet
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Britisches Pfund auf Tiefstand

Der Euro gab deutlich nach, das britische Pfund rutschte auf den tiefsten Stand seit 1985 ab. Der bevorstehende Austritt Großbritanniens habe das Vertrauen in den Zusammenhalt der Europäischen Union (EU) geschwächt, hieß es aus dem Handel. Außerdem rechnen Experten mit geldpolitischen Lockerungen in Reaktion auf den Brexit.

Notenbanken signalisierten am Freitag Handlungsbereitschaft. Die als sichere Häfen geltenden Währungen Yen und Franken waren unterdessen stark im Aufwind. "Die EZB steht bereit, falls nötig, zusätzliche Liquidität in Euro und in Fremdwährungen bereitzustellen", teilten die Euro-Wächter am Freitag mit.

Die EZB habe sich auf diesen Notfall in engem Kontakt mit den Banken, die sie überwache, vorbereitet. Sie beobachte die Finanzmärkte genau und stehe in engem Kontakt mit anderen Zentralbanken.

Die EZB stuft das Bankensystem der Eurozone bezüglich Kapital und Liquidität als widerstandsfähig ein. Die Notenbank erklärte zudem, sie werde ihren Verpflichtungen nachkommen, Preisstabilität und Finanzstabilität im Währungsraum zu sichern.

Euro verlor 3,5 Prozent

Der Euro verlor am Freitag etwa 3,5 Prozent an Wert und fiel zwischenzeitlich bis auf 1,0913 US-Dollar. Das war der tiefste Stand seit März. Da sich viele Marktteilnehmer in den vergangenen Handelstagen auf einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union eingerichtet hatten, waren die Ausschläge ungewöhnlich hoch. Zuletzt lag der Euro bei 1,1045 US-Dollar.

Neben dem geschwundenen Vertrauen in die EU schwächten auch Erwartungen weiterer geldpolitischer Lockerungen in Reaktion auf den Brexit den Euro. Die EZB werde schnell reagieren und ihre Bereitschaft erklären, alles für die Preisstabilität in der Region zu tun, schrieb JPMorgan-Experte David Mackie in einer Freitag früh veröffentlichten Studie. Demnach dürfte der Leitzins noch stärker gesenkt und das Anleihekaufprogramm noch stärker ausgeweitet werden.

Bank von England stellt zusätzliche Mittel bereit

Die britische Notenbank rechnet für Großbritannien nach dem Votum für einen EU-Ausstieg des Landes mit einer Zeit der Unsicherheit. Die Zentralbank stehe aber bereit, das Funktionieren der Märkte zu garantieren, sagte der Chef der Bank von England (BoE), Mark Carney am Freitag in London. Zur Geldversorgung der Finanzwirtschaft könnten zusätzliche 250 Mrd. Pfund (326 Mrd. Euro) abgerufen werden.

Wenn notwendig, könne die britische Notenbank auch erhebliche Liquidität in Fremdwährung bereitstellen. Die Bank von England will zudem prüfen, ob sie weitere Schritte in den kommenden Wochen einleiten wird.

Unterdessen sorgt die panikartige Reaktion auf das Brexit-Votum vor allem beim Pfund für einen Ausverkauf. Die britische Währung fiel zwischenzeitlich unter 1,33 Dollar bis auf 1,3229 Dollar. Das war der tiefste Stand seit 1985. Damit war das Pfund rund elf Prozent billiger als in der Nacht, als die britische Währung zeitweise noch etwas mehr als 1,50 Dollar gekostet hatte. Zuletzt lag das Pfund bei 1,3630 Dollar. Die Bank of England erklärte am Freitagmorgen, sie werde alle notwendigen Schritte einleiten, um die Stabilität zu sichern. Man habe sich bereits mit anderen Notenbanken verständigt.

Im Gegenzug zu den Verlusten bei Euro und Pfund gewann der japanische Yen, der unter Anlegern als sicherer Hafen in schweren Zeiten gilt, stark an Wert. Das Pfund stürzte zum Yen um über 14 Prozent ab. Ein Pfund kostete zwischenzeitlich 133,31 Yen. Damit war der Yen so stark wie zuletzt im Dezember 2012. Auch zum Dollar war der Yen im Höhenflug: Zwischenzeitlich kostete ein Dollar sogar weniger als 100 Yen, der Kurs fiel bis auf 99,02 Yen. Das war der tiefste Stand seit November 2013. Im Anschluss kletterte der Kurs wieder über 100 Yen. Zum Euro stieg der Yen auf den höchsten Wert seit Dezember 2012. Ein Euro kostete zwischenzeitlich nur noch 109,57 Yen.

Aktien von Banken und Versicherern brechen ein

Auch die Aktien von Finanzinstituten brechen europaweit ein. Die Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank verloren kurz nach dem Handelsstart am Freitagmorgen jeweils rund 16 Prozent. In Wien verloren die Aktien der Erste Group (-14 Prozent) und Raiffeisen Bank International (-12 Prozent) dramatisch an Wert.

