Boltz: "Das ist das Schicksal des freien Marktes"

Walter Boltz: „Die alteingesessenen Versorger haben viel getan, um den Wettbewerb zu verhindern“
Beim Strompreis gibt es keinen normal funktionierenden Wettbewerb, so der Chef der Regulierungsbehörde.

Beim Strompreis gibt es keinen normal funktionierenden Wettbewerb, sagt Walter Boltz, der Chef der Energieregulierungsbehörde E-Control. Klagen der Firmen über Verluste durch die Stromerzeugung oder unrentable Investitionen kann er nicht nachvollziehen.

KURIER: Der Verbund senkt den Strompreis. Kommt jetzt eine Preissenkungswelle?

Walter Boltz: Gut, dass der Verbund die Preise senkt. Als gelernter Österreicher weiß man: Vor der Wahl könnte es als Geschenk noch die eine oder andere klitzekleine Strompreissenkung geben. Eine große Welle würde mich aber überraschen. Die Firmen verlieren in der Strom-Erzeugung relativ viel Geld. Daher versuchen sie, bei jenen Kunden, die nicht preissensibel sind, möglichst viel zu kassieren. Da die Haushaltskunden selten wechseln, wäre es da unlogisch, diesen günstige Preise zu geben.

KURIER: Nach dem Motto: Die verlieren wir nicht, dort verlangen wir einen Aufschlag?

Boltz: Ja, genau. Wir hatten im letzten Jahr weniger als ein Prozent Wechselrate. Und das, obwohl die Einsparungen für einen durchschnittlichen Haushalt 100 Euro und mehr betragen würden.

KURIER: Woher kommt die geringe Wechsel-Bereitschaft?

Boltz: Wirklich aggressive Werbung gibt es nicht. Viele der Energie-Unternehmen sind gesellschaftsrechtlich verwoben. Interessant ist, dass die Wechselrate im Gasgeschäft fast doppelt so hoch ist – dort gibt es jetzt drei ausländische Anbieter.

KURIER: Die Stromfirmen jagen sich also gegenseitig keine Kunden ab?

Boltz: Man macht ein bissel Marketing, aber sehr schaumgebremst. Dann gibt es den Sündenfall Energie Allianz Austria, die mit Wien, Niederösterreich und Burgenland ganz Ostösterreich umfasst. Kleinere Anbieter haben Angst, diese könnte massiv zurückschlagen. Deshalb treten Salzburger, Kärntner, Steirer nicht so aggressiv auf.

KURIER: Die anderen scheuen davor zurück, der Wien Energie, EVN und Energie Burgenland ins Gehege zu kommen?

Boltz: Man sieht ja: Geht die Salzburg AG aggressiver vor und macht mit MyElectric eine Aktion im Osten, kontert die Allianz sofort mit einem switch-Sonderangebot nur für Salzburg. Die Botschaft wird verstanden: „Halt dich zurück, sonst machen wir dir die eigenen Kunden abspenstig.“ Der einzige, der sich nicht fürchtet, ist der Verbund, weil er selbst groß ist. Er hat aber die Allianz-Unternehmen als Aktionäre an Bord. Einem ausländischen Anbieter wäre das egal, aber den haben wir im Strombereich nicht.

KURIER: Einige in der Branche sagen, es wird jetzt schon kein Geld verdient. Stimmt das?

Boltz: An der Stromerzeugung verdient keiner etwas, außer er hat geförderte Ökostrom-Anlagen oder ihm gehören die großen Wasserkraftwerke an der Donau (wie dem Verbund, Anm.) Die kosten im Betrieb fast nichts. Ein Gaskraftwerk hingegen macht je produzierter Kilowattstunde Strom derzeit zwei oder drei Cent Verlust.

KURIER: Kann man von Unternehmen verlangen, Verluste zu machen, damit der Strom billig ist?

Boltz: In vielen anderen Branchen mit normal funktionierenden Markt wäre das so. Macht ein Printunternehmen mit einer Zeitung Verluste, kann es auch nicht für alle anderen Produkte die Preise verdoppeln, um das zu kompensieren.

KURIER: Investitionen in neue Kraftwerke rentieren sich derzeit nicht. Leidet darunter die Versorgungssicherheit?

Boltz: Noch lange nicht. Wir haben eine sehr komfortable Sicherheitsmarge bei den Kraftwerkskapazitäten in Europa. Dass manche Investments sich nachträglich als schlechte Entscheidung herausstellen, ist das Schicksal des freien Marktes.

KURIER: Die Stromfirmen werden kritisiert, dass die Großhandelspreise gesunken sind, der Preis für den Endkunden aber nicht. Die EnergieAllianz wundert sich umso mehr darüber, dass die E-Control ausgerechnet ihren Floater-Tarif, der sich direkt am Strompreis an der Börse orientiert, nicht in ihren Tarifkalkulator aufnimmt. Warum?

Boltz: Wir haben lange diskutiert. So wie der Floater-Tarif konzipiert war, wäre für den Kunden erst im Nachhinein klar gewesen, um welchen Preis er Strom kauft. Jetzt wird die Allianz den Tarif auf vergangenen Indizes aufbauen. Wir werden ihn in ein, zwei Monaten aufnehmen.

KURIER: Vorbehalte, dass der stark spekulative Tarif nicht massentauglich ist, haben Sie nicht?

Boltz: Ist es unsere Aufgabe, so etwas zu verhindern? Man kann unterschiedlicher Meninung sein, ob das für einen durchschnittllichen Kunden gescheit ist. Im Augenblick gehen wir davon aus, dass die Großhandelspreise auf Sicht niedrig bleiben. Somit ist das Risiko nicht so wahnsinnig groß.

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