Die Aktien der Royal Bank of Scotland lagen an der Londoner Börse rund 28 Prozent im Minus, Papiere von Lloyds büßten 22 Prozent ein. Auch der Versicherer Aviva verlor rund 25 Prozent. Die Briten entschieden in einer Volksabstimmung, dass Großbritannien aus der EU austritt.

Auswirkungen für Österreich nur minimal

Bank Austria, Erste Group und Raiffeisen überarbeiten in Reaktion auf die heutige britische Brexit-Entscheidung ihre Prognosen, voraussichtlich nächste Woche gibt es Ergebnisse. Wifo-Chef Karl Aiginger sieht hingegen keinen Grund, die gestrige Prognose zu revidieren - zu klein sei die Auswirkung auf Österreich. Auch IV-Chefökonom Helmenstein sieht nur minimale Effekte in Österreich.

"Wir werden für Österreich für 2017 zumindest um ein halben Prozentpunkt nach unten gehen, von 1,5 auf 1,0 Prozent, alleine aus der Unsicherheit heraus", so Bank-Austria-Chefanalyst Stefan Bruckbauer am Freitag zur APA. Bedeutende Auswirkungen seien in Österreich erst ab dem vierte Quartal 2016 und dann 2017 zu erwarten. Für Großbritannien werden die Auswirkungen eher dramatisch sein, Bruckbauer rechnet im kommenden Jahr mit einer Rezession und im Gesamtjahr 2017 mit Nullwachstum. Für die EU rechnet die Bank Austria für 2017 ebenfalls mit 0,5 Prozentpunkten weniger Wachstum.

"Wir waren schon vorbereitet und haben auch für den Fall des Brexit eine Prognose", sagte Erste-Chefanalyst Friedrich Mostböck auf Anfrage der APA. Die Auswirkungen für Österreich werden aber "eher verhalten" sein. Zwar werde noch im Detail gerechnet, aber "aller Voraussicht nach" wird die Erste ihre Prognose für das Wachstum in Österreich im Jahr 2016 nur von 1,5 auf 1,4 Prozent zurücknehmen, 2017 dürften es dann 1,5 statt bisher erwarteten 1,7 Prozent Plus sein. Die Situation heute sei "völlig unerwartet für die Märkte" weil man bis gestern vom Gegenteil ausgegangen sei. "Da haben sich sämtliche Ökonomen, Analytiker und Märkte verschätzt", vermerkt Mostböck.

Für Peter Brezinschek ist klar, dass Raiffeisen alle Prognosen revidieren muss, denn man habe auf einen Verbleib der Briten in der EU gesetzt. Anfang nächster Woche werde die neue Einschätzung publiziert. Die Abstimmung habe ein "unerfreuliches Ergebnis" gebracht aber auch einen "Schuss vor den Bug, dass Europa nicht zu viel in Überregulierung und Bürokratieaufbau gehen darf". Die Briten haben in den letzten Jahren mit zwei bis drei Prozent Wachstum deutlich erfolgreicher gewirtschaftet als die EU aber "das wird nicht so bleiben", sagt Brezinschek. Auch wenn es die Briten glauben mögen, "dass man alleine mehr Wachstum schafft als vereint, widerspricht jeder ökonomischen Logik".

WIFO bleibt bei Prognose

Das Wirtschaftsforschungsinstitut hält hingegen an der erst gestern Donnerstag veröffentlichten Prognose von 1,7 Prozent Wachstum im kommenden Jahr fest. Das Abstimmungsergebnis "ist eine Unsicherheit die wir nicht gebraucht hätten", so Aiginger. Es werde einen Schaden für Großbritannien, Europa und "in ganz kleinem Ausmaß Österreich" geben. Die direkte Wirkung werde zwischen 0 und 0,1 Prozent liegen "daher müssen wir die Prognose nicht revidieren". Entscheidend sei nun, wie die Situation behandelt werde. Komme es zu zügigen und konstruktiven Verhandlungen, dann sei der Schaden gering. Sollten Schuldzuweisungen beginnen, Sezessionsbewegungen in Großbritannien und der EU stärker und Stimmung gegen die EU geschürt werden, dann werde der Schaden größer werden.

Ähnlich sieht es das IHS: Die direkten Effekte eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU auf die österreichische Wirtschaft werden "relativ gering" sein, sagte IHS-Konjunkturexperte Helmut Hofer zur APA.

Auch der Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), Christian Helmenstein, erwartet praktisch keine Auswirkung auf Österreich: "Alles zusammen liegt an der Grenze des Wahrnehmbaren für Österreich", sagte er am Freitag zur APA. Das Österreichische BIP werde nach Berechnungen bis 2030 um 0,05 bis 0,18 Prozent niedriger liegen, als ohne den Brexit. Zum Vergleich: Der Schalttag heuer hat die Wirtschaftsleistung des Landes zumindest um 0,2 Prozent erhöht - der Effekt war also größer als jener des Brexit, so Helmenstein.

Nach der Entscheidung der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der EU (Brexit) gehen die Anlageexperten der Erste Group davon aus, dass die Investoren auch nach der unmittelbaren Marktreaktion am heutige Tag mittelfristig Risiko meiden und Risikoanlagen dementsprechend unter Druck bleiben werden.

"Wirtschaftspolitische Gegenmaßnahmen, vor allem seitens der Zentralbanken, werden die negativen Folgewirkungen mildern, aber nicht komplett abfedern können", so Peter Szopo, Aktien-Chefstratege der Erste Asset Management am Freitag in einer Ersteinschätzung.

Es sei davon auszugehen, dass das britische Pfund und der Euro deutlich gegenüber dem Dollar, dem Yen und dem Schweizer Franken verlieren, so Szopo.

Auch auf den Aktienmärkten sei eine massive Korrektur zu erwarten, verbunden mit einem gleichzeitigen deutlichen Anstieg der Volatilitätsindikatoren. Der japanische Markt sei heute Morgen mehr als 8 Prozent in der Verlustzone, bei britischen und europäischen Aktien ist eine zweistellige Korrektur nicht auszuschließen.

Auf den Bondmärkten sei damit zu rechen, dass die Spreads der europäischen Peripherie-Anleihen aufgehen, während die Renditen deutscher, britischer und US-amerikanischer Staatsanleihen sinken werden und in nächster Zeit gegen null - oder darunter - tendieren werden. Erwartungsgemäß werde sich Gold - wie meist in ähnlichen Schocksituationen - unter den Gewinnern befinden. Bereits in der ersten Reaktion hätten Goldfutures heute Nacht um 80 US-Dollar per Feinunze zugelegt.

Dijsselbloem: Keine Auswirkung auf Eurozone

Großbritannien hat sich nach Ansicht von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem für den Weg der Instabilität entschieden. „Wir in der EU müssen eine andere Wahl treffen,“ sagte der niederländische Finanzminister am Freitag in Den Haag. „Instabilität ist das letzte, was wir in Europa und der Eurozone brauchen.“ Die Entscheidung der Briten werde auch für die Eurozone nichts ändern. Sie werde „festentschlossen, den Weg der wirtschaftlichen Erholung fortsetzen“, betonte Dijsselbloem.
Der Finanzminister erwartet auch, dass sich die Finanzmärkte und Börsen in der nächsten Zeit wieder stabilisierten. Von einer Panikstimmung in Europa könne keine Rede sein.

Die Analysten internationaler Bankhäuser erwarten in ersten Reaktionen weitreichende Auswirkungen des britischen Ja zu einem Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union. Für die Analysten der Credit Suisse ist das Brexit-Votum der größte bisherige Rückschritt von dem seit dem Ende des zweiten Weltkrieg geltendenden Konsensus hinsichtlich europäischer Integration und Freihandel.

Das Abstimmungsergebnis sei zwar in seiner Auswirkung auf das Finanzsystem nicht mit der Lehman-Pleite vergleichbar, stelle aber einen entscheidenden Wendepunkt dar. Großbritannien habe einen signifikanten Schritt zurück im Globalisierungsprozess gemacht, so die Analysten.

Rezessionsgefahr

Die Credit Suisse-Ökonomen erwarten jetzt für das zweite Halbjahr ein Abrutschen der britischen Konjunktur in eine Rezession. Die Experten haben ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in Großbritannien für 2016 von 1,8 auf 1,0 Prozent und für 2017 von 2,3 auf minus 1,0 Prozent revidiert. Die Eurozone dürfte es glimpflicher treffen, die Analysten haben ihre Prognose für ihr Wachstum für heuer von 1,7 auf 1,5 und für 2017 von 2,0 auf 1,0 Prozent gesenkt.

Auch die UniCredit hält eine Rezession in Großbritannien für wahrscheinlich und kürzt ihre BIP-Prognose für das Land für 2017 von 2,1 auf in etwa null Prozent. Die UBS erwartet jetzt ebenfalls ein drastisch geringeres Wachstum in Großbritannien.

Zudem dürfte der Ausgang des Referendums nach Einschätzung der Credit-Suisse-Experten populistische Parteien auf beiden Seiten des politischen Spektrums in Europa stützen und damit wahrscheinlich zu einer weitere Fragmentierung der Union führen.

Die Analysten der UniCredit erwarten naturgemäß starke Auswirkungen auf die Zukunft der Handelsbeziehungen der Briten mit der EU. Die für die Briten am wenigsten kostspielige Variante wäre die "norwegische" Option eines Beitritts zur EFTA und damit eines Verbleibens im Binnenmarkt, was aber eine Einhaltung vieler EU-Gesetze bedingt ohne aber die Mitspracherechte zu haben. Dies würde allerdings den Autonomiebestrebungen der "Leave"-Befürworter widersprechen, die UniCredit hält daher eher ein ähnliches Freihandelsabkommen wie zwischen der EU und Kanada (CETA) für wahrscheinlicher.

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